Kontopfändung wg. 37,50 €(!) Säumniszuschläge! Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ?
| 15. Februar 2006 21:17
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Beantwortet von
17:33
Sehr geehrte Rechtsanwältin, sehr geehrter Rechtsanwalt,
ich habe am 14.02.05 eine Kto-Pfändung des FA erhalten. Über 37,50 Euro offene Säumniszuschlage. Ich möchte dagegen mit allen Mitteln klagen. Bitte lesen Sie sich folgendes Schreiben durch, welches ich dem FA in diesen Tagen zustellen möchte.
Bitte geben Sie mir eine Einschätzung bzw. teilen Sie mir eine Rechtsvorschrift oder weitere Urteile mit, die mir dienlich sein könnten.Insbesondere meine ich, es exisistiert eine Regelung, dass eine Kto-Pfändung erst ab einem Rückstand von 50,00 Euro angebracht werden darf. Ich freue mich über Ihre schnelle Nachricht.Berichtigen Sie mich gern auch in meiner Annahme bzw. korrigieren Sie mich, wenn Sie der Ansicht sind, mein Rechtsempfinden wäre unrichtig.
Folgendes Schreiben habe ich vorab entworfen ( Punkt 2-4 fehlt noch) :
Unzulässigkeit bzw. Verfahrensfehler bei der Anbringung einer Kto-Pfändung für Säumniszuschläge bei der Sparkasse Westholstein i.H.v. 63,10 Euro
hier: Dienstaufsichtsbeschwerde, Widerspruch
Sehr geehrter Herr XXXXXX,
ich nehme auf unser Telefonat vom 14.02.06 Bezug und danke Ihnen für Ihre Auskünfte. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass ich nach Prüfung des Vorgangs und Rücksprache mit Juristen hier zu dem Entschluss gekommen bin, dass Ihre Pfändungs- und Überweisungs-verfügung in mehreren Punkten nicht rechtens ergangen ist.
Ich lege gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung Widerspruch ein und reiche gleichzeitig insbesondere wegen folgender Verfahrensfehler Dienstaufsichtsbeschwerde ein:
1. Missachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Anbringung der Kto-Pfändung, Unverhältnismäßigkeit bei der Auswahl des Vollstreckungsinstrumen-tariums
2. Verstoß gegen die Landesdatenschutzbestimmungen des Landes Schleswig-Holstein, Zweckbindungsgrundsatz
3. Mangelnde Vollstreckungsankündigung hinsichtlich der Angabe von offenen Forde-rungen in Höhe von 23,50 Euro
4. Sittenwidrigkeit der Kto-Pfänung, §826 BGB
, Schadenersatzanspruch
Hinsichtlich der nicht aufschiebenden Wirkung meines Widerspruchs 80(2) VwGO habe ich am 15.02.06 unter Vorbehalt eine Zahlung in Höhe von 63,10 Euro an Sie geleistet.
Sachverhalt:
Ich bin Angestellter bei XXX. Nebenberuflich habe ich ein Gewerbe angemeldet, welches ich seit nunmehr einigen Jahren in meiner Freizeit auf-baue, um dieses in absehbarer Zukunft hauptberuflich betreiben zu können. Mittlerweile schreibt mein Unternehmen bereits schwarze Zahlen und ich habe wegen der Fülle der Auf-tragserteilungen 400,00 Euro Kräfte einstellen können.
Innerhalb kürzester Zeit wurde ich nun von Auftragserteilungen „überwältigt“ und habe mein ganzes System der Buchhaltung neu ordnen müssen bzw. zum größten Teil an meinen Steuerberater XXXXX abgegeben. Ich möchte gleich von vorn herein anmerken, dass ich oftmals erst nach Mahnung meine fällige Steuerschuld beglichen habe und damit den Status als „ünpünktlicher Steuerzahler“ habe. Insofern sind auch durchaus einmal Säumnis-zuschläge entstanden, die ich, so meine bisherige Ansicht, stets beglichen habe.
Meine Buchhaltung weist für den Zeitraum vom 01.01.05 – 15.02.05 folgende Zahlungen an Sie aus:
XXXXX
(Zahlungen von mehreren Tausend Euro)
Ich habe im Zeitraum vom 01.01.05 – 15.02.05 somit einen Gesamtbetrag in Höhe von XXXXX,XX Euro an das Finanzamt gezahlt. Insbesondere die Zahlung vom 23.01.06 in Höhe von 53,00 Euro reine Säumniszuschläge habe ich geleistet, ohne diese noch weiter einer ernsthaften Prüfung zu unterziehen. Auf für Außenstehende war der SZ nicht nachvollzieh-bar. Ihre Anforderung vom 04.01.06 habe ich mit Zahlung vom 23.01.06 beglichen. Daraufhin erfolgte mit Schreiben vom 25.01.06 eine Vollstreckungsankündigung mit einer ausgewiese-nen Summe in Höhe von 23,50 Euro erhalten. Wie üblich habe ich dieses Schreiben von Ihnen für eine Überschneidung gehalten. Einer weiteren Prüfung habe ich es nicht unterzo-gen, da ich der Ansicht war, mit Datum vom 23.01.06 ALLE offenen Forderungen Ihrerseits beglichen zu haben…
Scheinbar waren dies nicht alle offenen Forderungen an Säumniszuschlägen.
