Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
ich bedanke mich herzlich für Ihre wohnungseigentumsrechtliche Anfrage. Diese möchte ich nun gerne anhand der von Ihnen gemachten Angaben wie folgt beantworten.
Ich verstehe gut, dass eine beschädigte Dachbodenluke – zumal wenn der Aufstieg ausschließlich durch eine bestimmte Wohnung erfolgt – in einer kleinen Gemeinschaft schnell zu Unsicherheit, Verzögerungen und auch zu Spannungen führt. Ziel meiner Ausführungen ist, Ihnen eine klare, rechtssichere Entscheidungsbasis zu geben, damit Sie zügig und ohne weitere Reibungsverluste vorgehen können.
1) Einordnung der Dachbodenklappe: Gemeinschafts- oder Sondereigentum?
Maßstab: Bauteile, die für Bestand, Sicherheit oder Funktion des Gebäudes erforderlich sind oder mehreren Wohnungen dienen, sind regelmäßig Gemeinschaftseigentum; dem Sondereigentum können nur solche Bestandteile zugeordnet sein, die ausschließlich innerhalb des abgegrenzten Sondereigentums liegen und nicht für die Gebäudehülle oder die Gesamtfunktion wesentlich sind (§ 3 Abs. 2 WEG – wesentliche Bestandteile; ordnungsmäßige Verwaltung und Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums: § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 WEG).
Rechtsprechung als Leitlinie: Der Bundesgerichtshof ordnet funktional vergleichbare Bauteile (etwa Dachflächenfenster und Wohnungseingangstüren) dem Gemeinschaftseigentum zu, weil sie entweder Teil der Gebäudehülle sind oder dem allgemeinen Gebrauch bzw. der Erschließung dienen, selbst wenn sie sich räumlich in oder an einer bestimmten Einheit befinden:
- BGH, Urteil vom 22.3.2024 – V ZR 87/22 und V ZR 87/23 (Dachflächenfenster als Gemeinschaftseigentum)
- BGH, Urteil vom 25.10.2013 – V ZR 212/12 (Wohnungseingangstüren als Gemeinschaftseigentum)
Übertragung auf den vorliegenden Fall: Die Dachbodenluke mit einklappbarer Treppe ist – bei einem nicht zu Wohnzwecken ausgebauten, gemeinschaftlichen Dachboden – typischerweise ein Bauteil, das den Zugang zu einem Bereich des Gemeinschaftseigentums ermöglicht. Daran ändert regelmäßig auch der Umstand nichts, dass der Zugang ausschließlich durch die Wohnung Nr. 9 erfolgt. Die Luke dient funktional der Erschließung des gemeinschaftlichen Dachraums; sie ist kein bloßer „innenliegender" Einrichtungsgegenstand der Wohnung. Nach der herrschenden Auffassung ist eine solche Zugangsluke daher dem Gemeinschaftseigentum zuzuordnen, mit der Folge, dass Instandhaltung und Instandsetzung grundsätzlich Sache der Gemeinschaft sind (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG).
Ergebnis zu 1): Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich um Gemeinschaftseigentum.
2) Wer trägt die Kosten der Instandsetzung/Erneuerung?
Grundsatz: Kosten des Gemeinschaftseigentums trägt die Gemeinschaft nach dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel (§ 16 Abs. 2 Satz 1 WEG), typischerweise nach Miteigentumsanteilen, sofern die Gemeinschaftsordnung oder ein ordnungsmäßiger Beschluss nichts Abweichendes vorsieht.
Abweichende Kostenverteilung durch Beschluss: Seit der WEG-Reform besteht eine ausdrückliche Beschlusskompetenz, eine andere, sachgerechte Verteilung zu beschließen (§ 16 Abs. 2 Sätze 2 ff. WEG). Ein sachlicher Grund kann insbesondere vorliegen, wenn die Maßnahme nur einzelnen Eigentümerinnen bzw. Eigentümern besondere Vorteile oder Lasten bringt oder die Nutzung primär einer Einheit zugutekommt. Die Rechtsprechung hat die Möglichkeit einer abweichenden Kostentragung bei einseitiger Betroffenheit schon vor der Reform entwickelt und nach der Reform fortgeführt; maßgeblich ist stets, ob der Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht und auf einem tragfähigen Sachgrund beruht.
Bedeutung des exklusiven Zugangs über Wohnung 9: Dass der Zugang zum Dachboden ausschließlich durch Wohnung 9 erfolgt, kann ein gewichtiges Argument für eine (teilweise) abweichende Kostenverteilung sein. Je nachdem, ob und inwieweit die Dachbodenfläche der Gemeinschaft tatsächlich dient (z. B. als Leitungs- oder Wartungsbereich) oder ob faktisch nur Wohnung 9 Gebrauchsvorteile hat (etwa Lagerung aufgrund eines eingeräumten Sondernutzungsrechts – sofern vorhanden), kann die Gemeinschaft mit einfacher Mehrheit eine angemessene Verteilungsregel beschließen (§ 16 Abs. 2 WEG). Ohne einen solchen Beschluss bleibt es jedoch beim gesetzlichen Grundsatz: Kostentragung durch die Gemeinschaft.
Ergebnis zu 2): Ohne abweichenden Beschluss trägt die Gemeinschaft die Kosten; mit ordnungsmäßigem Beschluss kann eine ganz oder teilweise abweichende Verteilung (etwa zugunsten einer höheren Beteiligung der Einheit 9) sachlich gerechtfertigt sein.
