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Algll - Pflichtbewerbungen bei bestehender Arbeitsunfähigkeit und REHA-Maßnahme

| 29. August 2016 16:36 |
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Sozialrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Kevin Winkler, LL.M. (AUS)

(Wiederholung / Vorkasse MEM882889 FEAQ276323 bereits gezahlt und bestätigt.)
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Guten Tag,
VORGESCHICHTE:
Nach zwei Unfällen ungefähr vor 1 Jahr bin ich wegen laufender REHA- bzw.
Wiederherstellungsmaßnahmen arbeitsunfähig geschrieben. Diverse medizinische Begutachtungen wurden gemacht. Ferner erhielt ich hinsichtlich der eingetretenen gesundheitlichen Schädigungen und der bleibenden Folgen den Schwerbeschädigtenstatus 60%. Tätigkeitsausschlüsse, maximale Belastbarkeit und tägliche Arbeitsdauer in Stunden wurden bis auf weiteres mit "3" pro Tag definiert.
Alles das liegt dem Jobcenter vor und wurde besprochen.
In meiner EGV steht nichts von Bewerbungsaktivitäten. Als Pflicht ist lediglich die "Wiederherstellung der körperlichen Leistungsfähigkeit" angegeben.
Ab September schließt sich die nächste teilstationäre Reha-Maßnahme über mehrere Wochen an, wird keine Besserung erzielt, so soll ich als stationärer Patient bis zu 4 Wochen einem Sanatorium zugewiesen werden.
Das alles wurde durch das Jobcenter selbst so festgelegt, außerdem soll zum Jahresende hin eine erneute Begutachtung im Auftrag des Jobcenter bei einem entsprechenden Fachmediziner durchgeführt werden. Hieraus soll sich dann erst meine Belastbarkeit und Arbeitsfähigkeit ergeben.
Danach soll ich, was ich dann selbstverständlich auch machen werde, ggf. wieder Bewerbungsaktivitäten einleiten.
Soweit der bisherige Stand der Vorgeschichte.

AKTUELLER STAND:
Nun erhalte ich auf einmal dennoch Vermittlungsvorschläge für Teil- und Vollzeitstellen. Diese mit Rechtsfolgenbelehrung und der Maßgabe mich umgehend zu bewerben.
===> EIGENTLICH ERGIBT SICH HIERAUS NUR EINE EINZIGE FRAGE zum geschilderten Vorgang:
MUSS ich mich angesichts des bekannten o. a. minderen Gesundheitszustandes und laufender Reha-Maßnahmen sowie fortlaufender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen trotzdem bewerben oder nicht?
Irgendwie erscheint die eingetretene Situation kurios und sinnentleert.
JOBCENTER DAZU:
Eine telefonisch geführte Anfrage beim Jobcenter-Servicebereich ergab dort eine hörbare Verwirrtheit im Hintergrund. Möglicherweise, weil sich dort niemand zur Thematik auskannte, wurde mir gesagt, dass ich mich in jedem Fall bewerben müsse. "Es könne ja auch sein, dass das Unternehmen
mich zu einem späteren Zeitpunkt einstellt. Kopf hoch - vielleicht klappt es ja" bekam ich noch mit auf den Weg.
Die SGB-Rechtsgrundlage, nach der ich fragte, konnte man mir auch nicht nennen. "Aber das ist so ..." meinte die Mitarbeiterin dort.
Ich sehe Ihrer Nachricht mit Interesse entgegen und verbleibe
mit freundlichem Gruß