Mit Datum vom 14.02.06 erhielt ich einen Anruf meiner X BANK X mit dem Hinweis, es wür-de eine Kto-Pfändung in Höhe von 63,10 Euro vorliegen. Ich bin bei der X BANK X als solventer und zuverlässiger Kunde bekannt. Aus diesem Grund gab man mir die Möglichkeit, die Angelegenheit telefonisch mit Ihnen zu klären. Die Summe in Höhe von 63,10 war im Übrigen vollkommen neu für mich, zumal ich mich zu diesem Zeitpunkt allen-falls an die Vollstreckungsankündigung in Höhe von 23,50 Euro erinnern konnte.
Ich habe daraufhin mit Ihnen ein Telefonat geführt und Sie um Angabe der Summen zu die-ser Kto-Pfändung gebeten. Hier haben Sie u.a. aufgeschlüsselt, es handele sich um die of-fenen 23,50 Euro Säumniszuschläge aus der Vollstreckungsankündigung zzgl. 14,00 Euro Säumniszuschläge aus einer langer Zeit zurückliegenden Mahnung für KFZ – Steuer, die Sie „noch gefunden“ haben und dann „natürlich mit rein genommen haben“ (in die Kto-Pfändung), wenn Sie schon eine machen… dieses sei so üblich in Ihrem Vollstreckungsver-fahren. Meine Ansicht, dass in einem Vollstreckungsverfahren doch zumindest vorab eine Mitteilung über die gesamte noch offene Forderung zu erfolgen hat, haben Sie leider nicht mit mir teilen können, wohl aber haben Sie sich bereiterklärt, mir noch eine Aufstellung im Nachhinein per Post zukommen zu lassen. Ich halte daneben hier fest, dass es sich somit um eine Forderung von insgesamt 37,50 Euro gehandelt hat, die rein aus anscheinend auf-gelaufenen und zusammengesuchten Säumniszuschlägen entstand, ohne dass daneben überhaupt eine Hauptforderung zugrunde lag. Daneben wurden mir nur 23,50 Euro per Voll-streckungsankündigung vom 25.01.06 mitgeteilt. Einen Betrag von über 50,00 Euro, genauer also 63,10 Euro lt. Kto-Pfändung, erreichen Sie dadurch, dass Sie zu den 37,50 Euro noch eine Gebühr (Gebühr auf Gebühr) für die Kto-Pfändung in Höhe von 25,60 Euro zum Soll gestellt haben. Das ich eine Kto-Pfändung für einen solchen Betrag und für eine solche Summenkonstellation und den gesamten Vorgang für bedenklich und für rechtlich nicht ein-wandfrei halte, haben Sie nicht nachvollziehen können. Auf meine Frage hin, wieso Sie eine Kto-Pfändung bei der Sparkasse Westholstein angebracht haben, haben Sie mitgeteilt, dass Ihnen viele Informationsmöglichkeiten wie diese und auch noch ganz andere zur Verfügung stehen, um vom Schuldner eine Zahlung zu erzwingen. Sie gaben dabei an, mein Kto bei der Sparkasse Westholstein aus Ihrer EDV – Anlage ersehen zu haben, da ich dieses „wohl mal bei einer KFZ-Steuer-Erstattung oder so“ angegeben habe. Ich habe Sie hier auf den Zweckbindungsgrundsatz des Landesdatenschutzes in Schleswig-Holstein hingewiesen. Leider haben Sie auch hier meine Ansichten nicht teilen können, sodass ich mich in diesem Falle auch an den Landesdatenschutz Schleswig-Holstein in Kiel wenden muss, um eine Klärung herbeizuführen, ob Ihr Handeln der Rechtmäßigkeit entspricht.
Begründung zu 1.
Missachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Anbringung der Kto-Pfändung, Unverhältnismäßigkeit bei der Auswahl des Vollstreckungsin-strumentariums
Die Kontopfändung ist eines der schwersten Geschütze der Gläubiger gegen Schuldner. Unter Umständen kann es mit einer solchen Pfändung zu ernsthaften Problemen bis hin zur Existenzvernichtung (z.B. Verlust der Wohnung, wodurch u.U. der Arbeitsplatz verloren geht usw.) kommen. Daneben wird es teilweise unmöglich einen Handyvertrag abzuschließen, erhebliche Schwierigkeiten bei einer Darlehensbeantragung für ein Haus oder den weiteren Aufbau einer Firma.
Eine Kontopfändung ist immer eine große Blamage für den Bankkunden und viele Banken schließen danach das Konto des Schuldners, was unabsehbare Folgen bis hin zur Arbeitslo-sigkeit haben kann. Viele Kontopfändungen wurden bereits von der untersten Instanz, den Finanzgerichten, bis hin zum Bundesfinanzhof als unverhältnismäßig kritisiert.
