Sehr geehrter Fragesteller,
aufgrund Ihrer Schilderungen beantworte ich Ihre Frage in einer ersten rechtlichen Einschätzung wie folgt:
Die sog. Neben- oder Doppelversicherung ist in §§ 58
, 59 VVG
a.F. // §§ 77
, 78 VVG
n.F. geregelt. Auf eine solche haben Sie hinzuweisen; wenn Sie dies nicht tun, laufen Sie schlimmstenfalls Gefahr, den Schutz beider Versicherungen zu verlieren, ohne etwaige Prämien zurückerstattet zu bekommen. Die grundsätzlichen Folgen einer Doppelversicherung ergeben sich aus § 59 VVG
a.F. // § 78 VVG
n.F. bzw. vertraglichen Subsidiaritätsregeln. Sehen Sie diesbezüglich in Ihre Verträge. Grob gesagt müssen Sie damit rechnen, dass Sie die versicherte Leistung insgesamt nur einmal erhalten.
Da Sie der benannten Mitteilungspflicht unterliegen, wird die Versicherung bereits darüber von der anderen Kenntnis erlangen. Eine Kenntnis kann aber auch nicht bei einem absichtlichen Verschweigen ausgeschlossen werden, wobei ich Sie z.B. nur darauf hinweisen kann, dass Versicherungen verschmelzen können.
Hinsichtlich der zweiten Frage sollten Sie davon ausgehen, dass Krankheiten und Beschwerden im Leistungsfall einen sehr langen Zeitraum zurückverfolgt werden können. Dieser Zeitraum beträgt in jedem Fall mehr als ein Jahr. Dabei dienen nicht nur die Krankenkassen als Auskunftsgeber, sondern auch sämtliche Ärzte. Insbesondere sind Sie selbst im Leistungsfall durch die jeweiligen vertraglichen Bedingungsregeln, wie auch aus dem Gesetz, zur Auskunft- und Mitwirkung verpflichtet. Die nicht angegebenen Behandlungen, Krankheiten und Beschwerden ergeben sich sodann aus dem Zusammenspiel der jeweils angeforderten und eingereichten ärztlichen Berichte, Stellungnahmen und/oder Gutachten. Insbesondere letztere bereiten im Falle einer tatsächlichen Berufsunfähigkeit den bisherigen Verlauf weitläufig auf. Sie selbst sind dabei zur Abgabe der entsprechenden Entbindungen von der Schweigepflicht verpflichtet.
In diesem Zusammenhang weise ich Sie darauf hin, dass die alleinige Angabe im Antrag „…bitte bei Bedarf bei meinem Hausarzt erfragen“ nicht geeignet ist, eine Nachfrageobliegenheit des Versicherers auszulösen. Langjährig behandelte Rückenschmerzen, die im Antrag nicht angegeben wurden, sind einer der Fälle, die die Leistung gefährden bzw. einen Rechtsstreit notwendig machen. Entscheidend ist dabei insbesondere, welchen Anlass diese „Routineuntersuchungen“ gehabt haben und welche Ergebnisse heraus kamen. Beachten Sie auch, dass es nicht auf „Krankheiten“ ankommt, sondern zumeist bereits ausdrücklich nach „Beschwerden“ gefragt wird.
Ob Sie den alten Vertrag, den aus dem Jahr 2007 oder einen ab 2008 aufrechterhalten oder neu abschließen sollten, sprengt die Möglichkeiten dieses Forums. Insbesondere würde eine Empfehlung keine seriöse darstellen, da dazu insbesondere die jeweiligen Verträge konkret zu prüfen wären. Ich kann Ihnen daher nur raten, die jeweiligen Verträge durchzusehen. Dafür bietet sich auch die umfangreiche Information durch die Versicherung, deren Mitarbeiter oder qualifizierter Firmen an, die allerdings in jedem Fall durch gezielte Vorbereitung, Nachfragen und schriftlich festgehaltene „Vor- und Nachteile“ begleitet werden sollte.
