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Frage zur Anrechenbarkeit geldwerter Vorteile und Pfändungsfreibeträge

| 3. Juli 2025 12:36 |
Preis: 30,00 € |

Zwangsvollstreckung, Zwangsversteigerung


Beantwortet von


11:15

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe eine grundsätzliche Frage zum Pfändungsfreibetrag und zur Anrechenbarkeit eines geldwerten Vorteils aus der Privatnutzung eines Firmenwagens:

Ich bin selbstständig tätig und befinde mich in einem laufenden Zwangsvollstreckungsverfahren. Das Amtsgericht hat meinen Pfändungsfreibetrag auf 1.400 Euro festgesetzt. Ich verdiene monatlich genau 1.400 Euro netto, also exakt in Höhe des Freibetrags. Zusätzlich nutze ich ein betrieblich angemietetes Fahrzeug, das ich fast ausschließlich zur Einkommenserzielung nutze (Kundentermine, Warentransport etc.). Es wird aus Gründen der steuerlichen Vereinfachung nach der 1%-Regelung mit 300 Euro monatlich als geldwerter Vorteil versteuert, da ich es gelegentlich auch privat nutze.

Der Gläubiger ist nun der Meinung, dass diese 300 Euro vom Pfändungsfreibetrag abgezogen werden müssten, sodass mir nur 1.100 Euro tatsächlich verbleiben würden.

Meine Frage:
Ist dies rechtlich zulässig?

Nach meiner eigenen Recherche (u. a. Hinweis auf ein Urteil des LAG Hessen, Az. 9 Ta 375/07, zu dem ich leider keinen Zugriff habe) verstehe ich das so:

Ein geldwerter Vorteil kann nur insoweit angerechnet werden, wie das Nettoeinkommen über der Pfändungsgrenze liegt.

Der Pfändungsfreibetrag selbst darf nicht durch die Anrechnung eines geldwerten Vorteils unterschritten werden, da dies den Existenzschutz gemäß § 850c ZPO aushebeln würde.

Beispiel: Bei einem Einkommen von 1.800 Euro kann man die 300 Euro abziehen, bei 1.600 Euro evtl. nur anteilig. Aber bei 1.400 Euro dürfte keine Anrechnung erfolgen, da sonst der Freibetrag unterschritten würde.

Außerdem erscheint mir die Argumentation des Gläubigers fragwürdig, da der Firmenwagen für meine berufliche Tätigkeit zwingend notwendig ist und mir durch den Abzug nicht mehr real verfügbares Geld zur Verfügung steht. De facto würde ich damit auf Bürgergeldniveau gedrückt – trotz Vollzeitarbeit und betrieblicher Notwendigkeit.

Können Sie mir bestätigen, dass der Pfändungsfreibetrag nicht durch solche fiktiven Beträge unterschritten werden darf? Denn die 300 Euro sind nur ein fiktiver Betrag, quasi eine Rechengröße für die Berechnung der Lohnsteuer aufgrund er privaten Nutzungsanteils.

Falls möglich, wäre ich auch sehr dankbar, wenn Sie mir den genauen Wortlaut des o. g. Urteils zur Verfügung stellen könnten. Ich hab leider keinen Zugriff darauf. Vllt können sie auf eine Datenbank darauf zugreifen:

LAG Hessen, Az. 9 Ta 375/07


Vielen Dank im Voraus!

Mit freundlichen Grüßen

3. Juli 2025 | 13:03

Antwort

von


(96)
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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Frage betrifft die Anrechenbarkeit des geldwerten Vorteils aus der Privatnutzung eines Firmenwagens auf den Pfändungsfreibetrag im Rahmen der Zwangsvollstreckung. Sie möchten wissen, ob der Pfändungsfreibetrag nach § 850c ZPO durch die Hinzurechnung eines solchen geldwerten Vorteils unterschritten werden darf, insbesondere wenn Ihr Nettoeinkommen exakt dem Freibetrag entspricht.

1. Rechtliche Einordnung des geldwerten Vorteils

Die Überlassung eines Firmenwagens zur privaten Nutzung stellt eine sogenannte Naturalleistung bzw. einen Sachbezug dar. Nach § 850e Nr. 3 ZPO sind bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens Geld- und Naturalleistungen zusammenzurechnen. Der Wert des Sachbezugs wird in der Praxis regelmäßig nach der sogenannten 1%-Regelung (§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG) bemessen, sofern kein Fahrtenbuch geführt wird.

