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Haftet aktueller Eigentümer für Schäden am Gemeinschaftseigentum

9. Juni 2025 19:16 |
Preis: 52,00 € |

Mietrecht, Wohnungseigentum


Beantwortet von

Ich bin Wohnungseigentümer in einer WEG und habe von der Hausverwaltung einen Umlaufbeschluss zur Sanierung eines Balkons erhalten. Hintergrund ist ein Gutachten, das feststellt, dass die Bitumenabdichtung auf dem Balkon rissig und spröde ist – offenbar, weil der Fliesenbelag direkt mit Kleber ohne Schutz- bzw. Trennlage aufgebracht wurde. Dadurch kam es laut Gutachten zur Korrosion am Wandanschluss und zu Schäden an der Abdichtung.

In einer E-Mail habe ich gegenüber der Verwaltung auf die Differenzierung zwischen Balkonbelag als regelmäßig dem Sondereigentum zugeordnet und der tragenden Konstruktion und Abdichtung als Gemeinschaftseigentum hingewiesen. Ich stellte die Frage, ob der entstandene Schaden nicht durch eine nachträgliche, nicht fachgerechte Veränderung im Bereich des Sondereigentums verursacht wurde – konkret durch die Art der Verlegung des Fliesenbelags – und ob in diesem Fall nicht der betreffende Eigentümer für die dadurch entstandenen Schäden am Gemeinschaftseigentum gemäß § 14 Nr. 1 WEG haften müsse. Aus meiner Sicht wäre in einem solchen Fall grundsätzlich der Eigentümer nachweispflichtig, dass eine bauliche Maßnahme fachgerecht und genehmigt durchgeführt wurde.

Daraufhin antwortete die Verwaltung wie folgt:

"Aktuell kann nicht festgestellt werden, wer der Verursacher des Schadens sein könnte. Der aktuelle Wohnungsbesitzer hat dies bereits bei Kauf so vorgefunden.
Da nun dies nicht abschließend geklärt werden kann, werden die Kosten für die Instandsetzung von der Gemeinschaft getragen. Kosten wie z.B. ein neuer Balkonbelag usw. dann von dem entsprechenden Wohnungseigentümer."

Frage:

Muss die Eigentümergemeinschaft in einem solchen Fall die Sanierungskosten tragen, oder haftet der aktuelle Wohnungseigentümer auch dann, wenn die schadhafte Ausführung (Fliesen direkt auf Bitumen) durch einen Voreigentümer vorgenommen wurde?

Gibt es aktuelle Urteile oder klare Rechtsgrundlagen, die die Haftung des Erwerbers in einem solchen Fall bestätigen?

9. Juni 2025 | 20:56

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Nach aktueller Rechtslage haftet derjenige Wohnungseigentümer für Schäden am Gemeinschaftseigentum, von dessen Sondereigentum die Beeinträchtigung objektiv ausgeht – auch dann, wenn die ursächliche bauliche Maßnahme nicht von ihm selbst, sondern von einem Voreigentümer vorgenommen wurde. Weder die alte noch die seit dem 1. Dezember 2020 geltende neue Fassung des § 14 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) enthalten eine ausdrückliche Regelung zur Haftung des Erwerbers für solche baulichen Altmaßnahmen. Gleichwohl folgt eine Verantwortlichkeit des Erwerbers aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, insbesondere aus der sogenannten Zustandsverantwortlichkeit, die über eine analoge Anwendung von § 1004 Abs. 1 BGB (Beseitigungsanspruch bei Eigentumsbeeinträchtigungen) hergeleitet wird.

Maßgeblich ist dabei nicht, wer die bauliche Veränderung vorgenommen hat, sondern ob die konkrete Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums – etwa eine Durchfeuchtung infolge einer mangelhaften Fliesenverlegung – objektiv vom Sondereigentum des aktuellen Eigentümers ausgeht. Dafür spricht schon der Wortlaut des § 14 WEG, der nicht auf den Verursacher abstellt, sondern auf den Eigentümer. Der Erwerber tritt mit Eigentumserwerb in die Sachherrschaft über das Sondereigentum ein und haftet daher verschuldensunabhängig als sogenannter Zustandsstörer. Der Umstand, dass die Ursache für den Schaden auf eine bauliche Maßnahme des Voreigentümers zurückgeht, entlastet ihn nicht. Ihm bleibt lediglich die Möglichkeit, seinerseits Regress gegenüber dem Voreigentümer zu nehmen, sofern sich dieser haftbar gemacht hat.

