Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Die maßgebliche Definition des Leitenden Angestellten findet sich in § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG
. Hiernach ist leitender Angestellter, wer
1.zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder
2.Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder
3.regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere auf Grund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein.
Nach dem Gesetzeswortlaut muss sich die Wahrnehmung dieser Aufgaben sowohl aus dem Arbeitsvertrag als auch aus der Stellung dieses Arbeitnehmers ergeben. Allerdings sind an den Arbeitsvertrag keine hohen Anforderungen zu stellen. Eine Bezeichnung als leitender Angestellter ist nicht erforderlich. Weiter muss sich die Wahrnehmung der oben genannten Aufgaben nicht zwingend aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag ergeben, es reicht das Vorliegen mündlicher Abreden oder konkludente Handlungen. (vgl. BAG, Urteil vom 23.03.1976, Az. 1 AZR 314/75
)
Um als leitender Angesteller zu gelten genügt bereits die Verwirklichung eines der genannten Merkmale des § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG
.
Nach Ihren Schilderungen ist in der Tat von einer Stellung als leitender Angestellter auszugehen. Wichtig ist hierbei jedoch stets, dass sich die Befugnisse nicht nur nach außen richten („er tut es") sondern auch entsprechend intern gelten („er darf es").
Nach § 24 Nr. 4 BetrVG
erlischt die Mitgliedschaft im Betriebsrat mit dem Verlust der Wählbarkeit. Da ein leitender Angestellter nicht in den persönlichen Anwendungsbereich des BetrVG fällt, verliert er damit in diesem Moment die Wählbarkeit. (vgl. Fitting BetrVG 27. Auflage 2014 § 24 BetrVG
Rn. 33) Ein besonderes Verfahren gibt es hier nicht, da nach Gesetz die Amtszeit automatisch erlöscht. Besteht Streit darüber, ob die Mitgliedschaft im Betriebsrat erloschen ist, entscheidet hierüber das Arbeitsrericht im Beschlussverfahren.
Nach § 13 Abs. 2 Ziffer 2 BetrVG
kann der Betriebsrat neu gewählt werden, wenn die Zahl der Betriebsratsmitglieder (einschließlich nachgerückter Ersatzmitglieder) unter die vorgeschriebene Zahl gefallen ist) sowie nach Ziffer 6 BetrVG wenn kein Betriebsrat existiert.
Solange – auch nach Ausscheiden des Leitenden Angestellten – noch ein Betriebsrat existiert, so hat dieser nach §16 Abs. 1 BetrVG
einen Wahlvorstand zu bestellen. Dies hat in diesem Fall unverzüglich zu erfolgen. (vgl. Besgen in Beck’scher Onnline-Kommentar ArbR 38. Edition § 16 BetrVG
Rn. 14 mwN)
Erfolgt dies nicht, kann ein Wahlvorstand vom Arbeitsgericht bestellt werden. Dazu bedarf es des Antrags von drei wahlberechtigten Arbeitnehmern oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft, § 16 Abs. 2 BetrVG
. Wann konkret dieser Antrag gestellt werden kann, ist indes nicht endgültig geklärt, da dem bestehenden (Rest-)Betriebsrat die Möglichkeit verbleiben muss, selbst einen Wahlvorstand zu suchen und zu bestellen. Die wohl überwiegende rechtswissenschaftliche Literatur nimmt an, dass der Antrag frühestens zwei Wochen nach dem Tag gestellt werden kann, an dem der Betriebsrat den Wahlvorstand hätte bestimmen müssen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Johannes Kromer
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Rechtsanwalt Johannes Kromer
Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort.
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Es wäre schön, wenn Sie mir bitte noch eine Frage beantworten könnten: Da der aktuelle Betriebsrat nicht an einer Neuwahl intessiert sein wird, wird er mir auch nicht ohne Weiteres mitteilen, ob noch Ersatzmitglieder die für den Leitenden Angestellten nachrücken könnten vorhanden sind. Ich kenne auch nicht das Ergebnis der letzten Betriebsratswahl, da ich seinerzeit noch nicht im Unternehmen beschäftigt war. Wie kann ich herausfinden, ob noch Ersatzmitglieder, die nachrücken könnten, vorhanden sind?
Das ist schwierig. Das Gesetz sieht in der Wahlordnung nur die zweiwöchige Veröffentlichung des Wahlergebnisses vor. Die Wahlakten befinden sich beim Betriebsrat. Weiter haben auch der Arbeitgeber sowie die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften üblicherweise Kenntnis dieser Informationen. Üblicherweise sollte der Arbeitgeber nicht daran interessiert sein, dass die Situation eskaliert.
Ob noch Ersatzmitglieder existieren, erfahren Sie jedoch faktisch dadurch, ob ein Ersatzmitglied in den Betriebsrat nachrückt. Auch auf einer – nach § 43 Abs. 1 zumindest vierteljährlich stattfindenden - Betriebsversammlung kann diese Frage meines Erachtens gestellt werden.
Ein Ansatzpunkt könnte auch die Nachfrage bei einem etwaig bestehenden Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat darstellen.