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Ablehnung Schöffenamt LG

22. November 2023 21:51 |
Preis: 53,00 € |

Verwaltungsrecht


Beantwortet von


00:33

Zusammenfassung

Bei der Prüfung der Frage, ob ein Schöffe verhindert ist, soll ein strenger Maßstab angelegt werden. Bedeutung und Gewicht des Schöffenamtes verlangen, dass der Schöffe berufliche und private Interessen zurückstellt, wenn und soweit es ihm möglich oder zumutbar ist.

Wie geht man am Besten vor, wenn man das Schöffenamt (Hauptschöffe am LG Grosse Strafkammer mit Brief von heute) vor dem ersten Termin ablehnen will. Gibt es da Formulierungshinweise oder ähnliches?
Ich bin ledig ohne Kinder, muss mich aber in absehbarer Zeit um meine Eltern kümmern, die 90 Minuten entfernt leben. Ich habe mich zwar selber beworben, was unbedarft geschah. Ich befürchte jedoch das Pensum nicht zu schaffen bzw. die notwendige private und berufliche Flexibilität zu verlieren.
Weiss jemand Rat?

22. November 2023 | 22:27

Antwort

von


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Gerne zu Ihrer Frage, deren Beantwortung ich die allgemeine Rechtslage voranstellen möchte:

Zur „Schöffenentbindung" gibt es mannigfaltige Rechtsprechung, woran man schon sehen kann, dass Sie nicht allein mit Ihrem Problem sind.

„Allerdings muss bei der Prüfung der Frage, ob ein Schöffe verhindert ist, ein strenger Maßstab angelegt werden. Bedeutung und Gewicht des Schöffenamtes verlangen, dass der Schöffe berufliche und private Interessen zurückstellt, wenn und soweit es ihm möglich oder zumutbar ist. Die Rechtsprechung macht dabei einen Unterschied zwischen einem beabsichtigten Urlaub und beruflichen Verhinderungsgründen (vgl. BGH NJW 1977, 443 ). In der Wahrnehmung einer beruflichen Aufgabe wird sich der Schöffe nicht selten vertreten lassen können; häufig wird es sich dabei auch um eine verhältnismäßig kurze Abhaltung handeln, die verschoben oder durch eine Unterbrechung der Verhandlung nach § 229 StPO Rechnung getragen werden kann" OLG Hamm, Beschluß vom 28. 5. 2001 - 2 Ss 400/01

Oder BGH, Urt. v. 4.2.2015 − 2 StR 76/14 (LG Frankfurt/Main):

„Nächster vorgesehener Hilfsschöffe zu diesem Zeitpunkt war H., der am 28. Juni 2013 telefonisch mitteilte, dass er bereits am 23. August 2011 nach Hanau umgezogen sei. Er habe nicht gewusst, dass er nicht mehr als Schöffe in Frankfurt am Main tätig sein dürfe. Eine noch am selben Tag veranlasste elektronische Abfrage der Meldedaten bestätigte den Umzug des Hilfsschöffen, der daraufhin durch Verfügung des Vorsitzenden „nach §§ 77 III, 54 GVG antragsgemäß" von der Dienstleistung entbunden wurde, an der er durch unabwendbare Umstände gehindert sei.
Für ihn rückte die Hilfsschöffin R. nach, die nach einem Hinweis auf einen Urlaub vom 3. bis 19. Juli 2013 durch weitere Verfügung des Vorsitzenden vom 2. Juli 2013 gleichfalls von der Dienstleistung befreit wurde. Als Ersatz geladen wurde sodann der Hilfsschöffe Hi.. Dieser teilte am 3. Juli 2013 telefonisch mit, seine Firma sei durch die Urlaube verschiedener Mitangestellter so ausgedünnt, dass er nicht entbehrlich sei und seine Vertretung nicht möglich sei. Dies veranlasste den Vorsitzenden, auch den Hilfsschöffen Hi. von seiner Dienstleistungspflicht zu entbinden. An seine Stelle trat die Hilfsschöffin Z. , die an der Hauptverhandlung gegen den Angekl. teilnahm.

