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Brandschaden und grobe Fahrlässigkeit

6. März 2020 17:21 |
Preis: 55,00 € |

Schadensersatz


Beantwortet von

Auf einem quadratischen Holz/Glastisch stand mittig ein Kunststoffadventskranz und versetzt davon ein Teelicht in Kristallglas. Diese wurden entzündet. Das Teelicht in Alluminiumschale war schon mehr sls zur Hälfte abgebrannt beim Entzünden. Nach einiger Zeit wurde vor dem Verlassen der Wohnung aus ca 1 Meter Entfernung auf Teelicht und Kranz geschaut. Es wurde kein LICHT wahrgenommen. Deshalb nahm ich an das Licht bzw. die Kerze sei von allein erloschen. Die Wohnung wurde verlassen. Bei der Rückkehr am Abend war die ganze Wohnung verrusst, da viele Kunststoffdecken, 1 Kugelschreiber und eine Fernbedienung mit Batterien verbrannten. Der Versicherung wurde das so mitgeteilt. Sie unterstellt aber einfach grobe Fahrlässigkeit und kürzt die Schadenssumme um 50%. Ist das Verhalten so grob Fahrlässig? Mehr als schauen geht doch nicht ? Die Versicherung meint Schauen reicht nicht. Obwohl ich vom Erloschensein ausging und keine Veranlassung hatte meint sie ich hätte sie auspusten müssen. Allerdings teilte ich der Versicherung mit, dass das Feuer m.E. nur entstanden sein könnte durch ein Selbstentzünden durch die heisse Teelichtalluminiumfassung oder dadurch dass ggfs ein minimal kleines noch brennendes Licht übersehen wurde beim Verlassen der Wohnung. Die Versicherung verdreht mir daraus die Worte und behauptet ich hätte gesagt, dass ich die Kerze brennen gelassen habe.

Ist die Kürzung um 50% in der HauratVers. ok? Gibt es aktuelle Vergleichsurteile?

8. März 2020 | 02:15

Antwort

von


(517)
Harmsstraße 83
24114 Kiel
Tel: 0431 88 70 49 75
Web: https://www.frag-einen-anwalt.de/anwalt/Rechtsanwalt-Sascha-Lembcke-__l104631.html
E-Mail:

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen wie folgt beantworten:

Problematisch ist vorliegend die Thematik der Außerachtlassung der im Verkehr gebotenen Sorgfalt.

Hat man die Kerzen aus den Augen gelassen, oder sogar das Haus/die Wohnung verlassen, ohne diese zu löschen, handelt es sich im Regelfall um ein fahrlässiges Handeln.

Sprich man muss sich schon direkt davon überzeugen, ob die Kerze aus ist.

Die bloße Vermutung die Kerze sei erloschen, reicht daher i.d.R. nicht aus.

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was in jedem Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muss es sich um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt. Wer sich in Bezug auf das versicherte Interesse völlig sorglos oder sogar unlauter verhält, soll keine unverdiente Vergünstigung durch Entschädigung erhalten.

I.d.R. wird man seinem Versicherungsschutz verlustig, sodass hier eine Quote von 50% für die Übernahme der Versicherung noch recht positiv klingt.

Im Zweifelsfall liefe es auf eine schwierige gerichtliche Verhandlung hinaus. Für welche ich die Chancen recht dürftig betrachte.

Grobe Fahrlässigkeit führt sogar regelmäßig zu einem Haftungsausschluss.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Sascha Lembcke

Rückfrage vom Fragesteller 9. März 2020 | 11:21

Können Sie diese Rechtseinschätzung mit 2 konkreten aktuellen Urteilen zu Vergleichsfällen unterlegen. Grundsätzlich: eine klare Antwort, allerdings so nicht nachvollziehbar ohne Begründung und Abstufung. So wäre es sicher grob fahrlässig brennende Kerzen " zu vergessen" ohne danach zu schauen und sich so das Erlöschen zu prüfen. Wenn trotz Schauens kein Licht erkennbar war und es dennoch zum Schäden kam, kann es m.E. nicht zu einem Vollausschluss kommen. Bitte belegen Sie Ihre Meinung durch Urteile bzw. holen Sie konkret und systematisch nachvollziehbar Kriterien der Abstufung von grober Fahrlässigkeit in diesem Kontext nach.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 9. März 2020 | 12:24

Ihre Nachfrage möchte ich gerne beantworten.

