Das Nachbarhaus unseres Einfamilienhauses in Hessen ist auf die Grundstücksgrenze gebaut. Vorne zum Bürgensteig stehen die Häuser, hinten haben wir den Garten und das Nachbarschaftshaus einen überdachten Carport (oder ähnliches). Die Bedachung des Carports ist aus Wellblech, das direkt an unserem Garten angegrenzt. Das war die letzten 7 Jahre kein Problem, bis unserer Nachbar auf die Idee kam, dieses schräge Carportdach als Balkon bzw. Dachterrasse zu nutzen. Wie das überhaupt aus statischen Sicht funktioniert, sei dahin gestellt. Das Problem ist nun, das der Nachbar seinen Liegestuhl auf diesem Dach hat und seine Füße beim Sonnenbaden zu unserem Grundstück ragen. Beim Ausblick aus dem Küchenfenster sieht man ihn nun sehr deutlich liegen. Beim Verlassen der Haustür, beim Gang in den Garten oder Keller sind wir nun beobachtet - im Gegensatz zu den Vorjahren. Da auch durch das freiberuflich genutzte Büro Klientenbesuche nicht zu vermeiden sind, haben wir nicht nur für uns privat ein erhebliches optisches Problem. Außerdem bedeutet es für uns eine deutliche Beeinträchtigung der Lebensqualität.
Die Frage: Ist es erlaubt, ohne Zustimmung des Nachbars die Nutzung des angegrenzenden Daches zu ändern?
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NachbarNutzung
Guten Tag,
Ich gehe davon aus, dass Sie einen Anspruch auf Unterlassung der beschriebenen Nutzung haben.
Nach den Vorschriften des Nachbarrechts müssen zum Betreten bestimmte Bauteile (Balkone u. ä.) einen Mindestabstand von 2,5 m zur Grundstücksgrenze einhalten (§ 11 Abs. 1 Hessisches Nachbarrechtsgesetz). Balkone sind von der Rechtsprechung definiert als zum Betreten bestimmte Flächen, die von den Außenseiten eines Gebäudes vorspringen; dabei spielt es keine Rolle, ob diese ohne Auflagerung vor die Gebäudeflucht kragen oder auf Stützen vor der Außenwand ruhen. Zwar ist ein Carport kein Balkon in diesem Sinne, m. E. können aber angesichts entsprechender Interessenlage die Vorschriften analog herangezogen werden. Auch ein improvisierter Balkon muss also die nachbarrechtlich gebotenen Abstandsflächen einhalten. Das gilt umso mehr im Hinblick darauf, dass das Betreten einer nicht dafür vorgesehenen Struktur eine Gefahrenquelle darstellt.
Sie können also Ihren Nachbarn auffordern, es zu unterlassen das Carport-Dach an der Grundstücksgrenze als Balkon zu nutzen.
Leistet Ihr Nachbar der Aufforderung nicht folge, kommt eine gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs in Betracht (davor ist allerdings weitere Beratung unter Inaugenscheinnahme der örtlichen Gegebenheiten anzuraten).
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Matthias Juhre.
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ra-juhre@web.de
Rückfrage vom Fragesteller9. Juli 2008 | 00:17
Vielen Dank für die úmgehende Antwort.
M. E. haben wir keinen Anspruch auf Unterlassung der beschriebenen Nutzung. Unser in 2001 erworbene Einfamilienhaus stammt aus dem Jahr ca. 1900. Und das Nachbarhaus ist nicht wesentlich jünger. Die beschriebene Nutzung war somit nur angenommen und jetzt geändert. Ergibt sich daraus eine andere Rechtslage?
Mit freundlichen Grüßen
Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt9. Juli 2008 | 02:25
Zur Ihrer Nachfrage:
Da es hier um ein störendes Verhalten geht, spielt das Alter der Gebäude eigentlich keine Rolle. Die nachbarrechtlichen Bauvorschriften sind, wie gesagt, nicht direkt, wohl aber dem Rechtsgedanken nach anwendbar. Es geht schließlich nicht um die Entfernung des Carports als solchem, sondern die Unterlassung einer bestimmten Nutzungsweise.
Ich glaube nicht, dass Ihre Bedenken im Ergebnis berechtigt sind. Der beschriebene Unterlassungsanspruch dürfte Ihnen durchaus zustehen.