Willkommen beim Original und Testsieger.
Online seit 2004, mit über 140.000 Fragen & Antworten. 
00.000
Bewertungen
0,0/5,0
Günstige Rechtsberatung für alle.
Anwalt? Mitmachen

Erbschaftssteuerberechnung nach Verkaufspreis oder Verkehrswert eines Grundstücks?

9. Mai 2022 17:48 |
Preis: 63,00 € |

Steuerrecht


Beantwortet von

Sehr geehrte Damen und Herren,
im vorliegenden Fall ist der Erblasser im April 2021 verstorben, und bis Ende Juni 2022 dieses Jahres muss die Erbschaftssteuer-Erklärung der Erbengemeinschaft an das für die Erbschaftssteuer zuständige Finanzamt abgegeben werden. Hier wird dann ein geringer geschätzter Verkehrswert für ein Grundstück mit einem stark sanierungsbedürftigen Wohnhaus abgegeben (unter Zuhilfenahme eines Steuerberaters).

Vom Erbschaftssteuer-Finanzamt ergeht dann nach meinen Recherchen ein vorläufiger Erbschaftssteuer-Bescheid - die genaue Bewertung des Grundstücks erfolgt im Nachgang durch das örtliche Finanzamt. Aufgrund des Antragsstaus beim Finanzamt allerdings erst in 2-3 Jahren.

Wenn ab Juni 2022 das Grundstück verkauft wird, der Todestag des Erblassers liegt dann bereits ein Jahr zurück, und sowohl der erzielte Verkaufspreis höher ist als der ursprünglich von uns angegebene Verkehrswert und als auch der vom Heimat-Finanzamt in 2 Jahren ermittelte Verkehrswert, erfolgt dann die finale Erbschaftssteuer-Berechnung nach dem tatsächlichen Verkaufspreis des Grundstücks vom zweiten Halbjahr 2022? Oder bleibt der vom Finanzamt bestätigte Verkehrswert in jedem Fall die Basis der Erbschaftssteuer-Berechnung?

Würde ein jetzt in Auftrag gegebenes Verkehrswert-Gutachten für das Grundstück durch einen zertifizierten Sachverständigen als Basis für die finale Erbschaftssteuer-Berechnung durch das Finanzamt in 2 - 3 Jahren anerkannt werden, selbst wenn der in der Zwischenzeit erzielte Verkaufspreis im 2 Halbjahr 2022 höher wäre? Aufgrund des starken Sanierungsbedarfs des Hauses gehen wir von einer geringeren Bewertung durch den Gutachter als vom Finanzamt aus.


Vielen Dank für Ihre Bewertung!

9. Mai 2022 | 20:38

Antwort

von


(849)
Alte Schmelze 16
65201 Wiesbaden
Tel: 0611-13753371
Web: https://deutschland-schulden.de
E-Mail:

Sehr geehrte/r Fragesteller/in,

voraussichtlich wird der Wert der Immobilie im Rahmen des Sachwertverfahrens ermittelt, da es sich wohl um ein einzelnes, nicht vermietetes und nicht ohne weiteres vergleichbares Objekt handelt, siehe § 76 Absatz 3 Bewertungsgesetz.

Zitat:

§ 76 Bewertung
(1) Der Wert des Grundstücks ist vorbehaltlich des Absatzes 3 im Wege des Ertragswertverfahrens (§§ 78 bis 82) zu ermitteln für
1. Mietwohngrundstücke,
2. Geschäftsgrundstücke,
3. gemischtgenutzte Grundstücke,
4. Einfamilienhäuser,
5. Zweifamilienhäuser.
(2) Für die sonstigen bebauten Grundstücke ist der Wert im Wege des Sachwertverfahrens (§§ 83 bis 90) zu ermitteln.
(3) Das Sachwertverfahren ist abweichend von Absatz 1 anzuwenden
1. bei Einfamilienhäusern und Zweifamilienhäusern, die sich durch besondere Gestaltung oder Ausstattung wesentlich von den nach Absatz 1 zu bewertenden Einfamilienhäusern und Zweifamilienhäusern unterscheiden;

2. bei solchen Gruppen von Geschäftsgrundstücken und in solchen Einzelfällen bebauter Grundstücke der in § 75 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Grundstücksarten, für die weder eine Jahresrohmiete ermittelt noch die übliche Miete nach § 79 Abs. 2 geschätzt werden kann;
3. bei Grundstücken mit Behelfsbauten und bei Grundstücken mit Gebäuden in einer Bauart oder Bauausführung, für die ein Vervielfältiger (§ 80) in den Anlagen 3 bis 8 nicht bestimmt ist.