Hier soll auch der Bund der Steuerzahler genannt sein, der bereits seit langem die das Ver-fahren der Finanzämter kritisiert. Zu oft und wegen zu geringer Geldbeträge werden von Fi-nanzämtern Kontopfändungen durchgeführt, die den Betroffenen nur vermeidbaren Schaden zufügen. Pfändungen wegen nur ein paar Hundert Euro stehen hier im Zentrum der Kritik.
Ich halte die Anbringung der Kontopfändung für unverhältnismäßig bezogen auf den Rück-stand von 23,50 Euro (angekündigt) bzw. 37,50 Euro GESAMT nach Aufnahme alter Säum-niszuschläge. Den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sehe ich evident missachtet.
Für eine Unverhältnismäßigkeit der Pfändungs- und Überweisungsverfügung spricht hier ferner, dass sie für mich zu erheblichen Beeinträchtigungen zu führen drohte, während es für das Finanzamt nur um eine vergleichsweise geringe Forderung an aufgelaufenen Säumnis-zuschlägen ging.
(vgl. zur Unverhältnismäßigkeit einer Kontopfändung wegen der Auswirkungen für den Schuldner und geringer Vollstreckungsforderung (DM 353,70) auch VG Münster, Beschluss vom 05. Mai 2000, 6 L 516/00
, KKZ2001, 255; ferner App, Verwaltungsvollstreckungsrecht, 1989, Rn. 616.)
Kontopfändungen haben für den Schuldner regelmäßig erhebliche Auswirkungen, vgl. VG Münster a.a.O., bzw. FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 18. Februar 2000, KKZ 2001,111
Ich habe hinnehmen müssen, dass die Drittschuldnerin die Verfügungsmöglichkeiten über das Girokonto vorläufig eingeschränkt hat - also nunmehr vermutlich auch keinen (weiteren) Dispositionskredit mehr einräumen würde - und Daueraufträge gelöscht hat. Vor allem aber kann die Drittschuldnerin die Kündigung des Girokontos veranlassen. Es sei dahingestellt, ob eine solche Kündigung rechtens wäre, Zweifel könnten sich insoweit daraus ergeben, dass es sich bei der Drittschuldnerin nicht um eine private Bank, sondern um eine Sparkasse handelt; vgl. AG St. Ingbert, Beschluss vom 14. April 2004, 5 M 67/02
.
Ich bin zunächst einmal dieser Gefahr ausgesetzt. In diese Lage dürfte es kaum möglich sein, bei einer anderen Bank ein Girokonto zu eröffnen, zumal die Kündigung der Schufa mitgeteilt werden dürfte. Ohne Girokonto wäre ich erheblichen Nachteilen ausgesetzt.
Diese Gefahr wurde von Ihnen bei der Verwirklichung Ihrer 37,50 Euro billigend in Kauf ge-nommen. Die zwar nicht immer „pünktliche“ Zahlung der Gesamtsumme von XXXXX,XX Euro im Zeitraum 01.01.05-15.02.06 haben Sie dabei ebenfalls nicht berücksichtigt.
Eine Frage inmitten dieses Schreibens an Sie persönlich, Herr XXXXX:
Halten Sie Ihre weit reichende Vollstreckungsmaßnahme , eine Kto-Pfändung für 37,50 Euro Säumniszuschlag bei der Betrachtung der Gesamtsituation tatsächlich für angemessen ?? Halten Sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für gewahrt ?
Wie das FG bereits richtig erkannt hat, muss die Vollstreckungsbehörde bei Erlass von (grundsätzlich in ihr Ermessen gestellten) Vollstreckungsmaßnahmen den Verhältnismäßig-keitsgrundsatz beachten (vgl. u.a. Entscheidungen des Senats vom 24. September 1991 VII R 34/90
, BFHE 165, 477
, BStBl II 1992, 57
, und vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90
, BFH/NV 1991, 787
).
Dieser Grundsatz verlangt von ihr insbesondere auch, dem schutzbedürftigen Interesse des Vollstreckungsschuldners, dass anderen seine Steuerschulden nicht bekannt werden, Re-chung zu tragen.
Fazit:
Sie haben den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorsätzlich missachtet, um Ihre Forderung „schnell und für Sie unkompliziert“ zu verwirklichen. Daneben haben Sie ein unangemesse-nes Vollstreckungsinstrumentarium verwendet; die Kontopfändung.
Angemessen wäre hier eine (ohnehin nicht erfolgte) Gesamtaufstellung, eine erneute Auffor-derung zur Zahlung im nächsten Bescheid, eine weitere Vollstreckungsankündigung mit ge-naueren Daten, oder zumindest der Versuch einer Sachpfändung, die einer Kto-Pfändung auf jeden Fall vorausgehen sollte.
Punkt 2 - 4 folgt....
Mit freundlichen Grüßen