Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
vielen Dank für Ihre Anfrage, die mir vor wenigen Minuten zugewiesen wurde. Da Ihr Anliegen von besonderer Wichtigkeit ist, möchte ich Ihnen mit meiner Anwaltskanzlei sehr gerne helfe.
Zunächst möchte ich Ihre Frage "Muss ich die Angaben vor der Heirat am 22.12.2022 machen?" ganz konkret beantworten:
Aufgrund der mir vorliegenden Informationen ist rechtlich davon auszugehen, dass Sie die Angaben machen müssen. Jedoch muss dies für Sie nicht zwangsläufig mit negativen Folgen verbunden sein. Sollte der zu erwartende Bescheid für Sie eine zusätzliche Belastung darstellen, so wird man diese im Rahmen eines Einspruchs/Widerspruchs beseitigen können.
Damit Sie meine anwaltliche Bewertung nachvollziehen können, stelle ich Ihnen nun ausführlich den rechtlichen Hintergrund dar:
Die Angaben müssen vorliegend deshalb gemacht werden, da es in Ihrem Fall juristisch betrachtet nicht auf den Zeitpunkt der Hochzeit ankommt. Das JobCenter wird aktuell nämlich vermuten, dass bereits vor Ihrer Hochzeit eine Bedarfsgemeinschaft vorgelegen hat. Diese Vermutung wird durch § 7 Abs. 3, Abs. 3a SGB II bestimmt, der wie folgt lautet:
Zitat:(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
1. die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2. die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3. als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a) die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b) die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c) eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4. die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
1. länger als ein Jahr zusammenleben,
2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
Zum besseren Verständnis habe ich innerhalb des § 7 Abs. 3, Abs. 3a SGB II diejenigen Abschnitte hervorgehoben, die in Ihrem Fall von besonderer Bedeutung sind.
Wie Sie erkennen können, kann eine Bedarfsgemeinschaft auch schon vor der Ehe bestanden haben. Dies ist meistens bei fast allen Lebenspartnerschaften und auf Dauer angelegten Liebesbeziehungen der Fall. Die Voraussetzungen sind bereits dann erfüllt, wenn Sie vor der Heirat für einen längeren Zeitraum im selben Haushalt gelebt und ebenfalls den Alltag in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht Alltag gemeinsam bestritten haben.
Wenn anzunehmen ist, dass diese Voraussetzungen vorliegen könnten, kann das JobCenter von Ihnen leider eine weitreichende Auskunft verlangen. Wie Sie bereits richtig erkannt haben, handelt es sich hierbei um eine sog. Mitwirkungspflicht. Diese ergibt sich aus § 60 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 SGB II, der wie folgt lautet:
Zitat:(1) Wer jemandem, der Leistungen nach diesem Buch beantragt hat oder bezieht, Leistungen erbringt, die geeignet sind, diese Leistungen nach diesem Buch auszuschließen oder zu mindern, hat der Agentur für Arbeit auf Verlangen hierüber Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist.
(2) Wer jemandem, der eine Leistung nach diesem Buch beantragt hat oder bezieht, zu Leistungen verpflichtet ist, die geeignet sind, Leistungen nach diesem Buch auszuschließen oder zu mindern, oder wer für ihn Guthaben führt oder Vermögensgegenstände verwahrt, hat der Agentur für Arbeit auf Verlangen hierüber sowie über damit im Zusammenhang stehendes Einkommen oder Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist. § 21 Absatz 3 Satz 4 des Zehnten Buches gilt entsprechend. Für die Feststellung einer Unterhaltsverpflichtung ist § 1605 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden.
(4) Sind Einkommen oder Vermögen der Partnerin oder des Partners zu berücksichtigen, haben
1. diese Partnerin oder dieser Partner,
2. Dritte, die für diese Partnerin oder diesen Partner Guthaben führen oder Vermögensgegenstände verwahren,
der Agentur für Arbeit auf Verlangen hierüber Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist. § 21 Absatz 3 Satz 4 des Zehnten Buches gilt entsprechend.
Auch hier habe ich wieder zur besseren Verständlichkeit die entsprechenden Abschnitte hervorgehoben.
Anwaltliche Empfehlung:
Abschließend möchte ich Ihnen eine anwaltliche Empfehlung aussprechen, die Ihnen für den weiteren Verlauf behilflich sein wird.
Sollten Sie vor Ihrer Hochzeit noch nicht zusammengelegt haben, erfüllen Sie nicht die Voraussetzungen des § 7 Abs 3, Abs. 3a SGB II. In diesem Fall sollten Sie dies der Behörde ausdrücklich unter Vorlage entsprechender Nachweise (z.B. zwei Mietverträge oder ähnliches) mitteilen. Das JobCenter darf Sie dann nicht als eine Bedarfsgemeinschaft bewerten und demnach auch nicht Ihr Einkommen vor der Hochzeit nachteilig berücksichtigen.
Wenn die Bescheide, welche Sie bislang erhalten haben, einen belastenden Charakter für Sie aufweisen, sollten Sie gegen diese dringend einen Einspruch/Einlegen (dies gilt auch für zukünftige Bescheide). Es könnte nämlich davon auszugehen sein, dass die Behörde das entsprechende Einkommen nicht richtig berücksichtigt. Ein Einspruch/Widerspruch ist nur innerhalb der Frist möglich, die in den Bescheiden im Abschnitt "Rechtsbehelfsbelehrung" genannt wird - diese Frist müssen Sie dringen einhalten, da ansonsten auch ein rechtswidriger Bescheid rechtskräftig und damit "wirksam" wird. Den Einspruch/Widerspruch können Sie allein, aber auch mit anwaltlicher Unterstützung verfassen.
Abschließend möchte ich mich erneut für Ihre Anfrage bedanken und hoffe, dass ich Ihre Fragen nachvollziehbar beantworten konnte. Sollten Sie eine Rückfrage haben oder Unklarheiten bestehen, können Sie gerne die kostenlose Nachfragefunktion benutzen. Ich bin in dieser Sache weiterhin für Sie da.
Mit freundlichen Grüßen
Cedric Hohnstock
Rechtsanwalt