Im Sachwertverfahren wird zunächst der Bodenwert ermittelt nach den Vorgaben der Gemeinde und dann der Gebäudewert addiert. Im letzten Schritt können Zu- und Abschläge vorgenommen werden, eine ganz konkrete Handhabung gibt es nicht, es können auch Vergleich zu den Nachbarimmobilien gezogen werde und dann Zu- und Abschläge vorgenommen werden.

Das Ergebnis dieser Feststellung ist dann aber im Grunde bindend, zumindest nach oben hin.

Wenn Sie nicht mit der Einschätzung einverstanden sind können Sie auch immer noch unabhängig von der letztlich angewandten Methode gegen den Wertansatz Einspruch erheben werden. Dann wird der Wert durch einen Gutachter ermittelt. In der Regel wird die Schätzung des Finanzamtes aber eher unter dem tatsächlichen Wert liegen, es sei denn das Gebäude bzw. die Wohnung ist so baufällig/sanierungsbedürftig, dass es hier tatsächlich erhebliche Abweichungen gibt und diese nicht vom Finanzamt berücksichtigt wurden.

Empfehlenswert ist es daher eigentlich erstmal abzuwarten, zu welchem Ergebnis das Finanzamt kommt. Wenn dieser Wert mit Ihren Vorstellungen übereinstimmt, können Sie sich die Kosten einsparen. Wenn Sie natürlich sehr hohe Differenzen befürchten können Sie schon jetzt einen Gutachter beauftragen. Dabei sollten Sie aber immer berücksichtigen, ob die Gutachterkosten im Verhältnis zu einer möglichen Ersparnis bei der Erbschaftssteuer stehen. Erst bei Differenzen von 25.000 € dürfte sich hier der Aufwand lohnen. Dabei müsste das Gutachten dann auch jetzt erstellt oder zumindest mit einer Dokumentation begonnen werden, bevor der Käufer mit Baumaßnahmen beginnt. Eventuell macht es Sinn einen Gutachter zunächst nur mit der Dokumentation (Anfertigen von Bildern usw...) zu beauftragen, die Erstellung des Gutachten selbst aber erstmal zurückzustellen. In diesem Fall hätten Sie dann nur einen Teil des Geldes umsonst ausgegeben, wenn die Schätzung des Finanzamtes für Sie annehmbar ist.

Die Bewertung mit dem Verkaufswert ist auch möglich, hier ist aber nach § 198 Bewertungsgesetz ausdrücklich vorgesehen, dass nur der niedrigere Verkaufswert durch den Steuerpflichtigen als Nachweis genutzt werden kann.

Zitat:
§ 198 Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts
(1) Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 ermittelte Wert, so ist dieser Wert anzusetzen. Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gelten grundsätzlich die auf Grund des § 199 Abs. 1 des Baugesetzbuchs erlassenen Vorschriften.
(2) Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann regelmäßig ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs oder von Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sind, dienen.
(3) Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommener Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück dienen, wenn die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen am Bewertungsstichtag unverändert sind.


Wenn Sie also einen höheren Verkaufspreis erzielen darf dieser nicht im Rahmen der Bewertung herangezogen werden.

Zusammenfassend sollten Sie also zunächst überlegen wie hoch die Differenz zwischen Wert des Finanzamtes und Gutachterwert ausfallen kann. Wenn diese über +/- 25.000 € liegt kann sich ein Gutachten lohnen. Der (höhere) Verkaufspreis bleibt aber unbeachtlich.

Ich hoffe Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben und wünschen Ihnen noch einen schönen Abend.

Mit freundlichen Grüßen,
RA Fabian Fricke


ANTWORT VON

(849)

Alte Schmelze 16
65201 Wiesbaden
Tel: 0611-13753371
Web: https://deutschland-schulden.de
E-Mail:
RECHTSGEBIETE
Insolvenzrecht, Sozialrecht, Steuerrecht, Erbrecht, Immobilienrecht
Durchschnittliche Anwaltsbewertungen:
4,8 von 5 Sternen
(basierend auf 118797 Bewertungen)
Aktuelle Bewertungen
4,8/5,0
Die Antwort wirkte umfassend und war leicht verständlich. ...
FRAGESTELLER
5,0/5,0
TipTop Antwort mit entsprechender Vorgehensweise, vielen Dank, gerne wieder ...
FRAGESTELLER
5,0/5,0
RA Ahmadi antwortet sehr schnell und sehr ausführlich. Seine Erklärungen sind sehr verständlich. Gerne wieder! ...
FRAGESTELLER