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen eine erste rechtliche Orientierung geben zu haben. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass eine abschließende rechtliche Bewertung Ihres Problems die Kenntnis des vollständigen Sachverhaltes erfordert. Im Rahmen dieses Forums können sich die Ausführungen aber ausschließlich auf Ihre Schilderungen stützen, und somit nur eine erste anwaltliche Einschätzung darstellen.
Ich empfehle Ihnen daher, einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens zu beauftragen, sofern Sie eine abschließende Beurteilung erhalten möchten. Bitten beachten Sie, dass dabei weitere Kosten anfallen.
Gerne stehe auch ich Ihnen bei der weiteren Durchsetzung Ihrer Interessen zur Verfügung. Sollten Sie dies wünschen, können Sie sich jederzeit - gerne auch per eMail - mit mir in Verbindung setzen.
Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen
Martin P. Freisler
- Rechtsanwalt -
www.ra-freisler.de
www.kanzlei-medizinrecht.net
Tel.: 06131 / 333 16 70
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vonRechtsanwalt Martin P. Freisler
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Rechtsanwalt Martin P. Freisler
Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Versicherungsrecht
Vielen Dank Herr Freisler für die schnelle Beantwortung meiner Fragen. Ich möchte hinsichtlich der Informationsmöglichkeitener des Versicherers aber nochmal nachfragen.
Woher weiß der Versicherer welche Ärzte er befragen soll (außer meinen angegebenen Hausarzt)?. Bei welchen Ärzen ich behandelt wurde, kann der Versicherer doch eigentlich nur über die Krankenkasse erfahren. Die von der Krankenkasse gespeicherten Detailsdaten unterliegen aus Datenschutzgründen m. E. jedoch nur einer kurzen Speicherzeit. Dies hätte ja Bedeutung für den Fall, dass der Grund einer Berufsunfähigkeit (z.B. Herzprobleme) gar nicht mit den früheren Behandlungen (Rücken) zu tun hat. Da würde sich aus einem Gutachten z. B. über die Herzprobleme des Berufsunfähigen von einem Gutachter doch nichts über frühere Behandlungen des Rückens ergeben. Der Versicherer müsste für einen solchen Fall ja eine Liste aller Ärzte erhalten, bei denen ich in den letzten 10 Jahren behandelt wurde um Informationen zu erhalten, die über den medizinischen BU Grund und seine Geschichte hinausgehen.
Besten Dank und freundliche Grüße
Gerne beantworte ich auch Ihre Nachfrage.
Vorrangig erhält der Versicherer die Informationen von Ihnen, sowohl über die Fragen im Antragsbogen, als auch in den von Ihnen geforderten Erklärungen nach Eintritt des Leistungsfalles. Da Sie diese wahrheitsgemäß auszufüllen haben ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Versicherer diese Angaben nicht erhalten könnte, es sei denn diese werden ihm bewusst verschwiegen. Dies ist mit gewissen Risiken verbunden und hilft im Rahmen einer gerichtlichen Klage – was zu Bedenken ist- zumeist der Argumentation der Versicherung. Zudem haben Sie diese Ärzte, Behörden und Krankenkassen von der Schweigepflicht zu entbinden. Damit sind Ihre Datenschutzgesichtspunkte insgesamt nachrangig. Diese speichern die Daten insbesondere über die von Ihnen genannte Jahresfrist. Ich gehe davon aus, dass Sie die Regelung des § 305 SGB V
Bezug nehmen. Dieser regelt, dass ein Patient Einsicht in die Daten des letzten Jahres hat. Die Löschung von Daten ist allerdings in § 304 SGB V
geregelt; die zu speichernden Daten selbst in den §§ zuvor. Dieser enthält eine 10-Jahres-Regelung.
Mit freundlichen Grüßen
Martin P. Freisler
Rechtsanwalt