Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
vielen Dank für Ihre Anfrage, diese möchte ich im hiesigen Format (www.frag-einen-anwalt.de) wie folgt beantworten:
Ihre Frage betrifft öffentliche Baurecht in Sachsen (Leipzig), die Amtshaftung und ggf. das Kaufrecht (Immobilienkauf, Hauskauf, Gewerbegebiet; Rechtsmangel). Es geht um Fragen der baulichen Nutzung des Grundstücks bzw. einer ggf. seit 2005 (angeblich) ungenutzten Immobilie.
Zunächst einmal gleich vorab der Hinweis, dass ich eine weitere Rechtsberatung dringend für geboten ansehe. Es stehen erhebliche Interessen auf dem Spiel, die erst nach weiteren Informationen und z.B. einem intensiven Aktenstudium usw. juristisch bewertet werden können. Die Vorschriften sind umfangreich und über mehrere Rechtsgebiete verstreut und verzahnt/verwoben.
Im hiesigen Rahmen ist zunächst festzuhalten, dass sich der Kauf einer Immobilie fast immer als Kauf nicht nur des Grundstücks und des zugehörigen Gebäudes usw. (§ 96 BGB
) darstellt, sondern eben auch als Rechtsnachfolge in bestehende Rechte (z.B. öffentliche Lasten, Grunddienstbarkeiten, Baulasten). Hier stellt sich konkret die Frage, wie Sie heute die Immobilie baulich nutzen dürfen, und damit die Frage ob die dazu erforderlichen Genehmigungen (teilweise) vorlagen, (teilweise) vorliegen oder (teilweise) eingeholt werden können.
Es stellt sich die Frage der sogenannten Gesetzeskonkurrenz, weil ggf. mehrere Gesetze und Gesetzesfassungen, teils vor Inkrafttreten der heute gültigen Normen, helfen könnten. Einfache Sachbearbeiter in den Bauämtern wenden oftmals fälschlicherweise die (aktuellen) Vorschriften an, die sie zu kennen glauben. Die Immobilie wurde wohl vor Inkrafttreten des Baugesetzbuches (BauGB) und der Baunutzungsverordnung (BauNVO), sowie des Bebauungsplans (BPlan) gebaut, genehmigt und genutzt. Es stellt sich sogar die Frage ob unter historischen Rechtsordnungen (z.B. solche der DDR) ein Bestandsschutz entstanden ist und fortbesteht z.B. weil die Genehmigungen nicht widerrufen wurden. Einen Eindruck um welche Fragen es hier geht vermittelt ein Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (zum Az.: 1 B 584/09
mit weiteren Hinweisen).
Nach § 54 Sächsische Bauordnung gilt der Grundsatz: "Bei der Errichtung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung, Nutzungsänderung oder dem Abbruch einer baulichen Anlage sowie anderer Anlagen und Einrichtungen, an die in diesem Gesetz oder in Vorschriften aufgrund dieses Gesetzes Anforderungen gestellt werden, sind der Bauherr und im Rahmen ihres Wirkungskreises die anderen am Bau Beteiligten dafür verantwortlich, daß die öffentlich rechtlichen Vorschriften eingehalten werden." Die Vorschriften sind eben die des öffentlichen Baurechts, also die Vorschriften zu Art und Maß der baulichen Nutzung im Bebauungsplan, der Baunutzungsverordnung (BauNVO) und dem Baugesetzbuch (BauGB).
Es müsste z.B. ergründet werden, wo die zuständige Bauaufsicht das eigentliche Problem sieht bzw. sehen kann (unter Hinweis auf die Vorschriften der §§ 6 ff der BauNVO
). Wie fast immer müsste auch geprüft werden, ob eine Bau- bzw. Nutzungserlaubnis über §§ 31
,33 bis 35 BauGB
z.B. als Erleichterung, Ausnahme oder Befreiung eingeholt werden muss bzw. kann (Gleichbehandlungsgrundsatz, Rechtsbindung der Verwaltung).