2. Pfändungsfreibetrag und Existenzminimum

Der Pfändungsfreibetrag nach § 850c ZPO dient dem Schutz des Existenzminimums des Schuldners. Das bedeutet, dass dem Schuldner nach Abzug aller pfändbaren Beträge mindestens der Freibetrag verbleiben muss, um seinen notwendigen Lebensunterhalt zu sichern.

Die Rechtsprechung stellt klar, dass der Pfändungsfreibetrag nicht durch die Anrechnung von Sachbezügen unterschritten werden darf. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 850c ZPO, der das Existenzminimum schützen soll. Wird das Nettoeinkommen durch die Hinzurechnung eines geldwerten Vorteils rechnerisch erhöht, darf dies nicht dazu führen, dass dem Schuldner weniger als der Freibetrag tatsächlich verbleibt.

3. Anrechnung des geldwerten Vorteils – Grenzen

Der geldwerte Vorteil aus der Privatnutzung eines Firmenwagens ist nur insoweit pfändbar, als das Gesamteinkommen (Nettoeinkommen zuzüglich Sachbezug) den Pfändungsfreibetrag übersteigt. Ist das Nettoeinkommen bereits auf Höhe des Freibetrags, kann durch die Hinzurechnung des geldwerten Vorteils keine Pfändung erfolgen, da dies den Schutz des Existenzminimums aushebeln würde.

Dies wird auch in der Rechtsprechung bestätigt. So heißt es etwa:

„Für die Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens ist der Wert der Naturalleistung (z.B. Privatnutzung eines Firmenwagens) mit dem in Geld ausgezahlten Arbeitseinkommen zusammenzurechnen. In diesem Fall ist eine Pfändbarkeit insoweit gegeben, als der dem Schuldner nach § 850c ZPO verbleibende Betrag durch den Wert der Naturalleistung gedeckt wird."
(vgl. Beschluss des Landgerichts Osnabrück vom 24. Februar 2010, Az.: 7 T 112/10; bestätigt durch BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182, 191)

Das bedeutet: Nur der Teil des geldwerten Vorteils, der über den Freibetrag hinausgeht, ist pfändbar. Der Freibetrag selbst darf nicht durch die Anrechnung des geldwerten Vorteils unterschritten werden.

4. Berufliche Notwendigkeit des Fahrzeugs

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass ein betrieblich genutztes Fahrzeug, das für die Ausübung der selbstständigen Tätigkeit erforderlich ist, grundsätzlich nicht als pfändbare Naturalleistung im Sinne einer Bereicherung des Schuldners zu werten ist, soweit es zur Einkommenserzielung dient. Die Rechtsprechung erkennt an, dass ein Fahrzeug, das für die Berufsausübung notwendig ist, unter bestimmten Umständen sogar unpfändbar sein kann (vgl. § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO).

5. Fiktiver Charakter des geldwerten Vorteils

Der geldwerte Vorteil nach der 1%-Regelung ist eine steuerliche Rechengröße und spiegelt nicht notwendigerweise einen realen Zufluss von Geld wider. Es handelt sich um eine pauschale Bewertung, die für steuerliche Zwecke herangezogen wird, aber nicht bedeutet, dass dem Schuldner tatsächlich ein entsprechender Betrag zur Verfügung steht.

6. Fazit

Der Pfändungsfreibetrag nach § 850c ZPO darf nicht durch die Anrechnung eines geldwerten Vorteils aus der Privatnutzung eines Firmenwagens unterschritten werden.
Nur der Teil des Gesamteinkommens, der den Freibetrag übersteigt, ist pfändbar. Die Argumentation des Gläubigers, Ihnen durch die Hinzurechnung des geldwerten Vorteils weniger als den Freibetrag zu belassen, ist rechtlich nicht haltbar.

Zusammengefasst:

Der Pfändungsfreibetrag schützt Ihr Existenzminimum.
Der geldwerte Vorteil ist nur insoweit pfändbar, als das Gesamteinkommen den Freibetrag übersteigt.
Bei einem Nettoeinkommen exakt in Höhe des Freibetrags ist keine Pfändung des geldwerten Vorteils zulässig.
Die berufliche Notwendigkeit des Fahrzeugs spricht zusätzlich gegen eine Pfändung.
Die 1%-Regelung ist eine steuerliche Rechengröße und kein realer Zufluss.

7. Urteil LAG Hessen, Az. 9 Ta 375/07

Leider liegt mir kein Volltext oder Auszug dieses Urteils vor. Ich kann Ihnen daher den genauen Wortlaut nicht zur Verfügung stellen.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Olaf Tank, Wirtschaftsjurist

Rückfrage vom Fragesteller 7. Juli 2025 | 11:01

Vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Sie bestätigen damit im Wesentlichen meine gesamte Argumentationslinie. Auch ich war mir nach intensiver Recherche sehr sicher, dass die Rechtslage in diesem Punkt eindeutig ist.

Umso bedauerlicher ist es, dass das Amtsgericht Düsseldorf in einem aktuellen Beschluss offenbar der Argumentation des Gläubigers gefolgt ist – und dabei meiner Ansicht nach in die Irre geführt wurde. Der Beschluss enthält folgende – aus meiner Sicht rechtsfehlerhafte – Berechnung, welche vom Gläubiger gefordert wurde:

Pfändungsfreibetrag: 1.337 Euro

Abzug gemäß 1 %-Regelung: 312 Euro (Bruttolistenpreis 31.200)

Auszahlungsbetrag an den Schuldner: 1.025 Euro

Genau diese Berechnung widerspricht jedoch – soweit ich das überblicke – sämtlicher einschlägiger Rechtsprechung sowie dem grundsätzlichen Schutzgedanken des § 850c ZPO. Es ist schon bemerkenswert, dass ich als juristischer Laie ohne anwaltliche Unterstützung in der Lage sein muss, auf solche Widersprüche hinzuweisen und einen Gerichtsbeschluss kritisch prüfen und korrigieren lassen muss. Naja. Man wächst mit den Aufgaben.

Ich hoffe sehr, dass das Gericht die Sachlage bei nochmaliger Würdigung erkennt und die Entscheidung entsprechend korrigiert. Vor allem weil der Gläubiger keinerlei Verlangen nach tatsächlicher Tilgung zeigt, sondern seit 4 Jahren ausschließlich durch abenteuerliche Rechenkonstruktionen den Pfändungsfeibetrag rdeuzieren will. Nochmals vielen Dank für Ihre Einschätzung.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 7. Juli 2025 | 11:15

Es tut mir leid zu hören, dass das Amtsgericht Düsseldorf in seinem Beschluss der Argumentation des Gläubigers gefolgt ist und den Pfändungsfreibetrag durch die Anrechnung des geldwerten Vorteils aus der Privatnutzung des Firmenwagens reduziert hat. Ihre Einschätzung, dass diese Berechnung dem Schutzgedanken des § 850c ZPO widerspricht, ist nachvollziehbar.


Der Pfändungsfreibetrag soll das Existenzminimum des Schuldners schützen, und die Anrechnung eines geldwerten Vorteils, der lediglich eine steuerliche Rechengröße darstellt und keinen realen Geldzufluss bedeutet, sollte diesen Freibetrag nicht unterschreiten. Die Rechtsprechung sieht vor, dass der geldwerte Vorteil nur insoweit pfändbar ist, als das Gesamteinkommen den Freibetrag übersteigt.


In Ihrem Fall, wo das Nettoeinkommen exakt dem Freibetrag entspricht, sollte der geldwerte Vorteil nicht zu einer Reduzierung des tatsächlich verfügbaren Einkommens führen. Es wäre ratsam, gegen den Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vorzugehen, möglicherweise durch Einlegung eines Rechtsmittels, um eine Korrektur der Entscheidung zu erwirken.


Es ist bedauerlich, dass Sie als juristischer Laie in die Lage versetzt werden, solche Widersprüche aufzuzeigen. Dennoch zeigt es, dass Sie sich gut in die Materie eingearbeitet haben und die Rechtslage korrekt einschätzen. Ich hoffe, dass das Gericht bei einer erneuten Prüfung die Sachlage erkennt und die Entscheidung entsprechend korrigiert.


Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der weiteren Vorgehensweise.

Ergänzung vom Anwalt 7. Juli 2025 | 11:31

evtl. enthält diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts noch für Sie wertvolle Hinweise:

https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/5-azr-273-22/

Bewertung des Fragestellers 7. Juli 2025 | 11:03

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