Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ausschließlich anhand der von Ihnen mitgeteilten Informationen gern beantworte:
Warum die Prämie im Versicherungsschein so erheblich von dem Online-Angebot abweicht, lässt sich ohne Einsicht in die Unterlagen hier natürlich nicht beantworten. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob es sich bei dem Online-Angebot bereits um ein verbindliches Angebot handelte oder nur um eine Beispielrechnung.
Entscheidend ist daher vor allem, ob und ggf. was im Versicherungsantrag zu den Prämien und ggf. zur Prämienberechnung steht. Stimmen Versicherungsantrag und Versicherungsschein inhaltlich überein, ist der Vertrag höchstwahrscheinlich wirksam mit der höheren Prämie zustande gekommen.
Weicht der Inhalt des Versicherungsscheins von dem Versicherungsantrag ab, wäre zu klären, ob ein Widerspruchsrecht nach § 5 Abs. 1 VVG
bestand und dieses wirksam ausgeübt wurde oder ob evtl. ein Versicherungsvertrag mit den niedrigeren Prämien nach § 5 Abs.3 VVG
zustande gekommen sein könnte. Um dies zu beurteilen, müssten jedoch der Versicherungsantrag und der Versicherungsschein tiefergehend geprüft werden.
Der Versicherungsvertrag kommt grundsätzlich schon dadurch zustande, dass die Versicherung den Antrag des Versicherungsnehmers annimmt und ihm den Versicherungsschein übersendet. Insofern spricht schon Einiges für einen Vertragsschluss mit der höheren Prämie.
Es stellt sich damit die Frage, wie das Schreiben Ihrer Tochter, dass "der Vertrag mangels übereinstimmender Willenserklärungen nicht zustande kommen kann" zu bewerten ist.
Ein Widerspruch wegen eines Abweichens vom Versicherungsantrag ist darin wahrscheinlich nur bei großzügiger Auslegung zu sehen, denn dazu ist das Schreiben zu allgemein. Es hätte wenigstens angeführt werden sollen, warum die Willenserklärungen nicht übereinstimmen.
Ein Widerrufsrecht, das binnen zwei Wochen vom Versicherungsnehmer nach Erhalt des Versicherungsscheins auszüben wäre, ist bei Verträgen mit vorläufigem Deckungsschutz nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 VVG
grundsätzlich ausgeschlossen. Wenn der Versicherungsvertrag aber online als sogenannter Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312b Abs. 1 und 2 BGB
abgeschlossen wurde, lebt das Widerrufsrecht wieder auf.
Selbst wenn also ein Widerrufsrecht nach § 8 VVG
gegeben ist, stellt sich aber wiederum die Frage, ob das Schreiben Ihrer Tochter als fristgerechter und ordnungsgemäßer Widerspruch gegen den Vertragsschluss zu bewerten ist. Hier habe ich einige Bedenken, dass das Schreiben tatsächlich als Widerspruch ausreichend ist.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass Ihre Tochter zwar das Zustandekommen des Vertrags ablehnt, trotzdem aber die vorläufige Deckung weiterhin in Anspruch nehmen will. Dies ist nicht nur ein Widerspruch in sich, sondern in der Form auch nicht möglich. Grundsätzlich entfällt mit dem Nichtzustandekommen des Hauptvertrags auch die vorläufige Deckung. Ferner kann der Versicherungsnehmer nicht darüber verfügen, ob und wie lange ihm der vorläufige Deckungsschutz gewährt wird.
Insgesamt scheint es im Rahmen einer Ersteinschätzung durchaus plausibel, dass hier ein wirksamer Versicherungsvertrag mit der höheren Prämie zustande gekommen sein kann. Das würde bedeuten, dass Ihre Tochter die im Versicherungsschein aufgeführten Prämien zahlen müsste.
Aber selbst wenn der Hauptvertrag nicht wirksam zustande kam, müsste Ihre Tochter für die Zeit, in der der vorläufige Deckungsschutz gewährt und in Anspruch genommen wird, die Prämie zahlen, die im Versicherungsschein angegeben wurde.
Zahlt Ihre Tochter nur eine geringere Prämie, kann die Versicherung tatsächlich zu den angedrohten Maßnahmen greifen. Rein objektiv nach dem Versicherungsschein befindet sich Ihre Tochter auch in einem ständigen Zahlungsrückstand.
Für das Bestehen eines wirksamen Versicherungsvertrags mit der Versicherung A spricht aber auch die Aussage der Versicherung B. Das Bestehen der Pflichtversicherung wird durch die Zulassungsstelle geprüft und im Zentralregister eingetragen. Es kann dabei immer nur eine Versicherung für das KfZ bestehen. Erst wenn der Vertrag mit Versicherung A beendet wird, kann Versicherung B dem Versicherungsantrag Ihrer Tochter stattgeben.