Aus den Gründen:
2. Die Verfahrensbeanstandung hat Erfolg. Das erkennende Gericht war in der Person der Hilfsschöffin Z. im Sinne von § 338 Nr. 1 StPO nicht ordnungsgemäß besetzt. Denn die Entbindung des Hilfsschöffen Hi. war durch das Gesetz nicht gedeckt und erweist sich bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken zum Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 I 2 GG ) als nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar (vgl. BVerfG, NJW 2005, 2689 , 2690). Zitatende.

Insbesondere am letzteren Verfahren mögen Sie erkennen, welche Folgen das Ausbleiben eines Schöffen bzw. die nicht ordnungsgemäße Ersatzbestellung einer Hilfsschöffin hat; hier die Befassung der Sache (Verfahrensbeanstandung) durch den BGH bis hin zu diesem Ergebnis:

„Der Verfahrensfehler führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, ohne dass es noch auf die erhobenen sachlich-rechtlichen Einwendungen ankommt".

(Zitatende)

Zu Ihrem konkreten Fall:

Sie können beantragen vom Schöffenamt entbunden zu werden, wenn Sie triftige Gründe dafür haben. Die Pflege von Angehörigen oder eine hohe berufliche Belastung können solche Gründe sein. Sie sollten Ihre Ablehnung schriftlich begründen und an das Gericht senden, das Sie zum Schöffenamt berufen hat.


Ein Muster für ein solches Schreiben könnte folgendermaßen aussehen:


Adresse
Absender
ggf. Az.
Datum

"Mit Schreiben vom (Datum) wurde ich zum Schöffen für die Amtsperiode (Jahreszahl) bis (Jahreszahl) berufen. Hiermit teile ich Ihnen mit, dass ich das Amt aus persönlichen Gründen nicht antreten kann

Ich habe mich ursprünglich für das Schöffenamt beworben, da ich mich gerne ehrenamtlich engagiere und einen Beitrag zur Rechtsprechung in unserer Gesellschaft leisten wollte. Allerdings hat sich meine persönliche Situation seit meiner Bewerbung geändert. Meine Eltern sind inzwischen auf meine Unterstützung angewiesen und ich muss mich in absehbarer Zeit intensiv um ihre Pflege kümmern. Da sie 90 Minuten entfernt wohnen, ist dies mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden.


(Falls möglich: Glaubhaftmachung durch Belege, z.B: Pflegstufen etc.)

Zudem befürchte ich, dass das Schöffenamt meine berufliche Flexibilität einschränken würde. Ich bin in meinem Beruf auf eine hohe Flexibilität angewiesen und muss oft kurzfristig auf Veränderungen reagieren können. Ich befürchte, dass ich diese Flexibilität durch die regelmäßigen Gerichtstermine nicht mehr gewährleisten könnte.

(wie oben: Beschreiben Sie besondere Belastungen/Anforderungsprofil Ihres Berufs)

Ich bitte Sie daher um Entbindung von dem Schöffenamt um Verständnis für meine Entscheidung und hoffe, dass Sie einen geeigneten Ersatz für mich finden können.


Unterschrift
(Ihr Name)


Bitte beachten Sie, dass dieses Muster nur ein Vorschlag ist und an Ihre individuelle Situation angepasst werden muss. Es ist wichtig, dass Sie Ihre Gründe für die Ablehnung des Schöffenamts ausführlich und nachvollziehbar darlegen.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer

Rückfrage vom Fragesteller 22. November 2023 | 22:56

Vielen Dank für Ihre Antwort. Wie könnte man sich bei Ablehnung des Antrages weiter gegen das Amt "wehren"?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 23. November 2023 | 00:33

Gerne zu Ihrer Nachfrage:

Lesen Sie zunächst gerne meine Ausführungen an andere Stelle zu diesem Thema:
https://www.frag-einen-anwalt.de/Ablehnung-des-Schoeffenamtes--f339183.html