Vorab sei aber der Hinweis erlaubt, dass es im Zweifel nicht genau das passende Urteil gibt, da es sich immer nur um Einzelfälle handelt. Gleichwohl dennoch versuche ich die rechtlichen Aspekte dazu hervorzustellen.

Eine Versicherung ist bei Vorliegen einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls von ihrer Leistungspflicht gemäß § 61 VVG (neu: § 81 Abs. 2 VVG ) befreit (Landgericht Aachen Az: 9 O 212/08 ), wenn brennende Kerzen außer Acht gelassen werden, hier ging es um ein Einschlafen der Aufsichtsperson.

Der BGH, Urteil vom 02.04.1986 Az: IVa ZR 187/84 , verneinte dagegen eine grobe Fahrlässigkeit wegen Einschlafens in einem anderen Sachverhalt, denn grobe Fahrlässigkeit setze jedoch weiterhin voraus, dass die gebotene Sorgfalt in besonders hohem Maße außer Acht gelassen werde. Brennende Kerzen wären so lange nicht sich selbst überlassen wie eine erwachsene Person in wachem Zustand sich im gleichen Raum aufhalte. Der Kläger habe die sachgemäß in einem Kerzenständer aufgestellten Kerzen nicht alleine im Raum gelassen und auch nicht beabsichtigt, sich zum Schlafen zu begeben (er ist dennoch eingeschlafen). Das Verhalten des Mannes lasse sich zwar nicht als Verhalten eines überlegt und sorgsam vorgehenden Mannes werten, stelle jedoch auch kein ungewöhnlich nachlässiges Verhalten dar. Ein besonders hohes Maß an Leichtsinn könne jedenfalls nicht unterstellt werden. Das Verhalten stelle keinen objektiv schweren Sorgfaltsverstoß dar, so dass ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Versicherung nicht versagt werden könne.

Zwar betrifft, dass Vorliegend nicht ganz Ihren Sachverhalt, da es nicht um das Einschlafen geht, jedoch haben Sie mit Blick auf die Entscheidung des BGH, "den Raum verlassen", sodass dann selbst der BGH zu einer groben Fahrlässigkeit bzw. zu einem leichtsinnigen Verhalten kommen würde.

Bei grober Fahrlässigkeit würde damit der Versicherungschutz (nach alter Rechtslage) vollständig entfallen oder wenn (nach neuer Rechtslage) besonders gravierende Umstände hinzukämen. Dies ist offensichtlich hier nicht der Fall.

Hier hat Ihre Versicherung daher nur eine abgestufte grobe Fahrlässigkeit zu "Ihren Gunsten" angenommen, denn immerhin ist diese trotz Möglichkeit des Verweises auf den Haftungsausschluss bei absoluter grober Fahrlässigkeit bereit, immerhin noch die Hälfte des Schadens zu übernehmen.

Ergo es gelten die Grundsätze, dass

1. eine brennende Kerze niemals unbeaufsichtigt gelassen werden darf,
2. man sich vor Verlassen des Raumes vom vollständigen Erlöschen der Kerzen überzeugt haben muss,

ansonsten droht die Annahme einer groben Fahrlässigkeit, die zu einem Haftungsausschluss der Hausratsversicherung führen kann.

Vorliegend haben Sie zwar die Kerze an sich (theoretisch) nicht unbeaufsichtigt gelassen, denn Sie gingen bei Verlassen der Räume davon aus, diese sei erloschen, obwohl dies (tatsächlich) nicht der Fall war (leicht fahrlässiges Handeln). Gleichwohl dessen haben Sie sich aber zumindest vom Erlöschen der Kerze nicht überzeugt, sondern dies lediglich angenommen, sodass man damit unterstellen könnte, dass Sie die im Verkehr gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen haben (grob fahrlässiges Handeln).