Für das weitere Vorgehen bedeutet das:
Es müsste also erst einmal abschließend geklärt werden, ob und mit welchem Inhalt mit Versicherung A ein Vertrag zustande gekommen ist. Dazu müssen u. a. Versicherungsantrag und -schein verglichen werden. Ferner müsste die Bindungswirkung des online-Angebots geprüft werden. Wie oben erwähnt, ist es meiner Einschätzung nach allerdings relativ gut nachvollziehbar, dass der Vertrag mit Versicherung A wirksam geschlossen wurde. Welcher Prämie zu zahlen ist, wäre im Rahmen der vorgenannten Prüfung ebenfalls zu klären.
Ein wirksam geschlossener Vertrag kann grundsätzlich nur durch Kündigung beendet werden. Hierbei sind die Kündigungsfristen vom Versicherungsnehmer einzuhalten. Bei erheblichem Prämienrückstand droht allerdings die Kündigung durch die Versicherung. Eine Kündigung der Versicherung wegen Prämienrückstand könnte wiederum dazu führen, dass die neue Versicherung den Antrag Ihrer Tochter ablehnt.
Derzeit dürfte noch der Deckungsschutz der Versicherung A gegeben sein, solange diese nicht aufgrund des Prämienrückstands den Wegfall der Deckung oder die Kündigung erklärt hat. Setzt Versicherung A die Androhung in die Tat um, entfällt der Deckungsschutz dort. Aus Versicherung B besteht nach Ihren Angaben noch kein Deckungsschutz, so dass dann insgesamt kein Versicherungsschutz mehr gegeben wäre.
Vorbehaltlich einer tiefergehenden Prüfungen der Vertragsunterlagen sehe ich hier zunächst nur die Möglichkeit, dass Ihre Tochter den Prämienrückstand ausgleicht und die Versicherung ggf. zum nächstmöglichen Termin kündigt. Dann dürfte auch einem Vertragsschluss bei Versicherung B nichts mehr im Wege stehen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Antwort einen ersten Überblick verschaffen.
Mit freundlichen Grüßen
Silke Jacobi
Rechtsanwältin
Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort, die ich allerdings an einem entscheidenden Punkt nicht verstanden habe.
Nach meiner bisherigen Überzeugung setzt das Zustandekommen eines Vertrages zwingend eine übereinstimmende Willensäußerung der Vertragsparteien voraus. Meiner Tochter hatte aber nie die Absicht gehabt oder die Absicht geäußert, einen Vertrag mit einer so ungewöhnlich hohen Prämie abzuschließen. Die wäre auch wirtschaftlich völlig unsinnig und widerspräche, da sie im Internet Preise verglichen hat, jeder Lebenserfahrung.
Das einzige, was sie getan hat: Sie hat eine Internetseite "angeklickt", auf der ihr Fahrzeug beschrieben und ihren persönlichen Verhältnissen eine Rabattstufe zugeordnet war und diesen Angaben eine Versicherungsprämie von knapp über 500€ zugeordnet war. Weiter hat sie die Deckungsnummer, die ihr daraufhin mitgeteilt wurde, verwendet.
Dieser "Bestätigungsklick" muss wohl als Versicherungsantrag angesehen werden. Der Vertrag über die vorläufige Deckung dürfte mit Vorlage der Deckungsnummer bei der Zulassungsstelle zustande gekommen sein.
Ich verstehe nicht, wie ein Vertrag nun dadurch zustande kommen kann, dass die Versicherungsgesellschaft ihr Wochen später einen Versicherungsschein zustellt, der die gleiche Fahrzeugbeschreibung und die gleiche Rabattstufe ausweist, aber eine Prämie von deutlich über 900€ vorsieht. Wenn dies der Fall ist, sehe ich nicht, wie man sich überhaupt gegen das Zustandekommen solcher extrem benachteiligender Verträge schützen kann. (Ich weise darauf hin, das bei Antragstellung in einer Filiale einer Versicherungsgesellschaft ja im Grunde keine andere Situation vorliegt.)
Auch kann ich nicht nachvollziehen, dass sie in Bezug auf den Vertrag zur vorläufigen Deckung in Verzug geraten kann, solange sie den einzigen ihr bei Vertragsabschluss bekannten Verpflichtungen nachkommt - nämlich der Zahlung eines Betrags von ca. 500€ pro Jahr.
Ich bitte um eine rasche Antwort. Meine Tochter ist durch Ihre Auskunft natürlich weiter beunruhigt.
Mit freundlichem Gruß
Peter Steinberg
Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r)
offensichtlich haben Sie meine Antwort gründlich missverstanden.
Der Versicherungsvertrag kommt mit durch den Versicherungsantrag und dessen Annahme in Form der Übersendung des Versicherungsscheins zustande. Wie sie selbst darlegen, wurde wohl online ein solcher Versicherungsantrag gestellt, als Ihre Tochter den Bestätigungslink angeklickt hat. Mit dem Übersenden des Versicherungsscheins ist daher der Versicherungsvertrag zustande gekommen. Der Antrag Ihrer Tochter wurde angenommen. Daran ändert auch das nachträgliche Schreiben Ihrer Tochter erst einmal nichts.