Ansonsten gibt auch der Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zum Aktenzeichen 1 A 68/11
einen Eindruck der aufgeworfenen Rechtsfragen zum Bestandsschutz bei einer Nutzungsunterbrechung bzw. Nutzungsaufgabe.
Eher als Amtshaftungsansprüche gegen die Behörden wäre m.E. zu Prüfen, ob Ihr Rechtsvorgänger ggf. belangt werden kann (wegen eines Rechtsmangels der Kaufsache). Auch hier aber der Hinweis, dass die Sach-, Akten- und Rechtslage eingehend anhand der Interessenlagen geprüft werden sollte. Das Problem ist, dass gegenüber den Behörden Gesichtspunkte der Verjährung, der Verwirkung und auch "Zusagen" nur eingeschränkt gelten. Es sind hier vielleicht Gesichtspunkte des allgemeinen Verwaltungsrechts (Verwaltungsverfahrensgesetz) die helfen einen außergerichtlichen Kompromis zu erzielen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben. Gerne weise ich Sie darauf hin, dass Sie die kostenlose Nachfragefunktion nutzen können.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Lautenschläger
Rechtsanwalt
Diese Antwort ist vom 03.11.2014 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Guten Tag,
vielen Dank für die umfassende Antwort. Wie gesagt, es spricht alles für Bestandsschutz. Auch die Arbeiten sind weit weniger umfangreich, als bei einer "normalen" Sanierung. Es gibt keine gravierenden Eingriffe in die Statik, das Haus bleibt in seiner Beschaffenheit bestehen, die Kosten der Sanierung liegen weit unter Neubau und beide Voreigentümer haben erklärt, dass Sie nie eine Nutzungsänderung oder -aufgabe im Sinn hatten. Das Haus ist vollkommen intakt und wurde in den 90ern komplett saniert. Die letzte große Investition ist von 2005. Allerdings steht das Haus auch seit Ende 2005 leer. Mein Antrag ist von 08/2012.
Es gibt also ausschließlich den langen Leerstand, was aber aufgrund der Vermietungssituation in Leipzig eher der Normalfall, als die Ausnahme darstellt.
Kann das Bauamt hieraus einen Entfall des Bestandsschutzes konstruieren und/oder gibt es Urteile, die hier eine Stellung beziehen?
mfG
Sehr geehrte(r) Fragensteller(in),
Es geht um die Frage ob eine Baugenehmigung bzw. Bauerlaubnis bzw. eine Nutzungserlaubnis aufgrundeiner "Nutzungsaufgabe" oder aufgrund der Nichtnutzung erloschen ist bzw. erloschen sein kann (§ 73 BauO, § 80 BauO). Es gibt auch genehmigungsfreie bauliche Nutzungen/Umnutzungen.
M.E. reicht nicht aus, dass die Immobilie unbewohnt war, weil damit der Eigentümer der die Immobilie ggf. sonstwie (als Wertanlage) nutzt, seine genehmigte Nutzung nicht unbedingt aufgeben muss.
Nach meiner Erfahrung steckt bei derartigem Gebahren der Bauämter oftmals etwas anderes dahinter. Statt sich mit den Fragen der Abstandsregelungen in der Sache befassen zu wollen/zu müssen wird nicht selten sachfremd mit irgendetwas gedroht.
Nicht selten erkennt man bei eingehendem Aktenstudium z.B. der Bauakte, des Bebauungsplans und beim Heranziehen von vergleichbaren Bauvorhaben, dass die Behörden selbst z.B. Form- und Verfahrensfehler zu verantworten haben.
Ich denke wenn man selbst nicht weiterkommt, sollte man sich eben Rechtsrat gönnen. In den seltesten Fällen trifft ein Urteil ("Rechterrecht") einen Fall so genau, dass eine (rechtsunkundiger) Bauamtsmitarbeiter die Problematik seiner Bauakten erkennt.
Also Rechtsbehauptungen konstruieren können viele Leute - es gilt aber ggf. gegenäufige rechtliche Interessen durchzusetzen.
MfG