Ob nur fahrlässig oder grob fahrlässig müsste im Zweifelsfall dann geklärt werden, wenn wie vorliegend die Brandursache nicht zweifelsfrei feststeht, sofern die Kerze/Teelicht ordnungsgemäß in einer Halterung aufgestellt war.

Stand das Teelicht ohne entsprechende Halterung direkt auf der sich entzündeten Decke, käme nämlich ein weiteres haftungsausschließendes grob fahrlässiges Verhalten hinzu, so der BGH. Sofern eine ordnungsgemäße Halterung (Glas) vorhanden war, muss man wieder auf die Prüfpflicht verweisen.

Daher dreht sich die Fahrlässigkeitsbetrachtung allein um die Frage, ist es jemanden zuzumuten vor Verlassen der Räume sich vom Erlöschen der Kerze ausdrücklich zu überzeugen, sprich auch zu prüfen ob die Kerze nach dem z.B. Auspusten restlos ausgeglimmt hat und sich daher nicht wieder erneut entzünden kann.

Diese Frage wird man grundsätzlich mit JA beantworten müssen, ob der Gefahr die von unbeaufsichtigten "brennenden Kerzen" in Wohnräumen ausgehen, sodass ich im Endeffekt zu einer teilweisen groben Fahrlässigkeit komme. Dies mag zwar im Ergebnis nicht so schwer wiegen, da Sie zumindest davon ausgingen, dass diese Erloschen und ein Brennen bzw. Licht nicht mehr erkannt worden ist. Gleichwohl dennoch kann dies abgestuft einen teilweisen Haftungsausschluss nach sich ziehen.

Wer eine Kerze nicht sorgfältig genug löscht, handelt zudem nach dem LG Berlin, Urteil vom 22.09.2015, Az. 63 S 39/15 , zumindest immer fahrlässig. Denn es sei allgemein bekannt, dass durch einen Funkenflug oder einen glimmenden Docht Feuer ausgelöst werden kann.

Nach § 82 Abs. 3 S. 2 VVG gilt:

"Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer."

Des Weiteren ist zu beachten:

Im alten VVG gab es Fälle, in denen grobe Fahrlässigkeit zur Leistungsfreiheit führte, aber bei leichter Fahrlässigkeit vollständiger Versicherungsschutz bestehen blieb. Prototyp dafür war die Herbeiführung des Versicherungsfalles, aber auch die Verletzung vereinbarter Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall, der Rettungspflicht. Das hatte die Folge, es wurde bei leichter Fahrlässigkeit voller Versicherungsschutz gewährt, bei grober Fahrlässigkeit gab es hingegen keinen Versicherungsschutz.

Die heutige Regelung (Nach VVG Reform) ist dadurch gekennzeichnet, dass nach dem neuen VVG leichte Fahrlässigkeit nicht mehr sofort zur Leistungspflicht führt. Hingegen ist bei grober Fahrlässigkeit nicht mehr Leistungsfreiheit in vollem Umfang vorgesehen, sondern der Versicherer ist zur Kürzung nach der Schwere der Schuld berechtigt. Anwendungsbereiche dieser Kürzungsbefugnis sind die Gefahrerhöhung, die Verletzung von Obliegenheiten sowie die Herbeiführung des Versicherungsfalls. Es findet daher eine abgestufte Differenzierung statt.

Demzufolgen findet eine Quotelung zwischen der differenzierten abwägenden Betrachtung von leicht bis grob fahrlässigem Handeln statt.

Die Quote von 50 % bei einem ungeklärten Brand ließe sich daher sehr gut vertreten.

Ansonsten bliebe Ihnen dann nur noch der gerichtliche Weg. Hier müssten Sie dann aber im Gericht darlegen, dass ein fahrlässiges Verhalten entweder insgesamt ausgeschlossen ist, oder aber zumindest derart geringe Schuld besteht, dass eine Herabsetzung der Qoute zu Lasten des Versicherers stattfindet. Die Beweislage wäre aber recht schwierig,

Ich hoffe, dass ich Ihre Nachfrage zu den grundsätzen der Fahrlässigkeit beantworten konnte und verbleibe mit freundlichen Grüßen

RA Sascha Lembcke

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