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Berechnungsgrundlage für Verletztengeld

30. August 2020 14:19 |
Preis: 100,00 € |

Sozialrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Michael Grübnau-Rieken, LL.M., M.A.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich hatte letztes Jahr einen Arbeitsunfall bei meinem Meisterlehrgang. Zunächst hatte die BG das Verletztengeld abgelehnt, gegen diesen Bescheid haben wir Widerspruch eingelegt. Dem Widerspruch wurde mit Bescheid vom 03.09.2019 mit neuem Bescheid (ohne RM Belehrung) abgeholfen und mir wurde Verletztengeld in Höhe des zuletzt bezogenen ALG I gewährt. Wir bitten um Prüfung/Mitteilung, ob die Berechnungsgrundlage richtig ist und, ob es Sinn macht sich hiergegen nochmals zu wehren.

Ich war bei Arbeitgeber 1 seit 2015 bis 28.02.2019 beschäftigt
sodann beim Arbeitgeber 2 vom 01.03.2019 bis 05.03.2019 beschäftigt
ab dem 07.03.2019 bis zum 06.04.2019 habe ich ALG I erhalten
Den Lehrgang habe ich am 07.04.2019 begonnen und der Arbeitsunfall ereignete sich am 12.04.2019.

Welche Grundlage zur Berechnung des Verletztengeldes greift nun?

Handelt es sich hierbei um die Höhe des vorher bezogenen ALG I (§ 47 Abs. 2 SGB VII i.V.m. § 47b SGB V ) Wobei hier noch kein ganzer Monat ALGI bezogen worden ist?

Oder handelt es sich hierbei um das zuletzt bezogene Arbeitsentgelt (Arbeitgeber 2) gem. § 47 Abs. 1 SGB VII i.V.m. § 47 Abs. 2 SGB V ?

Oder ist das Urteil des Bundessozialgerichts (B 2 U 23/06 ) heranzuziehen, wonach der 2. Senat entschieden hat, dass der letzte wirtschaftliche Dauerzustand (ggf. Arbeitgeber 1) bei der Berechnung zugrunde zu legen ist?

Wichtig hierbei ist auch die Frage, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ggf. die BG die bereits erbrachten Leistungen zurückverlangen könnte, da in der Zeit des Meisterlehrgangs keinerlei Einkommen erzielt wurde. (Bafög wurde beantragt aber noch nicht bewilligt u. der Antrag sodann zurückgenommen)

Unserer Berechnung nach, können wir uns gegen den vorgenannten Bescheid noch bis zum 03.09.2020 mit Widerspruch wehren, da die Rechtsmittelbelehrung fehlte.

Wir danken Ihnen bereits jetzt für Ihre Mühen.

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Berechnet wird das Verletztengeld nach dem Regelentgelt berechnet.

Dieses wiederum richtet sich nach den Vorschriften über das Krankengeld nach dem SGB V.

Die Berechnung bezieht sich daher auf das von Ihnen bezogene ALG I als Entgeltersatzleistung.

Nichts anderes sagt das von Ihnen zitierte Urteil des BSG, denn dort steht unter Punkt 17:

"An dieser Rechtsentwicklung wird deutlich, dass mit der Voraussetzung eines unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit bestehenden Anspruchs auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder eine der in § 45 Abs 1 Nr 2 SGB VII genannten Geldleistungen die Entgeltersatzfunktion des Verletztengeldes betont und sichergestellt werden soll, dass nur solche Versicherte die Leistung erhalten, die zum Kreis der Erwerbstätigen gehören und ihren Lebensunterhalt vor Eintritt der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit aus einer Erwerbstätigkeit oder einer daran anknüpfenden Sozialleistung bestritten haben."

Weiter steht dort:

" Die Voraussetzungen des § 45 Abs 1 Nr 2 SGB VII sind dagegen nicht erfüllt, wenn er seinen Lebensunterhalt zu diesem Zeitpunkt aus anderen Quellen, etwa aus Vermögen, Kapitaleinkünften, Rente oder Sozialhilfe, finanziert hat. "

Das wird bei Ihnen wohl nicht er Fall sein.

Unter Punkt 19 steht dort:

"Die Höhe des Verletztengeldes richtet sich, wie das LSG ebenfalls zutreffend entschieden hat, nach § 47 Abs 4 SGB VII . Danach wird bei Versicherten, die unmittelbar vor dem Versicherungsfall Krankengeld bezogen haben, bei der Berechnung des Verletztengeldes von dem bisher zugrunde gelegten Regelentgelt ausgegangen. "

Damit wird das Verletztengeld nach der Entgeltersatzleistung nach 45 Abs. 1 Nr. 2, Absatz II SGB VII in Verbindung mit § 47b Abs. 2 SGB V .

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Rückfrage vom Fragesteller 30. August 2020 | 18:10

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Grübnau-Rieken,

zunächst vielen Dank für Ihre schnelle Rückantwort.

Bezüglich des zitierten Urteils des BSG haben wir noch eine Nachfrage. Hier scheinen wir leider bei der ersten Frage nicht genau dargelegt zu haben, worauf es uns insbesondere angekommen ist.

Unter Punkt 19 vorletzter Satz steht:" (…) müssen seiner Berechnung die Einkünfte zugrunde gelegt werden, die während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes den Lebensstandard des Versicherten geprägt haben."