Voraussetzung für eine Inanspruchnahme des Eigentümers ist jedoch, dass sich die Ursache der Beeinträchtigung hinreichend sicher feststellen lässt. Ist das – wie in Ihrem Fall – durch ein Gutachten gegeben, das eindeutig eine unsachgemäße Verfliesung ohne Trennlage auf einer Bitumenabdichtung als schadensursächlich identifiziert, liegt ein klarer Fall vor: Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist nicht verpflichtet, die Instandsetzungskosten zu tragen. Der Eigentümer, dessen Sondereigentum diese Störung verursacht, hat vielmehr für die Kosten aufzukommen, die für die Beseitigung der Beeinträchtigung am Gemeinschaftseigentum erforderlich sind.

Nur wenn sich der Zusammenhang zwischen der baulichen Maßnahme und dem Schaden nicht eindeutig klären lässt oder mehrere Ursachen denkbar sind, kann eine Beteiligung der Eigentümergemeinschaft an den Kosten gerechtfertigt sein. Die pauschale Aussage der Hausverwaltung, man könne den Verursacher nicht mehr feststellen, reicht im Lichte eines eindeutigen Gutachtens nicht aus, um die Kosten auf die Gemeinschaft umzulegen. Es ist vielmehr Aufgabe der Verwaltung, die Anspruchsgrundlagen zu prüfen und im Interesse der Gemeinschaft durchzusetzen.

Zusammenfassend gilt: Der Erwerber haftet für Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums, die objektiv von seinem Sondereigentum ausgehen – auch dann, wenn die schadensursächliche Maßnahme vom Voreigentümer stammt. Diese Haftung ergibt sich nicht aus dem WEG, sondern aus der allgemeinen zivilrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit gemäß § 1004 BGB analog. Liegt ein technisches Gutachten vor, das eine klare Ursache benennt, ist der aktuelle Eigentümer zur Tragung der Sanierungskosten verpflichtet. Eine Umlage auf die Eigentümergemeinschaft ist in diesem Fall unzulässig.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

El-Zaatari
Rechtsanwalt


Rechtsanwalt Mohamed El-Zaatari

Rückfrage vom Fragesteller 9. Juni 2025 | 23:07

Vielen Dank für Ihre ausführliche und sehr hilfreiche Antwort.

Da Sie in Ihrer Beurteilung stark auf das Vorliegen eines Gutachtens abstellen, stellt sich mir nun die Frage, welche Anforderungen erfüllt sein müssen, damit man rechtlich von einem "Gutachten" im Sinne Ihrer Argumentation sprechen kann, insbesondere im Hinblick auf die Beweisführung zur schadensursächlichen Maßnahme.

Im Umlaufbeschluss heißt es wörtlich:

"Durch den Wohnungseigentümer […] sowie die Verwaltung […] wurde eine Begutachtung durchgeführt. Dabei konnte folgendes von der Firma [...] festgestellt werden."

Dabei handelt es sich offenbar nicht um ein gerichtliches oder formell beauftragtes Sachverständigengutachten, sondern um eine technische Einschätzung im Rahmen eines Ortstermins.

Frage:
Genügt eine solche "Begutachtung" durch ein Fachunternehmen in einem Ortstermin – wie hier im Wortlaut beschrieben – bereits den Anforderungen an ein Gutachten im Sinne der von Ihnen beschriebenen Zustandsverantwortlichkeit und der daraus abgeleiteten Haftung des aktuellen Eigentümers?
Oder wären in einem möglichen Streitfall höhere Anforderungen an die Beweiskraft zu stellen (z. B. formelles Gutachten, öffentlich bestellter Sachverständiger etc.)?

