Sehr geehrter Fragesteller,
gern beantworte ich Ihre Frage unter Berücksichtigung des geschilderten Sachverhaltes sowie des Einsatzes wie folgt:
Zunächst muss ich Ihnen mitteilen, dass es sich bei der Frage nach der Kostenübernahme für die (PEP) bei HIV um einen höchst umstrittenen und neuen Fragekomplex handelt und dass ich Ihnen daher auch keine unumstößlichen Antworten diesbezüglich liefern kann. Ich kann jedoch versuchen, Ihnen das komplizierte System der Kostenerstattung für derartige Leistungen durch die GKV zu erklären.
Zunächst ist bereits die Einordnung der Postexpositionsprophylaxe noch unklar.
Wie Sie bereits wissen, wird es größtenteils abgelehnt, diese Behandlung als Schutzimpfungsmaßnahe im Sinne der Schutzimpfungsrichtlinie zu betrachten, weil die Patienten bei der hier in Rede stehenden und begehrten Postexpositionsprophylaxe sozusagen bereits erkrankt sind. Daher kann man wohl eher nicht mehr von einer Vorsorgebehandlung sprechen.
Viel eher wird in Betracht gezogen, die Postexpositionsprophylaxe als Krankenbehandlung im Sinne von § 27 SGB V
aufzufassen.
Daher resultier auch die nun verbesserte Situation der möglichen Erstattungsfähigkeit. Denn mit dem sogenannten Nikolaus-Beschluss des Bundessozialgerichtes hat sich was die Erstattungsfähigkeit von „nicht anerkannten Behandlungsmethoden“ ein wenig verbessert.
Mit einfachen Worten dargestellter Hintergrund ist folgender:
Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden werden durch die Gesetzliche Krankenversicherung gem. § 135 SGB V
nur dann bezahlt, wenn der „Gemeinsame Bundesausschuss“ (Ausschuss der verschiedenen Organe der GKV-Leistungserbringer – nähere gesetzliche Grundlagen dazu in § 91 SGB V
) die Behandlung in seinen speziellen Richtlinien anerkannt hat.
Bei nicht anerkannten Behandlungen ist es so gut wie unmöglich gewesen, die Behandlung von der Kasse bezahlt zu bekommen.
In der besagten Entscheidung hat das Gericht nun folgendes festgelegt:
Die Kosten einer Behandlung sind trotz der fehlenden Anerkennung auch dann zu tragen, wenn
a. wenn es sich um die Behandlung einer meist lebensbedrohlichen Krankheit handelt
b. eine andere Behandlungsmethode für diese Krankheit nicht gegeben ist
c. und eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht besteht, dass die Behandlung wenn nicht Heilung, dann doch zumindest Linderung der Beschwerden des Patienten herbeiführt
Weitere Informationen hierzu unter: http://www.ruhr-uni-bochum.de/ifs/forschung_projekte/Nikolaus-Beschluss%20und%20Sozialgerichtsbarkeit.pdf
Wann die genannten Kriterien erfüllt sind, diese Frage ist allerdings noch nicht hinreichend durch entsprechende Urteile geklärt worden.
Daher ist es nicht möglich, Ihre Frage, ob die begehrte Behandlung nun bezahlt werden muss, eindeutig zu beantworten.
Einen entsprechenden Antrag mit dem Hinweis auf den Beschluss des BSG vom 6. 12. 2005 gegenüber Ihrer Krankenkasse sollten Sie in jedem Fall erneut stellen.
Sodann kann ich Ihnen nur empfehlen, Ihr Anliegen mittels juristischer Hilfe einzuklagen um so evtl. auch einen Präzedenzfall zu schaffen.
Was die „deutsch-österreichischen Empfehlungen zu PEP“ angeht, so handelt es sich hierbei um eine sogenannten Richt- bzw. Leitlinie für die Behandlung im Wege der Postexpositionsprophylaxe (PEP) bei HIV.
Derartige Leitlinien haben jedoch im deutschen Medizinrecht keine Bindungswirkung.
Das Problem an Richtlinien ist ja folgendes: Gute (und damit nachhaltig recherchierte und erprobte) Richtlinien sind meist veraltet – neuere Richtlinien sind meist noch zu wenig ausdiskutiert und verbreitet und damit „schlecht“.
