Guten Tag,
Ihr Anliegen ist verständlich, und Sie haben das Recht, Maßnahmen zu ergreifen, wenn der Baum der Gemeinde in Ihr Grundstück ragt und zu Beeinträchtigungen führt.
Nachfolgend zeige ich Ihnen gerne rechtlichen Möglichkeiten und Schritte auf, die Sie unternehmen können:
1. Rechtslage
Nach § 910 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) dürfen Sie die überhängenden Äste selbst abschneiden, wenn die Gemeinde als Eigentümerin des Baums trotz Aufforderung keine ausreichenden Maßnahmen ergreift. Voraussetzung ist jedoch, dass:
- Der Baum nicht unter Naturschutz steht.
- Eine angemessene Frist zur Beseitigung der Äste gesetzt wurde.
Ihre Maßnahme nicht zu einer Beschädigung des Baums führt.
Laubfall wird in der Regel als "natürliche Erscheinung" bewertet, die kein Anspruch auf Schadensersatz oder Kostenübernahme rechtfertigt. In manchen Bundesländern gibt es hierzu jedoch abweichende Regelungen, besonders wenn der Baum außergewöhnlich groß ist und der Laubfall unverhältnismäßig hohe Belastungen verursacht.
In Hessen gibt es allerdings ein möglicherweise auch für Sie relevantes, aktuelles Urteil zur sog. Laubrente (siehe Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 16.8.2024, Az. 19 U 67/23):
"Grundstückseigentümer haben demnach keinen Anspruch auf Laubrente wegen erhöhten Reinigungsaufwands für einen Pool unterhalb von zwei den Grenzabstand unterschreitenden Nachbareichen."
"Im Rahmen der Zumutbarkeit seien alle Umstände zu berücksichtigen, die den Interessenkonflikt durch Maßnahmen des einen oder des anderen veranlasst oder verschärft haben."
Im zugrundeliegnden Fall lagen die Grundstücke in einem Bereich, der durch älteren und höheren Baumbestand geprägt sei, so das OLG FFM. "Dies habe die Klägerin gewusst, als sie auf ihrem Grundstück einen nicht überdachten und im freien gelegenen Pool errichtet habe. „Dass mithin der Pool (...) durch Laub- und Fruchtabwurf der Bäume der Beklagten betroffen sein würde, war sicher zu erwarten", untermauerte das OLG weiter. Gemäß den sachverständigen Angaben halte sich der Eintrag an Eicheln (45 kg p.a.), Laub (1,2 m³ p.a.) und Totholz (12 Hände p.a.) im üblichen Rahmen unabhängig vom Abstand der Eichen zur Grundstücksgrenze. Die Belastungen entsprächen der Lage des Grundstücks in einer stark durchgrünten Wohngegend mit vielen Laubbäumen. Wenn sich die Klägerin in Kenntnis dieser Gegebenheiten entschließe, einen offenen Pool im Traufbereich der Eichen zu errichten, müsse sie auch den damit verbundenen erhöhten Reinigungsaufwand entschädigungslos hinnehmen."
Im Übrigen stellt in Hessen etwa das zuständige Justizministerium eine sehr gute Übersicht zu Ihren Nachbarrechten zur Verfügung:
https://justizministerium.hessen.de/sites/justizministerium.hessen.de/files/2021-08/nachbarrecht.pdf
2. Vorgehen gegen die Gemeinde
Setzen Sie der Gemeinde nichtsdestominder schriftlich eine letzte Frist (z. B. 2–4 Wochen), um die Äste fachgerecht zurückzuschneiden. Weisen Sie darauf hin, dass Sie bei Untätigkeit von Ihrem Recht Gebrauch machen werden, die Äste auf eigene Kosten zurückzuschneiden (und diese der Gemeinde in Rechnung stellen).
Fotografieren Sie die überhängenden Äste, den Laubfall und die Schäden oder Beeinträchtigungen in Ihrem Garten, um Ihre Forderungen zu untermauern.
