Sehr geehrter Fragesteller,
zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:
1.
Muss die Gesundheitskasse die beitragsfreie Krankenversicherung sowie die Familienversicherung aufrechterhalten und wie lange muss sie das ggf. tun?
Die beitragsfreie Versicherung ist während der Elternzeit grundsätzlich möglich, solange ein Arbeitsverhältnis besteht und Elternzeit nach dem BEEG (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) in Anspruch genommen wird.
Die beitragsfreie Pflichtversicherung in der GKV während der Elternzeit setzt jedoch zwingend ein fortbestehendes Arbeitsverhältnis voraus (§ 192 SGB V).
Mit der Insolvenz und der Schließung des Unternehmens ist das Arbeitsverhältnis Ihrer Frau rechtlich noch nicht beendet, solange keine Kündigung ausgesprochen wurde.
Das bedeutet: Solange das Arbeitsverhältnis formal besteht und Elternzeit genommen wird, besteht auch die beitragsfreie Versicherungspflicht in der GKV fort.
Allerdings endet die beitragsfreie Versicherung, wenn das Arbeitsverhältnis endet, also mit Zugang einer Kündigung oder mit Ablauf der Elternzeit. Da Ihrer Frau bislang nicht gekündigt wurde, besteht das Arbeitsverhältnis formal weiter. Die GKV muss daher die beitragsfreie Versicherung und die Familienversicherung der Kinder grundsätzlich aufrechterhalten, solange das Arbeitsverhältnis besteht und Elternzeit genommen wird.
2.
Kann Ihre Frau durch das Arbeitsamt/Jobcenter zur Aufnahme einer Arbeit aufgefordert werden?
Solange Ihre Frau sich in Elternzeit befindet und das Arbeitsverhältnis formal besteht, besteht kein Zwang zur Arbeitsaufnahme. Erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und/oder der Elternzeit kann das Jobcenter im Rahmen der Grundsicherung (ALG II) eine Arbeitsaufnahme verlangen. Während der Elternzeit besteht ein besonderer Schutz, der eine solche Verpflichtung ausschließt.
3.
Die KV drängt auf freiwillige Versicherung. Sollen Sie dem nachkommen? Gibt es die Möglichkeit, nach Klärung der Rechtslage Beiträge zurückzubekommen?
Die Krankenkasse kann Ihre Frau und die Kinder nur dann zur freiwilligen Versicherung auffordern, wenn die Voraussetzungen für die beitragsfreie Pflichtversicherung nicht mehr vorliegen, also insbesondere das Arbeitsverhältnis beendet ist oder keine Elternzeit mehr besteht.
Da das Arbeitsverhältnis formal noch besteht, ist die Aufforderung zur freiwilligen Versicherung derzeit nicht gerechtfertigt.
Sollten Sie dennoch vorsorglich eine freiwillige Versicherung abschließen, besteht bei späterer Klärung der Rechtslage (z.B. durch Nachweis, dass das Arbeitsverhältnis und die Elternzeit fortbestehen) ein Anspruch auf Rückerstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Rückabwicklung nicht geschuldeter Leistungen (§ 812 BGB).
4.
Kann die KV rückwirkend Beiträge verlangen?
Die Krankenkasse kann nur dann rückwirkend Beiträge verlangen, wenn die Voraussetzungen für die beitragsfreie Versicherung tatsächlich nicht mehr vorlagen, also das Arbeitsverhältnis beendet war oder keine Elternzeit mehr bestand.
Da Ihrer Frau bislang nicht gekündigt wurde und die Elternzeit formal weiterläuft, besteht kein Grund für eine rückwirkende Beitragserhebung. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass das Arbeitsverhältnis doch beendet wurde (z.B. durch eine wirksame, aber bislang nicht zugegangene Kündigung), könnte die KV Beiträge für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangen.
5.
Fazit:
- Die beitragsfreie Versicherung und Familienversicherung sind solange aufrechtzuerhalten, wie das Arbeitsverhältnis besteht und Elternzeit genommen wird.
- Eine Verpflichtung zur Arbeitsaufnahme besteht während der Elternzeit nicht.
- Eine freiwillige Versicherung ist derzeit nicht erforderlich; bei vorsorglichem Abschluss besteht ein Rückerstattungsanspruch, falls die Pflichtversicherung doch fortbesteht.
- Rückwirkende Beitragsforderungen sind nur zulässig, wenn die Voraussetzungen für die beitragsfreie Versicherung tatsächlich entfallen sind.
Empfehlung:
Fordern Sie die Krankenkasse schriftlich auf, die beitragsfreie Versicherung und Familienversicherung wiederherzustellen und legen Sie dar, dass das Arbeitsverhältnis mangels Kündigung fortbesteht und Elternzeit genommen wird. Verweisen Sie auf die einschlägigen Regelungen des SGB V und die dargestellte Rechtslage.
Sollte die Krankenkasse weiterhin ablehnen, können Sie Widerspruch gegen die Entscheidung einlegen und auf die Fortgeltung des Arbeitsverhältnisses und der Elternzeit verweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
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