Für die Kostenerstattung haben diese Empfehlungen für das Organ, auf das es bei der Frage ankommt, nämlich den Gemeinsamen Bundesausschuss, keine Bindungswirkung.
Derzeit ist mir nicht bekannt, ob die Frage nach der Kostenerstattung für die Postexpositionsprophylaxe demnächst beim Gemeinsamen Bundesausschuss behandelt wird.
Informationen hierüber erlangen Sie am besten unter www.g-ba.de.
Gesetzesänderungen sind derzeit nicht geplant.
Was Ihre letzte Frage bzgl. der Subsumtion unter die §§ 27
, 23 SGB V
angeht, so gebe ich Ihnen grundsätzlich Recht, dass die von Ihnen begehrte Behandlung unter die in den Normen genannten Voraussetzungen einzuordnen ist.
Diese Normen werden allerdings durch die §§ 135
, 138
ff. SGB V sowie der § 91 SGB V
und weiteren ausgeformt.
Es geht bei der Materie stets darum einen Ausgleich zwischen den verschieden Interesen zu finden. Auf der einen Seite das Interesse an der bestmöglichen Versorgung der Versicherungsnehmer gegenüber dem Interesse an der Beitragsstabilität in der GKV.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen die Probleme auf diesem Gebiet ein wenig näher bringen und Ihnen damit ein wenig weiterhelfen.
An dieser Stelle sei der Hinweis erlaubt, dass diese Internetplattform eine eingehende, rechtliche Beratung nicht ersetzen kann, sondern vielmehr der ersten rechtlichen Orientierung dienen soll.
Das Hinzufügen oder Weglassen von Informationen kann das Ergebnis der juristischen Bewertung beeinflussen und sogar zu einem völlig gegensätzlichen Ergebnis führen.
Gern können Sie mich bei Rückfragen oder einer gewünschten Interessenvertretung kontaktieren.
Antwort
vonRechtsanwalt Mathias Drewelow
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Tel: 0381 51050515
Web: https://www.mv-recht.de
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Rechtsanwalt Mathias Drewelow
Fachanwalt für Familienrecht
Sie schreiben
"Viel eher wird in Betracht gezogen, die Postexpositionsprophylaxe als Krankenbehandlung im Sinne von § 27 SGB V
aufzufassen.
Daher resultier auch die nun verbesserte Situation der möglichen Erstattungsfähigkeit. Denn mit dem sogenannten Nikolaus-Beschluss des Bundessozialgerichtes hat sich was die Erstattungsfähigkeit von „nicht anerkannten Behandlungsmethoden“ ein wenig verbessert.
Mit einfachen Worten dargestellter Hintergrund ist folgender:
Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden werden durch die Gesetzliche Krankenversicherung gem. § 135 SGB V
nur dann bezahlt, wenn der „Gemeinsame Bundesausschuss“ (Ausschuss der verschiedenen Organe der GKV-Leistungserbringer – nähere gesetzliche Grundlagen dazu in § 91 SGB V
) die Behandlung in seinen speziellen Richtlinien anerkannt hat.
Bei nicht anerkannten Behandlungen ist es so gut wie unmöglich gewesen, die Behandlung von der Kasse bezahlt zu bekommen. .."
Sie schrieben o.g, was heisst dies nun, einerseits schreiben sie, dass das Bundessozialgericht hier einiges bessert, andererseits aber muss ein gewisser Ausschussoffenbar dem aber nach § 91 SGB V
zustimmen…
Verstehe ich hier irgendwas falsch oder hat dann das Urteil des Bundessozialgericht kein Gewicht bzw. bezieht sich das Urteil gerade auf die abgelehnte Behandlungen, die der Bundesausschuss eigentlich nicht zugelassen hat ??
So wie ich sie also verstehe, hat sich das Bundessozialgericht nunmehr über die geltende Rechtslage hinweggesetzt, vielleicht nennen sie mir besagtes Urteil noch und erklären mir, ob dies aktuell ist und auch Zugkraft hat, hergeleitet wird dies offenbar durch den von ihnen genannten § 27 SGV V
Ist das Bundessozialgericht nunmehr so zu sehen wie im Zivilrecht der BGH oder das Bundesverfassungsgericht, dass ja auch Richturteile gibt
Ist es also so, dass hier a und c in Frage kommen ?