3) Regress gegen den Verursacher des Schadens
Deliktischer Schadensersatz: Wurde die Luke beim Umzug beschädigt, kommt gegen die schadensstiftende Person ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB (Eigentumsverletzung am Gemeinschaftseigentum) in Betracht. Anspruchsinhaberin ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 9a Abs. 2 WEG); sie kann Ersatz der erforderlichen Reparaturkosten verlangen (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB).
Beweislast: Die Gemeinschaft trägt die Darlegungs- und Beweislast für eine zurechenbare Pflichtverletzung der Schädigerin bzw. des Schädigers. Ohne protokollierte Schadensfeststellung oder Zeugen ist der Nachweis oft schwierig. Ein bloßer zeitlicher Zusammenhang („in der Zeit eines Umzugs") genügt in der Regel nicht für einen Anscheinsbeweis.
Haftpflichtversicherung: Ergibt sich ein konkreter Verursacher (z. B. Umzugsunternehmen), sollte der Schaden umgehend der Haftpflichtversicherung gemeldet und die Kommunikation beweissicher dokumentiert werden.
Ergebnis zu 3): Ein Regress ist möglich, setzt aber den beweissicheren Nachweis des Verursachers voraus. Solange dies nicht gelingt, verbleibt es bei der Kostentragung nach WEG-Grundsätzen.
4) Duldungs- und Zutrittsrechte
Damit die Gemeinschaft ihre Instandsetzungsverpflichtung erfüllen kann, ist die Eigentümerin bzw. der Eigentümer der Wohnung 9 verpflichtet, den Zutritt zur Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen zu dulden (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG). Die terminliche Abstimmung hat schonend und mit angemessener Frist zu erfolgen; unzumutbare Beeinträchtigungen sind zu vermeiden.
5) Praktisches Vorgehen
a) Beschlussfassung über die Instandsetzung: Fassen Sie zeitnah einen Beschluss über die Erneuerung/ fachgerechte Reparatur der Dachbodenluke als Maßnahme ordnungsmäßiger Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums (§ 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 WEG). Holen Sie vorab Vergleichsangebote ein und definieren Sie technische Mindeststandards (Sicherheit, Traglast, Brandschutz; ggf. DIN EN 14975 für Bodentreppen).
b) Kostenverteilung: Entscheiden Sie, ob Sie im konkreten Fall eine abweichende Kostenverteilung beschließen möchten (§ 16 Abs. 2 WEG). Ein tragfähiger Beschlusstext sollte den sachlichen Grund ausdrücklich benennen (z. B. exklusiver Zugang über Einheit 9; primärer Gebrauchsvorteil; fehlende allgemeine Nutzung). Ohne einen solchen Beschluss gilt die gesetzliche Verteilung.
c) Regressklärung: Stellen Sie möglichst schnell fest, ob der Umzug einem konkreten Unternehmen oder einer Person zugeordnet werden kann. Sichern Sie Beweise (Fotos, E-Mails, Zeugenangaben, zeitliche Abläufe). Bei greifbaren Anhaltspunkten mahnen Sie den Verursacher ab und melden den Schaden bei dessen Haftpflichtversicherung. Rechtlich ist die Gemeinschaft der richtige Anspruchsteller (§ 9a Abs. 2 WEG).
d) Zutritt organisieren: Stimmen Sie die Arbeiten einvernehmlich mit der Einheit 9 ab und dokumentieren Sie die Duldungspflicht (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG) im Beschluss bzw. im Anschreiben.
e) Versicherung prüfen: Die Gebäudeversicherung deckt regelmäßig keine bloßen Bedienungs- oder Handhabungsschäden; dennoch sollte der Fall angezeigt werden, um den Versicherungsschutz sorgfältig zu klären. Ggf. bestehen Nebenansprüche (z. B. aus einer Allgefahren-Police).
6) Kurzantwort auf Ihre Ausgangsfrage
Nach der typischen Rechtslage ist die Dachbodenluke, die den Zugang zu einem nicht ausgebauten, gemeinschaftlichen Dachboden ermöglicht, Gemeinschaftseigentum. Instandsetzung und Erneuerung sind Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG); die Kosten trägt die Gemeinschaft nach § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG, sofern nicht durch ordnungsmäßigen Beschluss eine abweichende, sachlich begründete Verteilung festgelegt wird (§ 16 Abs. 2 Sätze 2 ff. WEG). Unabhängig davon kann – bei nachweisbarem Fremdverschulden während des Umzugs – ein deliktischer Regressanspruch gegen die Verursacherin bzw. den Verursacher nach § 823 Abs. 1 BGB bestehen.
Abschließend: Ich weiß, dass solche Konstellationen aufgeladen sein können, weil sie die Schnittstelle zwischen Gemeinschaftsinteressen, Privatsphäre und Kostenverantwortung berühren. Ein sauberer, gut begründeter Beschluss – kombiniert mit einer fairen, transparenten Kommunikation mit der Einheit 9 – schafft erfahrungsgemäß Ruhe und Akzeptanz. Gern unterstütze ich Sie bei der Formulierung tragfähiger Beschlussvorschläge, der Abstimmung mit beteiligten Einheiten sowie – sofern Anhaltspunkte bestehen – bei der Durchsetzung etwaiger Regressansprüche. Sprechen Sie mich bei Interesse jederzeit einfach an - ich bin weiterhin für Sie da.
Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag.
Mit freundlichen Grüßen
Cedric Hohnstock
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Cedric Hohnstock
Königstraße 45
30175 Hannover
Tel: 0511 51545373
Tel: 0511 12220296
Web: https://kanzleihohnstock.de
E-Mail: