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Frage zum Patentschutz eines Werkzeuges

8. Februar 2023 10:53 |
Preis: 55,00 € |

Urheberrecht, Markenrecht, Patentrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt F Beckmann

Sehr geehrte Damen und Herren, folgender Sachverhalt:

Firma E ist Weltmarktführer im Bereich von Umformwerkzeugen zur Metallbearbeitung.

Ein Werkzeug dieser Firma besteht, vereinfacht ausgedrückt, aus 1+n Einzelteilen wobei „1" das zentrale Funktionselement / Funktionseinzelteil ist um welche „n" weitere Einzelteile angeordnet sind.


Ein Recherche beim EPA hat ergeben, dass Firma E diese Art von Werkzeugen - welche auf dem System von Funktionselement 1 basieren - schon vor rd 60 Jahren patentiert hat.

Das heißt, dass zentrale Funktionselement „1" wird seither und bis heute (Schutz des aktuellen Werkzeuges bis 2025) in nahezu immer der gleichen Form hergestellt. Die einzige Veränderung im Laufe der Zeit hat in Anzahl, Form, Anordnung etc. von „n" stattgefunden.

Weiterhin ist festzustellen, dass Firma E in regelmäßigen Abständen das Werkzeug seit den 60er Jahren neu patentiert hat. -> zB 1+8 Einzelteile, oder 1+5 Einzelteile oder 1+5 mehrmals geänderten Einzelteilen.
Jedes Werkzeug beinhaltet ,damals wie heute, aber immer das zentrale Funktionselement 1.

Beim Patent bzw. Schutzanspruch ist neben den Einzelheiten des Gesamtwerkzeuges dabei auch explizit das "zentrale Funktionselement 1" das letzte Mal im Jahr 2005 erwähnt wurden.

Frage:

1.
Ist es möglich ein eigenes Werkzeug zu vermarkten was genau dieses Funktionselement 1 beinhaltet aber mit eigens konstruierten Einzelteilen („n") auskommt?


2.
Wäre es theoretisch möglich ein genau solches Werkzeug (der zB 70er Jahre) nach zu bauen bei welchem der Patentschutz ausgelaufen ist (welches aber das heute immer noch verwendete Funktionsteil 1 beinhaltet)




Vielen Dank

Einsatz editiert am 8. Februar 2023 18:35

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen wie folgt beantworten:

Voranstellen möchte ich allerdings, dass die Prüfung Ihres Anliegens keinesfalls rechtssicher und abschließend erfolgen kann, wenn nicht die in Rede stehenden Patente und Ihre Erfindung bekannt sind.

1.
Ihre Frage 1 möchte ich Ihnen gern anhand des Patentgesetzes erläutern.

Die Vorschrift des § 9 PatG bestimmt folgendes:

Zitat:
Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. 2Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung

1. ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
2. ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten;
3. das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.


§ 14 PatG trifft Regelungen über den Schutzbereich des Patents:

Zitat:
1Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. 2Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.


Maßgeblich für die Bestimmung des Schutzbereiches des Patents und der Patentanmeldung sind also die Patentansprüche. Sie sind mithin nicht nur bloßer Ausgangspunkt, sondern die entscheidende Grundlage für die Ermittlung des Schutzumfangs. Ein erteilter Patentanspruch hat Rechtsnormcharakter. Seine Auslegung/Anwendung ist mithin Rechtsanwendung. Es ist eine Rechtsfrage, was sich aus einem Patentanspruch als geschützter Gegenstand ergibt (BGH stRspr, zB GRUR 2009, 653 Rn. 16 = Mitt. 2009, 283 – Straßenbaumaschine).

Bei europäischen Patenten ist die Fassung der Patentansprüche in der Verfahrenssprache maßgeblich, nicht die Formulierung einer etwaigen deutschen Übersetzung (Art. 70 Abs. 1 EPÜ; dazu Rogge GRUR 1993, 284). Maßgebliche Bestimmung für die Ermittlung des Schutzbereiches eines europäischen Patents ist Art. 69 EPÜ. Art. 69 Abs. 1 EPÜ gibt jedoch lediglich den Rahmen für die Schutzbereichsbestimmung eines europäischen Patents an, regelt jedoch nicht abschließend, wie der Schutzumfang zu bestimmen ist. Dies ist der Anwendung des jeweiligen nationalen Rechts überlassen.

Es kommt also darauf an, ob Ihre Erfindung den Schutzbereich des Patents verletzt. Ich empfehle Ihnen dies (unter Hinzuziehung eines Patentanwalts oder eines Rechtsanwalts für Patentrecht) gründlich zu prüfen, da Sie sich andernfalls erheblichen Ansprüchen des Patentinhaber ausgesetzt sehen können. Diese Ansprüche sind in § 139 PatG geregelt:

Zitat:
(1) 1Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. 2Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. 3Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. 4In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. 5Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.

(2) 1Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. 2Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. 3Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.

