Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich wie folgt beantworten möchte:
Gemäß § 33 Abs. 1 SGB II
, der ab dem 01.08.2006 noch verschärft werden wird (dann gehen Ansprüche des Hilfebedürftigen automatisch kraft Gesetzes auf die ARGE über), kann die ARGE Ansprüche, die Ihre Mutter gegen andere Personen hat, durch schriftlichen Bescheid auf sich überleiten. Zu diesen Ansprüchen zählt auch der Pflichtteilsanspruch. Das bedeutet, dass die ARGE nach dem Gesetz berechtigt ist, den Pflichtteilsanspruch, den Ihre Mutter Ihnen gegenüber innehat, auf sich überzuleiten und sodann Zahlung von Ihnen zu verlangen.
Fraglich ist, wie sich der Verzicht, den Ihre Mutter Ihnen gegenüber erklärt hat, auswirkt. Nach der Rechtsprechung kann durch einen wirksamen Verzicht die Überleitung eines Anspruchs verhindert werden. Der Verzicht muss also wirksam sein.
Das Bürgerliche Gesetzbuch schreibt für den Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs keine besondere Form vor, so dass der Verzicht keiner notariellen Beurkundung bedarf. Dass Sie mit Ihrer Mutter nur eine privatschriftliche Vereinbarung getroffen haben, ist für die Wirksamkeit des Verzichts also unschädlich.
Möglicherweise ist der Verzicht aber unwirksam, weil er als sittenwidrig zu beurteilen ist. Dies wird dann angenommen, wenn der Verzicht in der Absicht, den Träger der Grundsicherungsleistung zu schädigen, erklärt wurde oder aber wenn der Anspruchsinhaber - Ihre Mutter - sich der Einsicht verschlossen hat, dass der Verzicht notwendig zu Lasten des Trägers der Grundsicherung gehen würde. Letzteres wird in der Regel angenommen, wenn der Verzicht innerhalb des letzten Jahres vor dem Eintritt der Bedürftigkeit vorgenommen wurde. Dies ist bei Ihnen wohl der Fall.
Sie und Ihre Mutter werden daher damit rechnen müssen, dass die ARGE sich auf eine Sittenwidrigkeit des Verzichts und damit auf ihre Berechtigung zur Überleitung des Pflichtteilsanspruchs berufen wird. Um dem entgegenzuwirken, müssen Sie versuchen, die ARGE davon zu überzeugen, dass Ihre Mutter den Verzicht nicht sehenden Auges zu Lasten der ARGE abgegeben hatte. Sie könnten eventuell damit argumentieren, dass Ihre Mutter mit dem kostenlosen Wohnrecht in dem Haus - welches Sie in der Tat notariell beurkunden und in das Grundbuch eintragen sollten, weil es dadurch eine gewisse Verfestigung erfährt und zudem der Wert des Hauses gemindert wird - wirtschaftlich betrachtet eine bessere Position erhält, als wenn sie ihren Pflichtteil erhalten hätte. Denn möglicherweise lebt Ihre Mutter noch viele Jahrzehnte und hat dann von dem kostenlosen Wohnrecht auf Lebenszeit mehr als von einer einmaligen Geldleistung, die irgendwann verbraucht wäre.
Sollte es Ihnen - gegebenenfalls auch in einem Gerichtsverfahren - nicht gelingen, die ARGE zu überzeugen, dann hätte dies zur Folge, dass Ihrer Mutter ALG II verweigert würde, und zwar solange, bis das Geld, was sie aufgrund des Pflichtteilsanspruchs erhielte, fiktiv verbraucht wäre (eventuell unter Berücksichtigung von Schonvermögen). Dies würde letztlich wohl dazu führen, dass Sie Ihre Mutter finanziell unterstützen müssten, da staatliche Hilfen nicht erfolgen würden. Dass das Haus an sich möglicherweise zum Schonvermögen im Sinne des SGB II zählen würde, spielt keine Rolle. Denn das Haus gehört Ihnen und nicht Ihrer Mutter, die die Hilfebedürftige ist.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen eine erste rechtliche Orientierung geben. Für den künftigen Schriftverkehr mit der ARGE möchte ich Ihnen dringend raten, einen Anwalt zu beauftragen. Es muss gut überlegt sein, was der ARGE mitgeteilt werden soll.
Mit freundlichen Grüßen
Jana Laurentius
(Rechtsanwältin)
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