Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich wie folgt beantworten möchte:
1. Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft
Gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3b und Nr. 4 SGB II
gehören zu einer Bedarfsgemeinschaft der Hilfsbedürftige, die Person, die mit dem Hilfsbedürftigen in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammenlebt, und die dem Haushalt angehörenden minderjährigen unverheirateten Kinder.
Das heißt in Ihrem Fall, dass Person A (Hilfsbedürftige) und Person B (minderjähriges Kind) auf jeden Fall eine Bedarfsgemeinschaft bilden. Person C gehört aber nur dann zur Bedarfsgemeinschaft, wenn er und A in einem eheähnlichen Verhältnis zusammenleben. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung vom 02.09.2004 (Az.: 1 BvR 1962/04
) folgende Richtlinien für die Feststellung einer eheähnlichen Gemeinschaft erarbeitet: Bei einer eheähnlichen Gemeinschaft handelt es sich um eine "Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen".
Nicht jedes Zusammenleben in einer gemeinsamen Wohnung ist also schon eine eheähnliche Gemeinschaft. Vielmehr müssen die zuständigen Behörden im Einzelfall ermitteln, ob das Zusammenleben eine solche Intensivität erreicht hat, dass eine eheähnliche Lebensgemeinschaft angenommen werden kann, ob also die Partner wie in einer Ehe füreinander persönlich und wirtschaftlich einstehen wollen und wie sie miteinander umgehen. Indizien für eine solche intensive Beziehung sind insbesondere
<ul><li>die bisherige Dauer des Zusammenlebens,</li>
<li>eine gemeinsame Kontenführung,</li>
<li>die gemeinsame Anmietung der Wohnung,</li>
<li>gegenseitige finanzielle Unterstützung in der Vergangenheit,</li>
<li>gemeinsame Betreuung von minderjährigen Kindern, die im Haushalt leben.</li>
</ul>Entscheidend ist dabei das Gesamtbild. Es kommt also nicht auf die Dauer des bisherigen Zusammenlebens ausschließlich an, vielmehr kann auch eine bislang kurze Beziehung schon als eheähnliche Gemeinschaft gewertet werden, wenn die anderen Indizien deutlich für eine eheähnliche Gemeinschaft sprechen.
In Ihrem Fall könnte ein Widerspruch, neben dem Argument des erst kurzen Zusammenlebens, vor allem damit begründet werden, dass ein kleines Kind (B) existiert, deren Vater nicht C ist, so dass die Beziehung zwischen A und C noch ziemlich frisch sein dürfte und überhaupt erst einmal die "Bewährungsprobe" eines Zusammenlebens mit einem kleinen Kind und demnächst zwei kleinen Kindern durchstehen müsse. Wie es ansonsten in der Beziehung von A und C aussieht - insbesondere hinsichtlich der gemeinsamen Kontenführung etc. - , kann ich Ihren Angaben nicht entnehmen.
2. Heranziehung des Einkommens von Person C bei der Ermittlung des ALG-II-Anspruchs
Das Einkommen von Person C darf dann und nur dann herangezogen werden, wenn C mit A und B eine Bedarfsgemeinschaft bildet. Dies ist gemäß meinen Ausführungen unter Ziffer 1 zu ermitteln, so dass es bei der Begründung des Widerspruchs vor allem darauf ankommt, dass Sie darlegen können, dass keine Bedarfsgemeinschaft besteht.
In einer Bedarfsgemeinschaft ist jedes Einkommen, das eines der Mitglieder erzielt, bei der Berechnung des ALG-II-Anspruchs eines Mitglieds zu berücksichtigen. Die zuständige Behörde ermittelt anhand der gesetzlichen Vorgaben den Bedarf jedes einzelnen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft, rechnet die ermittelten Bedarfssummen zum Gesamtbedarf zusammen und überprüft sodann, ob der Gesamtbedarf durch das Einkommen, das die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erzielen, abgedeckt wird. Falls ja, wird kein ALG II bewilligt.
Sollte in Ihrem Fall also tatsächlich eine Bedarfsgemeinschaft bestehen (siehe Ziffer 1), dann wird das gesamte anrechnungsfähige Einkommen des C zur Abdeckung des Bedarfs der Bedarfsgemeinschaft herangezogen. Ob dabei unterhaltsrechtliche Selbstbehaltsgrenzen o.ä. unterschritten werden, spielt keine Rolle. Außerdem entfällt der Mehrbedarf wegen Alleinerziehung (§ 21 Abs. 3 SGB II
), da Person A dann ja nicht mehr als "alleinerziehend" gilt.
Überprüfungswürdig ist in diesem Fall aber jedenfalls, ob das heranzuziehende Einkommen des C korrekt ermittelt wurde. Um hierzu eine klare Aussage machen zu können, müsste man die genauen Einkommensverhältnisse des C kennen. Dies würde allerdings den Rahmen dieser Plattform sprengen. Insoweit wäre eine Überprüfung durch einen Rechtsanwalt vor Ort angebracht (Person A dürfte Anspruch auf Beratungshilfe haben, so dass die Beratung für sie erschwinglich wäre).
3. "Erwerbsunfähigkeit" von Person A aufgrund des Kindes und der Schwangerschaft
Person A ist nicht "erwerbsunfähig" im Sinne des SGB II. "Erwerbsunfähig" - mit der Folge der Sozialhilfeberechtigung - sind nur Personen, die aufgrund Krankheit oder Behinderung nicht imstande sind, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten (§ 8 SGB II
). Person A ist jedoch nicht krank oder behindert. Vielmehr stellt sich bei ihr die Frage, ob ihr eine Arbeitsaufnahme zugemutet werden kann.
Zu diesem Thema findet sich eine Regelung in § 10 SGB II
, die ich Ihnen zitieren möchte:
Dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass
(...)
3. die Ausübung der Arbeit die Erziehung seines Kindes oder des Kindes seines Partners gefährden würde; die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit seine Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches oder auf sonstige Weise sichergestellt ist; die zuständigen kommunalen Träger sollen darauf hinwirken, dass erwerbsfähigen Erziehenden vorrangig ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird,
(...)
Dieser Vorschrift können Sie entnehmen, dass Person A grundsätzlich nicht verpflichtet werden kann, einer Arbeit nachzugehen, solange das jüngste Kind das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat; sie hat daher solange auch keine Sanktionen wegen Nichtannahme eines Arbeitsplatzes zu befürchten. Sobald das jüngste Kind drei Jahre alt geworden ist, kommt es darauf an, ob die Betreuung des Kindes während der Arbeitszeiten durch Kindergärten oder in anderer Form gesichert werden kann.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen erschöpfend Auskunft geben, und wünsche der jungen Familie alles Gute. Gern gehe ich im Rahmen der Nachfragefunktion noch auf zusätzliche Angaben Ihrerseits zu der Ausgestaltung der Beziehung zwischen A und C ein.
Mit freundlichen Grüßen
Jana Laurentius
(Rechtsanwältin)
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