In C steht was von Linderung aber offenbar nicht Heilung, obwohl ja die Heilungschancen bei HIV PEP bei 80 % liegen dürften.
Ich möchte noch sagen, dass dies eine rein theoretische Frage ist.
Offenbar kann man aber aus ihrer Aussage ableiten, dass man jeden raten kann, hier Präzedenzfälle zu schaffen, Petitionen zu stellen oder anderweitig zu versuchen, hier was zu erreichen.
Ich hoffe es setzt sich bald jemand dafür ein, in der Schweiz wird dies jedenfalls durch die Kassen bezahlt und wir in Deutschland leben ja nicht am Ende der Welt…
In den von ihnen genannten Link wird das Urteil offenbar sehr weit erwähnt, es heisst dort " Die Umsetzung des Nikolaus-Beschlusses durch die Sozialgerichtsbarkeit: Fortentwicklung und Widersprüche zu den Vorgaben des BVerfG
Von André Bohmeier, Andreas Penner1
I. Einleitung
Am 06.12.2005 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) aufgehoben, mit dem der erkennende BSG-Senat einen Kostenerstattungsanspruch gegen die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) abgewiesen hatte.2 Das Verfahren beruhte auf der Klage eines Mannes, der zur Behandlung der Duchenne ́schen Muskeldystrophie nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwenden ließ3 und eine auf § 13 Abs. 3 SGB V
gestützte Kostenerstattung begehrte. Es betraf eine Behandlungsmethode, die ambulant erbracht werden sollte und dem Anerkennungsvorbehalt des § 135 SGB V
unterfiel.
Diese Korrektur der bisherigen Auslegung des § 135 SGB V
durch das BVerfG stieß in der Literatur4 und der Rechtsprechung5 auf mitunter deutliche Kritik…."
Offenbar wurde das Urteil vom Bundesverfassungsgericht aber gekippt oder sehe ich das falsch ?
Sind nun anhand geahnter Paragraphen nicht anerkannten Benahdnlungsmethoden nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes akzeptiert oder nicht ?
Sie schreiben ferner " Es geht bei der Materie stets darum einen Ausgleich zwischen den verschieden Interesen zu finden. Auf der einen Seite das Interesse an der bestmöglichen Versorgung der Versicherungsnehmer gegenüber dem Interesse an der Beitragsstabilität in der GKV. …"
Das dies mit der Beitragsstabilität nicht sein kann, bestätigt doch gerade die HIV PEP, ich habe Untersuchungen gelesen, nach denen es sogar der Kasse Geld spart, wenn man HIV PEP anwenen kann, da die Patienten, wenn sie ja geheilt sind dann, keine Medikamente mehr ihr Leben brauhen und der Virus sich nicht einnisten kann und man ihn nicht ein Leben lang "klein" halten muss.
Daher dürfte dies sogar die Kassen sehr entlasten, weil ja diese Virilen Mittel nicht mehr gezahlt werden müssen, eine HIV PEP kostet ca. 1500 Euro.
Aber ein Leben lang eine HIV Erkrankung zu behandeln, wird sicher um einiges teuere für die Kasse werden...
Ich bedanke mich.
Sehr geehrter Fragesteller,
das Bundessozialgericht ist auf dem Gebiet des Sozielrechts das höchste gericht und schafft daher, wie das Bundesverfassungsgericht u. s. w. Leiturteile.Es ist so zu vestehen, dass das BSG mit dem Nikolaus-Beschluss ein anderslautendes Urteil revidiert hat - nämlich die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 15. Dezember 2004 und des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Mai 2004.
Die Vorganen des BSG sind von den Entscheidungsgremien zu beachten. Mit anderen Worten muss der GBA sich an die Vorgaben halten.
Ansonsten gilt es die Entwicklungen auf diesem Gebiet mit Interesse weiter zu verfolgen.
Vieles was auf dem Gebiet der GKV passiert erscheint nicht immer sachgerecht - gar ungerecht - ich habe nur versucht Ihnen die Problematiken und Mitspieler bei diesen Fragen zu erläutern.
mit freundlichen Grüßen
RA Drewelow