Ansonsten ist es so, dass nach den §§ 28 - 58 folgendes gilt:

Zitat:
§ 35
Die Berufung zum Amt eines Schöffen dürfen ablehnen:
(...)
5. Personen, die glaubhaft machen, daß ihnen die unmittelbare persönliche Fürsorge für ihre Familie die Ausübung des Amtes in besonderem Maße erschwert;
6. Personen, die das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet haben oder es bis zum Ende der Amtsperiode vollendet haben würden;
7. Personen, die glaubhaft machen, daß die Ausübung des Amtes für sie oder einen Dritten wegen Gefährdung oder erheblicher Beeinträchtigung einer ausreichenden wirtschaftlichen Lebensgrundlage eine besondere Härte bedeutet.


Zitat:
§ 52 GBG (...)

(2) Auf seinen Antrag ist ein Schöffe aus der Schöffenliste zu streichen, wenn er
1. seinen Wohnsitz im Amtsgerichtsbezirk, in dem er tätig ist, aufgibt oder
2. während eines Geschäftsjahres an mehr als 24 Sitzungstagen an Sitzungen teilgenommen hat.
Bei Hauptschöffen wird die Streichung nur für Sitzungen wirksam, die später als zwei Wochen nach dem Tag beginnen, an dem der Antrag bei der Schöffengeschäftsstelle eingeht. Ist einem Ersatzschöffen eine Mitteilung über seine Heranziehung zu einem bestimmten Sitzungstag bereits zugegangen, so wird seine Streichung erst nach Abschluß der an diesem Sitzungstag begonnenen Hauptverhandlung wirksam.
(4) Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.


Zitat:
§ 53 GVG

(1) Ablehnungsgründe sind nur zu berücksichtigen, wenn sie innerhalb einer Woche, nachdem der beteiligte Schöffe von seiner Einberufung in Kenntnis gesetzt worden ist, von ihm geltend gemacht werden. Sind sie später entstanden oder bekannt geworden, so ist die Frist erst von diesem Zeitpunkt zu berechnen.
(2) Der Richter beim Amtsgericht entscheidet über das Gesuch nach Anhörung der Staatsanwaltschaft. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.


Zitat:
Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)
§ 54 GVG
(1) Der Richter beim Amtsgericht kann einen Schöffen auf dessen Antrag wegen eingetretener Hinderungsgründe von der Dienstleistung an bestimmten Sitzungstagen entbinden. Ein Hinderungsgrund liegt vor, wenn der Schöffe an der Dienstleistung durch unabwendbare Umstände gehindert ist oder wenn ihm die Dienstleistung nicht zugemutet werden kann.
(2) Für die Heranziehung von Ersatzschöffen steht es der Verhinderung eines Schöffen gleich, wenn der Schöffe nicht erreichbar ist. Ein Schöffe, der sich zur Sitzung nicht einfindet und dessen Erscheinen ohne erhebliche Verzögerung ihres Beginns voraussichtlich nicht herbeigeführt werden kann, gilt als nicht erreichbar. Ein Ersatzschöffe ist auch dann als nicht erreichbar anzusehen, wenn seine Heranziehung eine Vertagung der Verhandlung oder eine erhebliche Verzögerung ihres Beginns notwendig machen würde. Die Entscheidung darüber, daß ein Schöffe nicht erreichbar ist, trifft der Richter beim Amtsgericht. § 56 bleibt unberührt.
(3) Die Entscheidung ist nicht anfechtbar. Der Antrag nach Absatz 1 und die Entscheidung sind aktenkundig zu machen.


Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen Überblick verschaffen. Versuchen Sie das Gericht im Sinne dieser §§ mit fundierten Argumenten davon zu überzeugen, Sie von dem Amt zu entbinden.

Hier finden Sie weitere hilfreiche Informationen:
https://www.landgericht-hannover.niedersachsen.de/startseite/informationen_und_download/informationen_fur_schoffen/informationen-fuer-schoeffen-58717.html

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