Diese Aussage verstehen wir so, dass in dem hiesigen (unserem) Fall bei gerade einmal einem Bezug von ALG I von 4 Wochen, nicht von einem Dauerzustand ausgegangen werden kann. Zumal das erhaltene ALG I nicht den Lebensstandard geprägt haben kann aufgrund der ausgezahlten Höhe. Hierbei wäre es kaum möglich gewesen, den Lebensstandard inklusive der laufenden Kosten zu erhalten. Vielmehr wäre eine sofortige Neuaufnahme einer Arbeitstätigkeit von Nöten gewesen, um diesen bzw. den vorherigen (vor Eintritt der Arbeitslosigkeit) Standard zu erhalten. Hier ist besonders zu erwähnen, dass eine neue Tätigkeit nicht angetreten wurde, da bereits in Aussicht stand den Meisterlehrgang anzutreten. Hierbei konnten wir von einem Meister-Bafög in Höhe von knapp 900 € monatlich für 4 Monate ausgehen, wobei die Differenz durch die Kündigung der bestehenden privaten Rentenversicherung gedeckt werden sollte. (Diese wurde gekündigt und der ausgezahlte Betrag diente leider sodann dazu den Lebensstandard in der Zeit zu sichern, wo noch kein Verletztengeld (April bis September) ausgezahlt wurde.)

In dem dem Urteil zugrunde liegenden Fall hatte der Versicherte das Krankengeld für eine Dauer von 2 Jahren erhalten, wobei man hier (nach unserem Verständnis) von einem wirtschaftlichen Dauerzustand ausgehen kann und muss.

Nach unserem Empfinden ist dieses hier nicht bei gerade einmal 4 Wochen gegeben.

Aufgrund dieses Verständnisses des oben angebenden Satzes wurden auch die weitergehenden Fragen bezüglich der vorherigen Arbeitgeber gestellt. Hierbei hatten wir das "gemeinsame Rundschreiben zum Krankengeld nach § 44 SGB V und Verletztengeld nach § 45 SGB VII " Stand 18. / 19.06.2019, insbesondere Punkt 3.1.1.1.1 (Bemessungszeitraum) ins Auge gefasst. Weshalb die Frage gestellt wurde, welcher Arbeitgeber für die Berechnung heranzuziehen wäre.

Insoweit bitten wir nochmals um Prüfung der rechtlichen Situation und ggf. Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Widerspruchsverfahrens bzw. Klagverfahrens.

Auch in Hinblick darauf, ob bei der vorgenannten Begründung (sollten wir es trotzdem Versuchen), die BG sich auf den Standpunkt stellen könnte, das gezahlte Verletztengeld zurückfordern zu wollen. Hier insbesondere unter dem Hintergrund, dass zur Berechnung ein weiter zurückliegender Zeitraum angenommen werden soll, aber die Voraussetzung zum Erhalt des Verletztengeldes im Bezug des ALG I begründet liegt.

Sollten Sie Urteile oder Gesetzestexte bezüglich der rechtlichen Definition des "wirtschaftlichen Dauerzustandes" kennen, so wären wir Ihnen sehr für die Mitteilung der entsprechenden Fundstellen dankbar.

Wir danken Ihnen bereits jetzt für Ihre Mühen und rechtliche Einschätzung und wünschen Ihnen einen schönen Abend.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 30. August 2020 | 18:45

Sehr geehrte Ratsuchende,

Ihre Rückfrage beantworte ich gerne wie folgt:

Sie haben sich bei dem Arbeitsunfall im Leistungsbezug der Bundesarbeitsagentur (ALG I) befunden.

Ich zitieren nun aus dem Kasslerkommentar, der von Richtern des Bundessozialgerichts herausgegeben wird und hier zu § 47b SGB V , denn die Kommentierung zu § 47 SGB VII verweist nach dort:
"Gemäß Abs. 1 S. 1 wird das KrG in Höhe des Betrages des Arbeitslosengelds I gewährt, das die Versicherten zuletzt bezogen haben. Die Höhe des KrG stimmt daher mit dem Arbeitslosengeld-Betrag überein. Es kommt auf die letztmals vor Entstehung des Anspruchs gewährte Leistung an („zuletzt").

Eine Leistung wird iSd Abs. 1 S. 1 „bezogen", wenn sie den Versicherten von der Agentur für Arbeit durch VA zuerkannt worden ist. Der Betrag der bezogenen Leistung ergibt sich damit aus dem zuletzt maßgeblichen bindenden Bewilligungsbescheid (s. BSG, Urt. v. 4.3.2014, B 1 KR 17/13 , NZS 2014, 458 ).

In einem gebildeten Leitsatz zu der von Ihnen zitierten Entscheidung heißt es:

"1. Bildet eine der in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII genannten Einkommensarten zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit die wirtschaftliche Lebensgrundlage des Versicherten, so ist der für den Anspruch auf Verletztengeld geforderte unmittelbare zeitliche Anschluss an einen Anspruch auf Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen gegeben."

Ein weiterer Kommentar zum SGB VII sagt:

"Die Vorschrift des § SGB_VII § 47 regelt die Höhe des Anspruchs auf Verletztengeld. Hierbei liegt der Berechnung die „Referenzmethode" zu Grunde, dh es wird – trotz der Entgelt- bzw. Einkommensersatzfunktion des Verletztengeldes – nicht auf einen ausgefallenen (mittels hypothetischer Abläufe zu ermittelnden) Verdienst abgestellt, sondern pauschalierend auf einen zuletzt erzielten Verdienst (BSG NZS 2004, NZS Jahr 2004 Seite 379) (BeckOK, SGB VII, § 47 Rn. 1).

Damit war das Arbeitslosengeld der letzte wirtschaftliche Dauerzustand.

Leider ändert sich dadurch nichts an meiner rechtlichen Einschätzung auf Grundlage der von mir zitierten Vorschriften und Kommentare und Auslegung des von Ihnen benannten Urteils.

Ein Widerspruchsverfahren halte ich daher für nicht erfolgversprechend.

Mit freundlichen Grüßen

Grübnau-Rieken
Rechtsanwalt

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