Vielen Dank im Voraus für Ihre Einschätzung!

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 10. Juni 2025 | 09:59

Gerne beantworte ich Ihre Anschlussfrage im Lichte der zivilrechtlichen Beweisführung und der Maßstäbe für die Begründung einer Zustandsverantwortlichkeit.

1. Begriff des „Gutachtens" im rechtlichen Sinn
Ein „Gutachten" im rechtlichen Sinne ist kein fest definierter Begriff. Entscheidend ist nicht die formale Bezeichnung, sondern die Beweisqualität der fachlichen Feststellungen, insbesondere im Hinblick auf:
- Nachvollziehbarkeit der technischen Analyse,
- fachliche Qualifikation des Erstellers,
- Neutralität der Bewertung,
- und Reproduzierbarkeit der Erkenntnisse.

Ein Ortstermin mit schriftlicher Einschätzung eines Fachunternehmens, das etwa mit Sanierungsarbeiten befasst ist, kann eine gewisse Indizwirkung entfalten – aber im zivilprozessualen Streitfall keine volle Beweiskraft beanspruchen. Solche Stellungnahmen sind technische Einschätzungen, aber keine beweissicheren Sachverständigengutachten.

2. Unterscheidung: technische Einschätzung vs. gerichtsfester Beweis
Im Rahmen der internen Willensbildung der Eigentümergemeinschaft (z. B. Umlaufbeschluss, Kostenverteilung) kann eine fundierte Einschätzung eines Fachunternehmens durchaus ausreichen, um eine vorläufige Zurechnung zu begründen – insbesondere, wenn keine substantiierten Gegenargumente vorliegen.

Wenn es zu einem Streit über die Kostentragungspflicht eines Eigentümers kommt (z. B. Anfechtung eines Beschlusses oder Klage auf Ersatz), ist eine solche Einschätzung nicht beweiskräftig genug. In diesem Fall wäre ein privates Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen oder ein gerichtliches Beweisverfahren (§§ 402 ff. ZPO) maßgeblich.

3. Rechtsprechung zu privaten Gutachten
Die Rechtsprechung sieht private Gutachten (auch von Handwerksbetrieben oder Planungsbüros) als „Parteiervortrag mit besonderer sachlicher Substanz", aber nicht als Beweismittel im Sinne der ZPO.

Das heißt:
Im gerichtlichen Verfahren sind sie nicht mit einem gerichtlichen Sachverständigengutachten gleichwertig.
Sie können aber indiziell verwertet werden und das Gericht zur Einholung eines eigenen Gutachtens veranlassen.

4. Empfehlung in Ihrem Fall
Wenn die WEG den betreffenden Eigentümer in Regress nehmen oder eine abweichende Kostenverteilung rechtfertigen möchte, wäre es ratsam, die vorhandene technische Einschätzung zum Anlass zu nehmen, ein qualifiziertes Privatgutachten (idealerweise von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen) einzuholen.

Sofern es zu einem Streit kommt, empfiehlt es sich, das Beweismaß des § 286 ZPO zu erreichen – also eine „Überzeugung des Gerichts von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit" der Kausalität zwischen Maßnahme und Schaden. Dafür ist ein Ortsterminbericht eines Fachunternehmens in der Regel nicht ausreichend.

Fazit:
Die in Ihrem Umlaufbeschluss zitierte „Begutachtung" durch ein Fachunternehmen stellt keine Beweissicherheit im rechtlichen Sinne dar. Für die interne Bewertung innerhalb der WEG kann sie unter Umständen genügen, um einen Umlaufbeschluss zu begründen oder eine erste Zurechnung vorzunehmen. Für die haftungsrechtliche Inanspruchnahme eines Eigentümers oder eine gerichtliche Durchsetzung (z. B. im Rahmen einer Beschlussanfechtung oder Kostenerstattungsklage) wären jedoch höhere Anforderungen an die Beweisführung zu stellen. Insbesondere ist dann ein formelles Privatgutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen oder ein gerichtliches Sachverständigengutachten erforderlich.

Mit freundlichen Grüßen

El-Zaatari
Rechtsanwalt

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