Sehr geehrte Fragestellerin, sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur beitragsrechtlichen Behandlung einer Erbschaft im Rahmen der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, konkret bei der Novitas BKK. Die Satzung Ihrer Krankenkasse verweist auf die Vorschriften des SGB XI, des SGB IV und SGB V sowie auf die „Einheitlichen Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder". Damit stellt sich die Frage, ob eine erhaltene Erbschaft im Sinne dieser Regelungen als beitragspflichtige Einnahme zu berücksichtigen ist.
Gesetzliche Ausgangslage – Maßgeblichkeit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
Die Grundlage der Beitragsbemessung freiwillig Versicherter ergibt sich aus § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Dort heißt es:
„Die Beitragsbemessung erfolgt nach der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Mitglieder."
Hierzu zählt insbesondere das gesamte Einkommen aus Erwerbstätigkeit, Vermietung, Kapitalanlagen etc. Das Ziel ist eine einheitliche und leistungsgerechte Beitragsgrundlage. Auch einmalige Einnahmen können nach § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V und den dazugehörigen „Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler" berücksichtigt werden – allerdings nur, wenn sie „Einkommen" im beitragsrechtlichen Sinne darstellen.
Erbschaft ist grundsätzlich kein beitragspflichtiges Einkommen
Eine Erbschaft stellt jedoch keine einkommensteuerpflichtige Einnahme dar, sondern einen nicht steuerbaren Vermögenszuwachs. Es handelt sich dabei um eine unentgeltliche Zuwendung von Todes wegen, die – anders als z. B. Kapitalerträge oder Veräußerungsgewinne – nicht auf einer eigenen wirtschaftlichen Betätigung des Versicherten beruht. Entsprechend ist auch sozialversicherungsrechtlich keine Anknüpfung an die Beitragspflicht vorgesehen.
Das Sozialgericht Koblenz hat dies in einem viel beachteten Urteil aus dem Jahr 2006 ausdrücklich bestätigt (Urt. v. 05.10.2006, Az. S 11 KR 537/05). In dem Fall hatte die Krankenkasse versucht, eine Erbschaft von ca. 43.000 Euro als beitragspflichtiges Einkommen zu behandeln, indem sie diesen Betrag auf einen fiktiven monatlichen Zufluss umrechnete. Das Gericht lehnte dies ab: Weder die Satzung der Krankenkasse noch das Gesetz böten eine tragfähige Grundlage für die Annahme einer Beitragspflicht.
Abgrenzung zu anderen einmaligen Einnahmen
Anders ist die Situation bei Kapitalauszahlungen aus Lebensversicherungen, Abfindungen oder Veräußerungsgewinnen, bei denen § 240 SGB V – in Verbindung mit den Einheitlichen Grundsätzen – ausdrücklich eine Anrechnung als beitragspflichtige Einnahme vorsieht. Dort besteht regelmäßig ein unmittelbarer Zusammenhang zu einer wirtschaftlichen Aktivität oder zu einem früheren Arbeitsverhältnis. Eine Erbschaft hingegen fällt nicht unter diese Kategorien.
Satzungsrecht der Krankenkasse – keine weitergehende Befugnis
Auch der von Ihnen zitierte Verweis auf die "Einheitlichen Grundsätze" in der Satzung der Novitas BKK führt zu keiner anderen Beurteilung. Es fehlt im zitierten Satzungsausschnitt an einer konkreten Regelung, die die Berücksichtigung einer Erbschaft begründen würde.
Ergebnis und Handlungsempfehlung
Nach der hier dargestellten Rechtslage ist eine Erbschaft nicht als beitragspflichtiges Einkommen im Sinne der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu qualifizieren. Eine entsprechende Beitragsfestsetzung wäre unzulässig und könnte erfolgreich mit Widerspruch oder – bei Ablehnung – mit Klage vor dem Sozialgericht angegriffen werden. Falls bereits Beiträge auf Grundlage einer Erbschaft erhoben wurden, besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Rückerstattung.
Bitte beachten Sie, dass meine Ausführungen auf dem geschilderten Sachverhalts beruhen.
Ich hoffe diese Informationen helfen Ihnen weiter und stehe für Rückfragen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Hussein Madani
Rechtsanwalt
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