Willkommen beim Original und Testsieger.
Online seit 2004, mit über 140.000 Fragen & Antworten. 
00.000
Bewertungen
0,0/5,0
Günstige Rechtsberatung für alle.
Anwalt? Mitmachen

Arbeitszeiterfassung verspätet

13. Dezember 2021 10:42 |
Preis: 51,00 € |

Arbeitsrecht


Beantwortet von


in unter 2 Stunden

Zusammenfassung

Der Verstoß gegen die Weisung, die Arbeitszeit täglich zu dokumentieren, kann zu einer Abmahnung und im Wiederholungsfall zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen. Überstunden müssen nicht automatisch bezahlt werden, wenn sie geleistet wurden, hierfür ist Kenntnis des Arbeitgebers erforderlich.

Guten Tag,
wir sind ein kleiner IT-Dienstleister (5 Mitarbeiter), der IT-Projekte für Kunden durchführt. Wir haben Vertrauensarbeitszeit, d.h. bei uns wir kein Kommen/Gehen erfasst (und seit der COVID-19-Pandemie wird überwiegend im Homeoffice gearbeitet wo dies ja ohnehin schwierig zu erfassen wäre).
In der Regel stellen wir den Kunden am Ende des Montag die durch die Mitarbeiter geleisteten Stunden in Rechnung.
Die Mitarbeiter erfassen ihre geleisteten Stunden in internen Systemen. Es gibt eine interne Anweisung, dass die Arbeitsstunden tagesgenau zu erfassen sind – in Ausnahmefällen am Folgetag. Damit soll u.a. nachvollzogen werden können, ob bei bestimmten Kundenprojekten eine Stunden-Budgetüberschreitung droht und gleichzeitig soll damit die Arbeitszeit der Mitarbeiter erfasst werden.
Das Problem ist nun, dass (trotz aller Motivation, Erinnerung und Ermahnung) die geleisteten Stunden von einigen Mitarbeitern erst "gesammelt" am Ende des Monats erfasst werden. Damit verbunden sind oftmals Überraschungen: Stundenbudgets für Kunden/Projekte sind dann manchmal überbucht und uns wird dann oft auch erst klar, dass ein Mitarbeiter erhebliche Überstunden geleistet hat (teilweise 10 Stunden und mehr in einer Arbeitswoche).
Als Arbeitgeber sind wir ja verpflichtet
a) die Arbeitszeiten zu dokumentieren
b) Überstunden auszugleichen bzw. zu vergüten (wenn diese quantitativ über die im Arbeitsvertrag hinausgehen)
Mit der heutigen Praxis ist a) nur sehr verspätet möglich und b) können wir damit Überstunden weit im Nachhinein nur zur Kenntnis nehmen, bzw. Mitarbeiter „genehmigen" sich die Überstunden damit ja quasi selbst. In den letzten Monaten haben Mitarbeiter so teilweise mehr als hundert Überstunden angesammelt.

Wir haben die Befürchtung, dass bei einem möglichen Ausscheiden eines Mitarbeiters diese beiden Punkte uns gegenüber angemahnt werden oder sogar gegen uns verwendet werden. In Bezug auf die Überstunden werden bisher individuelle Regelungen getroffen (Freizeitausgleich und eine Art „Bonuszahlung" für die Überstunden).
Aber falls es mal zu einer unerfreulicheren Trennung zwischen einem Arbeitnehmer und uns kommen sollte, könnte das Thema Zeiterfassung und (zu wenig vergütete) Überstunden zu unseren Lasten gehen, obwohl wir aufgrund der nachlässigen und verspäteten Zeiterfassung ja selbst oftmals im Nachteil sind.

Was wäre eine sinnvolle Vorgehensweise gegenüber den Mitarbeitern. Welche formellen Schritte und welche Dokumentation (bspw. über notorisch zu spät erfasste Projekt-/Arbeitszeiten) sollten wir anfertigen?

