Sehr geehrter Ratsuchender,
auch auf die Gefahr hin, dass Ihnen die Antwort vermutlich nicht gefallen wird:
Sie werden auf Ihre Kosten die Verlegung vornehmen müssen.
Der Grund liegt in der von Ihnen genannten beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, die zunächst gilt und auch nicht von der fehlenden Eintragung im Gemeindeplan etwa ausgehebelt wird.
Und diese Dienstbarkeit ist Ihnen beim Kauf mitgeteilt worden, wenn der entsprechende Passus im Vertrag lautet:
Als Belastungen sind eingetragen:
Abwasserkanal- und Regenwasserableitungsrecht; Kanalleitungsrecht
Spätestens ab hier wäre es dann Ihre Verpflichtung gewesen, nachzufragen, so dass Ihr Einwand, dem "Kaufvertrag liegt keine Information (weder in Wort noch in Bild) bei, ob und wo Leitungen durch das Grundstück verlaufen, und falls ja ob sich diese in Nutzung befinden und durch wen", so nicht haltbar sein werden.
Eine weitergehende, ungefragte Auskunftspflicht der Verkäuferin ist dann nicht anzunehmen, so dass allenfalls bei wahrheitswidrigen Angaben auf Fragen noch etwas zu Ihren Gunsten möglich wäre - für so ein arglistiges Verhalten sehe ich aber nach Ihrer Sachverhaltsdarlegung derzeit keinen Ansatz.
Das bedeutet nun, dass Sie gegenüber dem Nachban (Nachfolger B) keinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB
haben.
Denn in entsprechender Anwendung des § 917 Abs. 1 BGB
für die Abwasserleitungen sind Sie verpflichtet, die über Ihr Grundstück verlaufenden und eingetragenen Leitungen zu dulden. Dieses ergibt sich aus der genannten Tatsache, dass ansonsten wohl ein Hebewerk notwendig ist, so dass eine anderweitige Versorgung des Nachbarn nur mit erheblichem Mehraufwand möglich wäre.
Genau dann greift aber aus § 917 BGB
die Befugnis ein, Abwässer eines Grundstücks über ein anderes, fremdes Grundstück der Kanalisation zuzuführen (BGH, Urt.v. 04.07.2008, Az.: V ZR 172/07
mit zahlreichen weiteren Hinweisen).
Da Sie keinen Unterlassungsanspruch gegen den Nachbarn haben, der Nachbar hingegen das Recht der Leitungen hat, sind Sie dann aufgrund der Tatsache, dass Sie durch ihre Baumaßnahme das Recht angreifen, zur kostentragenden Umlegung und Gewährleistung dieses Leitungsrechtes verpflichtet.
Das weitere Vorgehen hängt davon ab, ob eine Einigung mit dem Nachbarn erfolgen kann. So eine Einigung wird sicherlich sehr viel Geld kosten, kann aber wirtschaftlich betrachtet auf längere Sicht (auch in Hinblick auf den Wert einer ggfs. späteren Veräußerung) sinnvoll sein.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt
Thomas Bohle
Damm 2
26135 Oldenburg
Tel: 0441 / 26 7 26
Fax: 0441 / 26 8 92
mail: ra-bohle@rechtsanwalt-bohle.de
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Antwort
vonRechtsanwalt Thomas Bohle
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E-Mail:
Sehr geehrter Herr Bohle,
erst einmal herzlichen Dank für Ihre prompte Antwort.
Hier meine einmalige Nachfrage (da ich diesen wesentlichen Fakt gegebenenfalls vorhin nicht gut genug rausgearbeitet hatte):
Meinem Verständnis nach ist laut II. Dienstbarkeitsbestellung des Notarvertrages von 1992
"Die Gemeinde x berechtigt, in das dienende Grundstück einen Abwasserkanal und eine Regenwasserleitung [...] zu einzulegen, [...]". Nicht aber unsere Veräußerin oder besagte Nachbarn. Alle Fachleute in der Gemeinde (Bürgermeister, Wasserwirtschafts-, Landratsamt) betonen jedoch mündlich und schriftlich, es gäbe keine Kanäle in unserem Grundstück. Also nicht die Gemeinde hat von ihrer Berechtigung Gebrauch gemacht sondern - unerlaubter Weise - Veräußerin und / oder Nachbar.
Meine Frage zielt darauf ab, ob diese (Veräußerer / Nachbar) sich dadurch (nicht gemeldeter Bau von Leitungen) ins Unrecht setzten und über genau diesen Punkt rechtlich angreifbar wären?
(Hintergrund: ein, die Sachlage kennender Notar ist der Ansicht).
Danke für das einmalige Nachlegen!
Ich hoffe, dass dieser Fakt die Sachlage zu unseren Gunsten verändert...
Danke und beste Grüße, B.S.
Sehr geehrter Ratsuchender,
sicherlich wäre ein solcher "Schwarz-Leitungs-Bau" ein Punkt, aus dem Sie dann Ihre Eigentümerrechte geltend machen können.
Allerdings kann ich nur den mir mitgeteilten Sachverhalt beurteilen, und der stellt sich auch nach Ihrer -berechtigten- Nachfrage wie folgt da:
Das Leitungsrecht ist eingetragen worden.
Der Hinweis auf das Leitungsrecht wurde im Vertrag gegeben.
Die Leitungen sind da.
Wenn Sie dieses objektiv beurteilen, kommen Sie nach wie vor zu meiner Erstantwort.
Ob die Leitung durch die Gemeinde oder durch den Nachbarn veranlasst worden sind, spielt m.E. in Hinblick auf die offenbar immer noch bestehenden Eintragungen keine Rolle, da es eben grundstücksbezogen ist und ich anch Ihrer Sachverhaltsdarstellung davon ausgehe, dass das Grundstück des Nachbarn dann auch das herrschende Grundstück ist.
Nach Ihrer Überlegung müssten - wenn Sie es nur auf die Gemeinde als Betreiberin abstellen wollen - dann sogar bei einem Verkauf des Grundstückes die im Grundbuch eingetragenen und gesicherten Rechte erlöschen - und das wird nicht der Fall sein.
Einer der Fehler war und ist es, dass dieses Recht nicht gelöscht worden ist, nachdem die Gemeinde das Teilgrundstück belastungsfrei gegeben hat und den Vollzug dieser Rechtsfreigabe zu gegebener Zeit im Grundbuch erklärt hat.
Die einzige Überlegung wäre, es nun als "zu gegebener Zeit" zu deklarieren und den Vollzug der Grundbuchlöschung zu beantragen. DANACH kann dann ggfs. die Leitung entfernt werden.
Da aber zum Zeitpunkt der Verlegung eben die Eintragung noch vorhanden gewesen ist, wird auch der Nachbar dann ganz gewiss dagegen vorgehen.
Eine jahrelange Prozessiererei mit m.E. für Sie ungünstigen Ausgang ist dann gewiss, so dass ich zu Gesprächen mit dem Nachbarn dringend geraten haben und diesen Ratschlag wiederhole ich.
Wenn es der Notar anders beurteilt, gilt entweder der Satz: Zwei Juristen, drei Meinungen - oder er hat noch weitergehende Informationen und Hintergrundwissen, die seine Meinung bestärken könnten. Derzeit sehe ich es nicht.
Aber wenn der Notar - der sicherlich "näher am Geschehen ist" - eine möglichkeit sieht, in der Sache nicht vorbefasst ist, sollten Sie ggfs. mit ihm den dort vorgeschlagenen Weg versuchen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt
Thomas Bohle
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