Gerne zu Ihrem Fall:
1. Muss ich für die Schätzungen gerade stehen?
Grundsätzlich sind Sie nicht verpflichtet, für fehlerhafte Schätzungen des Stromverbrauchs zu zahlen, insbesondere wenn diese auf einem Fehler des Netzbetreibers oder Energieversorgers beruhen. In Ihrem Fall wurde der Zähler im Juli 2022 ausgetauscht und es wurde Ihnen mündlich mitgeteilt, dass der neue Zähler die Daten selbst online überträgt. Da Sie nicht darüber informiert wurden, dass der Zähler keine Daten übermittelt, und der Energieversorger ebenfalls keine Information darüber erhalten hat, liegt hier ein Versäumnis des Netzbetreibers vor.
Gemäß den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vieler Energieversorger, wie wohl auch in Ihrem Fall, hätte der Versorger Sie auffordern müssen, den Zählerstand selbst abzulesen und zu übermitteln, wenn keine Daten übermittelt werden. Da dies nicht geschehen ist, haben Sie gute Argumente, um gegen die fehlerhaften Schätzungen vorzugehen.
Sie hätten nämlich unverzüglich darüber informiert werden müssen, dass der Zählerstand geschätzt wird. Dass Sie diese Information nicht erhielten, erachte ich als eine weitere Pflichtverletzung. Laut § 40 Abs. 2 Nr. 6 EnWG müssen Verbraucher exakt über Zählerstände und die entsprechenden Berechnungen informiert werden.
Geht das aus dem Betreiber bzw. dem Energielieferanten zurechenbaren Gründen nicht, muss die Schätzung zumindest angekündigt werden und dann am bisherigen Verbrauch ausgerichtet, angemessen angepasst werden.
2. Nehme ich die Schlichtung an, kann ich trotzdem gerichtlich dagegen vorgehen?
Die Annahme eines Schlichtungsergebnisses bedeutet in der Regel, dass Sie sich mit der vorgeschlagenen Lösung einverstanden erklären und auf weitere rechtliche Schritte verzichten. Die Annahme bedeutet nicht, dass Sie auf den Rechtsweg verzichten. Sie könnten theoretisch weiterhin klagen, allerdings wird in diesem Fall die Vereinbarung aus dem Schlichtungsverfahren unter Umständen als Vergleich gewertet, auf den Sie sich dann im Gerichtsverfahren nicht mehr berufen können. Ein Gericht könnte dies so auslegen, dass Sie das Ergebnis als fair und akzeptabel betrachtet haben. *)
Es ist jedoch möglich, dass die Schlichtungsstelle eine für beide Seiten akzeptable Lösung vorschlägt, die Ihnen entgegenkommt. Wenn Sie das Schlichtungsergebnis annehmen, sollten Sie sicherstellen, dass alle Ihre Bedenken und Forderungen berücksichtigt werden.
Falls Sie das Schlichtungsergebnis ablehnen, steht Ihnen grds. der Weg zu einer gerichtlichen Klärung offen, siehe aber oben *) Sie könnten dann vor Gericht gegen die fehlerhaften Schätzungen und die daraus resultierenden Rechnungen vorgehen. Es wäre wichtig, alle relevanten Dokumente und Korrespondenzen sorgfältig zu dokumentieren und gegebenenfalls einen Anwalt hinzuzuziehen, um Ihre Interessen bestmöglich zu vertreten.
Da erhebliche finanzielle Beträge im Raum stehen und die rechtliche Lage komplex ist, sollten Sie erwägen, einen Rechtsanwalt (m./w.) einzuschalten, der auf Energiewirtschaftsrecht spezialisiert ist. Dieser kann Ihre Erfolgsaussichten auf der Basis einer vollständigen Aktenlage bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung präziser einschätzen und Ihnen konkrete Handlungsempfehlungen geben.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer
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