13. Dezember 2021 | 11:45

Antwort

von


(654)
Heinz-Fangman-Str. 2
42287 Wuppertal
Tel: 0202 76988091
Web: https://www.kanzlei-scheibeler.de
E-Mail:

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Es stellt sich schon die Frage, ob es nach einem Urteil des europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2019 überhaupt noch zulässig ist, das Modell der Vertrauensarbeitszeit anzuwenden.

Der Verstoß gegen die Weisung, die Arbeitszeiten taggenau oder spätestens am Folgetag zu erfassen, kann natürlich abgemahnt werden. Im Fall von mehreren Verstößen können die Arbeitsverhältnisse sodann gekündigt werden. Vermutlich können Sie aber sämtliche Arbeitnehmer ohnehin fristgerecht entlassen, da nach Ihrer Mitteilung Sie nur fünf Arbeitnehmer insgesamt beschäftigen und das Kündigungsschutzgesetz auf ihren Betrieb nicht Anwendung finden dürfte. Es wird sich nur noch die Frage von Sonderkündigungsschutz wie einer Schwerbehinderung oder ähnlichem stellen.

Da es Ihnen ja aber ganz offensichtlich nicht um solche arbeitsrechtlichen Sanktionen geht, sollten Sie noch einmal im positiven das Gespräch mit den Mitarbeitern suchen und eine Vereinbarung dahingehend treffen, dass diese Weisung befolgt wird. Diese Vereinbarung sollte idealerweise auch von dem Mitarbeiter selbst aufgesetzt werden, da es dann höhere Aussichten gibt, dass sie befolgt wird. Dies ist aber letztlich eher eine psychologische Frage als eine juristische.

Im Hinblick auf die Überstunden ist es so, dass sie nur dann bezahlt werden müssen, wenn Sie Kenntnis hiervon hatten. Erfahren Sie dies teilweise Wochen später, könnten Sie die Bezahlung bzw. Aufnahme in ein Arbeitszeitkonto auch einmal ablehnen mit dem Hinweis, dass Sie die Arbeit anders verteilt hätten, wenn es Ihnen schlicht einmal bekannt geworden wäre, dass ein gewisses Projekt arbeitsintensiver war als gedacht. Es ist nicht so, dass sich ein Mitarbeiter die Überstunden selbst genehmigen kann, wenn er diese schlicht notiert und Ihnen dann am Monatsende insgesamt einreicht. Vielleicht ist also dann auch eine Kürzung eines Überstundenkontos einmal ein Instrument, ein betreffenden Mitarbeiter dazu anzuhalten, die Stunden taggenau zu dokumentieren und bei erhöhtem Arbeitsbedarf Kontakt zu dem Vorgesetzten zu suchen, ob die Überstunden nun gewünscht sind oder eine Arbeit anders verteilt oder auch bis zum nächsten Tag liegen bleiben kann.

Sie sollten in jedem Fall die Weisung, die Arbeitszeit täglich zu erfassen, dokumentieren, sowie auch die Hereingabe der tatsächlichen Arbeitszeiten. Gegebenenfalls sollten Sie auch noch die eine oder andere Erinnerung dokumentieren.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwältin Dr. Elke Scheibeler
Fachanwältin für Arbeitsrecht

ANTWORT VON

(654)

Heinz-Fangman-Str. 2
42287 Wuppertal
Tel: 0202 76988091
Web: https://www.kanzlei-scheibeler.de
E-Mail:
RECHTSGEBIETE
Fachanwalt Arbeitsrecht, Insolvenzrecht, Miet- und Pachtrecht, Kaufrecht, Vertragsrecht
Durchschnittliche Anwaltsbewertungen:
4,8 von 5 Sternen
(basierend auf 119006 Bewertungen)
Aktuelle Bewertungen
5,0/5,0
Vielen Dank für die ausführlichen Informationen. ...
FRAGESTELLER
5,0/5,0
Antwort war schnell und gut nachvollziehbar. Vielen Dank. ...
FRAGESTELLER
5,0/5,0
Vielen Dank, einer der Besten hier, wenn nicht sogar der Beste! Immer wieder gerne! ...
FRAGESTELLER