Falls die Gemeinde nicht reagiert, können Sie sich an das zuständige Ordnungsamt wenden. Die Behörde kann die Gemeinde auffordern, den Baum entsprechend der Verkehrssicherungspflicht zu bearbeiten.
Wenn es sich tatsächlich um einen störenden Grenzbaum handelt (sprich die Weide auf der Grundstücksgrenze liegt) hat im Übrigen jeder Nachbar darüber hinaus jederzeit das Recht, die Beseitigung des Grenzbaumes oder -strauches zu verlangen (§ 923 Abs. 2 BGB). Die Kosten der Beseitigung fallen den Nachbarinnen und Nachbarn gleichmäßig
zur Last, und ebenso gehört das Holz des beseitigten Baumes/Strauches den Nachbarinnen und Nachbarn zu gleichen Teilen. Jedoch hat der Nachbar, die oder der die Beseitigung verlangt, die Kosten allein zu tragen, wenn die oder der andere auf sein Recht an dem Grenzbaum oder -strauch verzichtet; er erwirbt dann das Alleineigentum an dem gefällten Baum/Strauch.
3. Verkehrssicherungspflicht
Die Gemeinde hat als Baumeigentümerin eine Verkehrssicherungspflicht. Das bedeutet, sie muss sicherstellen, dass der Baum keine Gefahr für Personen, Ihr Grundstück oder den öffentlichen Raum (z. B. Bürgersteig, Straße) darstellt. Dazu gehört auch das regelmäßige Zurückschneiden von Ästen, die eine Gefahr darstellen könnten.
4. Kostenerstattung
Sollten Sie die Äste auf eigene Kosten entfernen, können Sie die Erstattung der Kosten von der Gemeinde verlangen, wenn diese ihren Pflichten nicht nachgekommen ist. Dafür benötigen Sie Belege und Nachweise (z. B. Fotos, Rechnungen eines Gärtners).
In Ausnahmefällen kann es möglich sein, eine Entschädigung oder Beteiligung an den Kosten der Laubentsorgung zu verlangen, insbesondere wenn die Belastung erheblich ist. Dies hängt wie erwähnt jedoch von den örtlichen Gegebenheiten und der Rechtsprechung in Ihrem Bundesland ab....
In einem vom OLG Koblenz entschiedenen Fall hat ein Baumeigentümer die ihm vom gestörten Grundstücksnachbar zweimal gesetzten Fristen verstreichen lassen, ohne tätig zu werden. Daher stand dem Grundstücksnachbar nach Meinung des Gerichts gemäß § 910 Abs. 1 Satz 2 BGB das Recht zu, die seine Grundstücksnutzung beeinträchtigenden Zweige abschneiden zu lassen und nach Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung eine Erstattung der ihm hierfür von der beauftragten Fachfirma in Rechnung gestellten Kosten vom Baumeigentümer zu verlangen.
Den Einwand des beklagten Baumeigentümers, der Astüberhang sowie der damit in Zusammenhang stehende Laub- und Nadelfall seien ortsüblich, weil es sich bei den streitgegenständlichen Grundstücken um eine Waldrandlage handle, hat das zuständige Gericht in dem Fall nicht gelten lassen. Denn im Rahmen der Prüfung des § 910 BGB, so das Gericht, sei unerheblich, ob die überragenden Zweige des störenden Grundstücks auf dessen ortsüblicher Nutzung beruhen. Gemäß § 910 BGB ist im Gegensatz zu § 906 BGB vielmehr jede aktuelle Beeinträchtigung ohne Rücksicht darauf rechtserheblich, ob die gewählte Nutzungsart ortsüblich oder zweckmäßig ist.
(siehe OLG Koblenz, Beschluss v. 8.10.2013, 3 U 631/13)
Je nach Argumentation, Erheblichkeit des Laubfalls und genauer Verortung der Weide könnten SIe entsprechend argumentieren oder gar die Beseitigung verlangen!
Viele Grüße
26. November 2024
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17:09
Antwort
vonRechtsanwalt Valentin Becker
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