(3) 1Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. 2Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.


Die Beschreibung Ihrer Erfindung hört sich mindestens kritisch an. Nach meinem Verständnis beabsichtigen Sie ein gleichartiges Konkurrenzprodukt herzustellen, dass lediglich "eigens konstruierte Einzelteile („n")" verwendet. Darin könnte mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Patentverletzung zu sehen sein. Allerdings ist – wie oben erwähnt – keine rechtssichere Analyse möglich, ohne das Patent und die von Ihnen beschriebene Erfindung zu kennen.

2.
Ihre Frage 2 kann ich Ihnen dahingegen etwas eindeutiger beantworten.

Es ist im Patentrecht so, dass der Erfinder den Schutz dafür bekommt, dass er seine Erfindung nach Ablauf der Schutzphase der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Sie können die Erfindung des abgelaufenen Patents daher 1:1 nachbauen.

Der Patentschutz endet nämlich, wenn das Patent erlischt, z. B. durch Zeitablauf, § 16 PatG.

Allerdings dürfen Sie auch dabei NICHT noch geltende Patente verletzen. Die neueren Patente haben laut Erteilungsbehörde unter anderem die Voraussetzung der sog. technischen Erfindung erfüllt. Das ist in § 4 PatG wie folgt definiert:

Zitat:
Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.


Geschützt ist also nicht das "noch verwendete Funktionsteil 1", sondern die konkrete Zusammensetzung in Form der Erfindung.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Beckmann

Rückfrage vom Fragesteller 9. Februar 2023 | 16:34

Sehr geehrter Herr Beckmann, vielen Dank für die Antwort.



Den Sachverhalt wurde von ihnen richtig erfasst, trotzdem habe ich zu u.a. noch eine Frage





Punkt 1:



Wenn ich es richtig verstanden habe ist eine Patentanmeldung (Art und Einsatzzweck bleiben jeweils gleich) nur dann möglich, wenn es etwas grundlegend neues im Vergleich zum aktuellen Stand der Technik gibt (macht auch Sinn)?



Ja/Nein reicht



Punkt 2



Wenn ein Produkt , welches ein Patent besitzt, durch „weg lassen" oder verändern von Einzelteilen z.b. billiger herzustellen wäre könnte dies aber wieder neu Patentfähig sein und 20 Jahre Schutz genießen?

Wenn man dieser Logik folgt wäre der bzw ein Patenschutz ja nahezu auf ewig gültig. Ein findiger Inhaber würde bspw. immer nach 20 Jahren die neuesten/besten Materialien benützen und hätte somit ein haltbareres Produkt als zuvor.

Zitierten Text anzeigen

Punkt 3 (ähnlich Pkt 1/2)

Für den aktuellen Fall gilt somit :

Das verwendete Funktionsteil 1 sowie die konkrete Zusammensetzung des gesamten Werkzeuges müssen sich (im Vergleich zum alten Patent) in dem Masse ändern ,dass dies für einen Fachmann hinsichtlich Funktion und Wirkweise nicht naheliegend erkennbar ist. Nur dann wäre es neu Schutzberechtigt?



Wenn ja wäre das aktuelle Patent nicht statthaft. Es ist einem Fachmann und vmtl auch Laien sofort klar, dass das Werkzeug faktisch zum Altstand identisch ist und auch aussieht. Einzig wurden im jetzigen Stand zwei Einzelteile zu einem Bauteil zusammengefasst und es wurde etwas weg gelassen um es günstiger herzustellen. Dies Maßnahmen sehe ich eher als Optimierung. Dies sollte aber (sicher auch Auslegungssache) nicht für eine Neupatentierung ausreichen?



Vielen Dank

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 9. Februar 2023 | 16:45

Sehr geehrter Fragesteller,

haben Sie vielen Dank für Ihre Rückfragen, die ich Ihnen gern beantworte.

1.
Ja, das Schlagwort hier ist Erfindungshöhe.

2.
Grundsätzlich müssen für ein neues Patent insbes. die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1PatG erfüllt sein:

Zitat:
(1) Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.


Eine Erfindung gilt gem. § 3 Abs. 1 PatG als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

Hinsichtlich erfinderischer Tätigkeit s.o.

Ein bloßes Austauschen von Komponenten, ohne dass die obigen Voraussetzungen erfüllt sind, dürfte nicht genügen.

3.
So, wie Sie den Sachverhalt schildern, dürften die Erteilungsvoraussetzungen nicht erfüllt gewesen sein. Es besteht dann die Möglichkeit den Bestand des Patents anzugreifen (insbes. mittels einer Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht.

Ich hoffe, Ihnen weitergeholfen zu haben und würde mich über eine Bewertung Ihrerseits freuen.

Beste Grüße und viel Erfolg mit Ihrem Vorhaben!
Rechtsanwalt Beckmann

FRAGESTELLER 27. September 2025 /5,0
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