Eine andere Frage ist, mit welchem Inhalt - also mit welcher Prämienhöhe - der Vertrag zustande kam. Welchen Inhalt der Versicherungsantrag genau hatte, kann ich ohne Kenntnis des Antrags nicht beurteilen. Darum hatte ich ja auch darauf hingewiesen, dass hier eine abschließende Prüfung und ein Vergleich der Unterlagen noch vorzunehmen ist.
Zunächt gilt der Vertrag zu den Bedingungen geschlossen, die im Versicherungsschein enthalten sind. Da dort die höhere Prämie ausgewiesen wird, ist diese auch zu zahlenb. Insoweit besteht objektiv erst einmal ein Prämienrückstand.
Ich hatte in meiner Antwort bereits dargelegt, dass zu klären ist, ob evtl. ein Widerspruchsrecht nach § 5 Abs. 1 VVG
bestand, wenn der VersicherungsANTRAG vom Versicherungsschein inhaltlich abweicht. Eine Abweichung vom Angebot ist nicht zu berücksichtigen. Ich hatte ferner darauf hingewiesen, dass ggf. auch zu prüfen ist, ob möglicherweise der Vertrag gem. § 5 Abs. 3 VVG
mit den günstigeren Prämienzahlungen zustande gekommen ist. Auch dies kann aber nur dann abschließend beurteilt werden, wenn die Unterlagen eingesehen worden sind.
Auch auf ein evtl. Widerrufsrecht nach § 8 VVG
hatte ich bereits hingewiesen.
Eine weitere Frage bleibt, wie das Schreiben Ihrer Tochter rechtlich zu bewerten ist. Meiner Auffassung nach lässt sich damit nur schwer ein Widerspruch nach § 5 VVG
oder ein Widerruf nach § 8 VVG
begründen. Dieses Schreiben ist nach meinem Dafürhalten zu wenig aussagekräftig und enthält vor allem keine Angabe dazu, weshalb es keine übereinstimmenden Willenserklärungen gibt. Bei einem Widerspruch oder einem Widerruf müsste jedoch zumindest erkennbar sein, worauf sich der Widerspruch bezieht bzw. dass ein Widerruf erklärt wird.
Solange die Fragen eines evtl. Widerspruchs oder Widerrufs und des genauen Vertragsinhalts nicht abschließend geklärt sind, muss der Versicherungsschein erst einmal als Grundlage angenommen werden. Entsprechend sind die dort festgelegten Prämien zu zahlen. Ergibt sich später, dass zu hohe Prämien verlangt wurden, hat Ihre Tochter einen Erstattungsanspruch. Es ist aber nicht angeraten, selbst eigenmächtig die Prämien zu kürzen.
Ferner gilt es zu beachten, dass sich der Versicherungsantrag nicht nur auf die vorläufige Deckungszusage bezog sondern auf den Abschluss des Hauptvertrags. Vorläufige Deckungszusage und Hauptvertrag sind insoweit miteinander verbunden. Kommt nach Erteilung der vorläufigen Deckungszusage der Hauptvertrag nicht zustande, so ist für diesen Zeitraum ebenfalls die Prämie zu zahlen, die für den Hauptvertrag zu zahlen gewesen wäre. Dies ist hier - bis zum evtl. Beweis des Gegenteils - die Prämie, die im Versicherungsschein angegeben ist. Auch insoweit besteht also erst einmal ein Rückstand.
Auch wenn die Situation natürlich sehr unangenehm ist, kann hier noch keine abschließende Beurteilung zu der Prämienhöhe vorgenommen werden. Ihre Tochter sollte daher noch einmal eingehend den Versicherungsantrag prüfen und mit dem Versicherungsschein vergleichen. Auch das Angebot müsste u. U. noch einmal bezüglich der Bindungswirkung gesondert geprüft werden. Erst danach kann beurteilt werden, ob ein Widerufs- oder Widerspruchsrecht gegeben war und ob dies hinreichend und fristgerecht ausgeübt wurde. Bestanden diese Rechte nicht oder wurden Sie nicht ordnungsgemäß ausgeübt, bleibt es bei dem Vertragsschluss mit der höheren Prämie.
Ein Vertrag ist also erst einmal zustande gekommen. Dementsprechend ist Ihre Tochter auch verpflichtet, den Vertrag zu erfüllen und die festgelegten Prämien zu zahlen. Es obliegt ferner Ihrer Tochter, nachzuweisen, dass es eine Abweichung zwischen Antrag und Versicherungsschein gibt und dass sie der Abweichung rechtzeitig widersprochen hat oder aber der Vertrag widerrufen wurde. In diesem Punkt sehe ich nach Ihren Angaben allerdings erhebliche Schwierigkeiten.
Bitte haben Sie Verständnis, dass im Rahmen dieses Portals nur eine Ersteinschätzung möglich ist und insoweit nur darauf hingewiesen werden kann, welche Probleme/Fragen noch tiefergehend zu klären sind. Ich hoffe, ich habe Ihre Nachfrage damit beantwortet.
Mit freundlichen Grüßen
Silke Jacobi
Rechtsanwältin