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Grundsätzlich wird der Pflichtenkanon ergänzend zu den gesetzlichen Regelung in der der EGV bestimmt und konkretisiert. Dazu gehört insbesondere das erforderliche Maß der Eigenbemühungen in der Anzahl der Bewerbungsaktivitäten. Sanktionen können u.a. dann bei Pflichtverletzungen verhängt werden, wenn u.a. erwerbsfähige Leistungsempfänger sich weigern, in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Absatz 3 Satz 3 festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen (§ 31 Abs. 1 S. 1, Nr. 1 SGB II ).
Des Weiteren bestimmt § 31 Abs. 1, S. 2 SGB II , dass dies nicht gilt, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen. Wenn Sie gesundheitlich grundsätzlich in der Lage sind, Bewerbungen zu schreiben, könnte darin grundsätzlich eine Pflichtverletzung gesehen werden. Fraglich ist dabei, ob Sie dann auch bei erfolgreicher Bewerbung diese Tätigkeit aufgrund Ihres Gesundheitszustands ausüben können. Grundsätzlich begründet sich die Sanktionsregelung des § 31 SGB II darauf, dass Leistungsempfänger nicht alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Reduzierung der Hilfebedürftigkeit ergreifen. Wenn Ihnen aber aufgrund Ihrer bekannten gesundheitlichen Einschränkungen gerade diese Möglichkeiten nicht gegeben sind (z.B. Antritt einer bestimmten Arbeitsstelle bei erfolgreicher Bewerbung) kann eine mangelnde Mitwirkung grundsätzlich auch nicht vorgehalten werden. Dies sofern nachgewiesen ist bzw. glaubhaft dargelegt ist, dass die Tätigkeit, um deren Ausübung sich beworben werden soll, aus körperlichen oder seelischen Gründen derzeit gar nicht ausgeübt werden kann. Nach dem Sanktionsgedanken des § 31 SGB II darf dann die Nichterfüllung dieser Mitwirkungsobliegenheit grundsätzlich nicht (mehr) sanktioniert werden. Ihr Gesundheitszustand sollte insoweit einen wichtigen Grund im Sinne des § 31 Abs. 1, S. 2 SGB II darstellen, sofern Tätigkeiten betroffen sind, die Sie derzeit aufgrund des Gesundheitszustandes nachweislich nicht ausüben können.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Rückfrage vom Fragesteller 29. August 2016 | 18:55

Guten Tag Herr Winkler,
Ihre verständliche Antwort war hilfreich und hat mir vom Grundsatz her schon geholfen. Vom Grundsatz her entnehme ich Ihren Schilderungen, dass ich mich wegen diverser "Unwägbarkeiten" und Sanktionsgefahr vorsichtshalber doch bewerbe, obwohl es nichts bringt. ---
Dennoch abschließend Fragen dazu. Ich habe für diverse Betätigungen und physische Belastungen Tätigkeitsausschlüsse. In drei Gutachten von verschiedenen Stellen schriftlich niedergelegt und dem Amt vorliegend. Wenn nun Stellenangebote eingehen, in denen das Berufsbild die Tätigkeiten A, B, C, D und E beinhaltet und mir jedoch A und B durch Gutachten grundsätzlich untersagt sind; müsste ich mich dann trotzdem bewerben, weil ich ja C, D und E ausüben könnte? ---
Auch der Medizinische Fachdienst der Bundesagentur für Arbeit stellte fest, das z. Zt. die tägliche Arbeitsfähigkeit (also, wenn ich nicht arbeitsunfähig geschrieben wäre) auf 3 (oder 4 Stunden - ich habe die Akte im Moment nicht zur Hand) pro Tag begrenzt ist. Muss ich mich dann trotzdem für Vollzeitstellen bewerben, obwohl amtlicherseits festgestellt wurde, das mir das gar nicht möglich ist?
Vielleicht könnten Sie mir dies noch beantworten. Vielen Dank.
Mit freundlichem Gruß

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 29. August 2016 | 19:05

DieTätigkeit sollte vollständig von Ihnen ausführbar sein. Einschränkungen in bestimmten Tätigkeitsbereich einer Tätigkeit führt letztlich grundsätzlich dazu, dass die Tätigkeit in der Regel von Ihnen nicht ausführbar ist. Dies wäre allerdings am Einzelfall zu prüfen. Die Frage wird sein, ob wesentliche Wesensmerkmale der Tätigkeit betroffen sind.
Wenn Sie durch Gutachten auf eine tägliche Arbeitszeit von 3 Stunden aufgrund gesundheitlicher Gegebenheiten begrenzt sind, können Sie faktisch nicht Vollzeit arbeiten. Dies begründet insoweit eine subjektive Leistungsunmöglichkeit, die ausserhalb Ihres Verschuldens liegen dürfte.

Bewertung des Fragestellers 29. August 2016 | 19:22

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Sehr geehrter Herr Winkler,
Sie bekommen von mir die volle Punktzahl, weil Ihre Antwort in allen Punkten hilfreich ist und ich auch gleich die Hinweise auf anhängende in Verbindung stehende § von Ihnen erhalten habe.
Mit freundlichem Gruß

Das zweite Thema, bzw. Ihre Antwort auf den anderen Vorgang muss ich noch aufarbeiten und verdauen. ;-) Ich melde mich ggf. noch dazu.

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