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unentgeltliche Tätigkeit Arbeitsverhältnis oder Gefälligkeitsverhältnis?

28. März 2010 16:27 |
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Arbeitsrecht


Beantwortet von

Rechtsanwältin Marion Deinzer

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich hätte gerne Klarheit über die Rechtsverhältnisse im nachfolgend beschriebenen Fall:

Im Rahmen einer Freizeitbeschäftigung wird unentgeltlich für ein Unternehmen gearbeitet, das Online-Games anbietet. Der Spielbetreiber hat auf Nachfrage die Beziehung zwischen dem Unternehmen und den unentgeltlich Tätigen als Gefälligkeitsverhältnis bezeichnet. Ist diese rechtliche Wertung korrekt oder liegt hier ein anderes Rechtsverhältnis z.B. ein Arbeitsverhältnis vor? Ein Arbeitsverhältnis hätte ja weitreichende rechtliche Folgen, z.B. Kündigungsschutz usw.

Ich bitte darum, dass Merkmale genannt werden, die zu der rechtlichen Einordnung führen und welche Umstände ggf. zu einer Abgrenzung gegenüber einem Arbeitsverhältnis führen.

Folgende Umstände prägen die Tätigkeit:

Alle 3 Monate werden regelmäßig an alle unentgeltlich Tätigen als Anerkennung für den Einsatz Gutscheine, die man in den Games des Unternehmens für besondere Spielelmente verwenden kann, im Wert von €19,98 zur Verfügung gestellt. Diese Bezahlung wird vom Spielbetreiber als Werbemaßnahme eingeordnet, über die der Spielbetreiber frei entscheide. Im Fall der unentgeltlich Tätigen würden besonders aktive und fleißige Communitymitglieder bedacht.

Die unentgeltlich Tätigen werden einmal pro Jahr zu einem geselligen Treffen eingeladen. Dabei werden Unterkunft, Getränke, Speisen und Rahmenprogramm bezahlt. Die Kosten für die Anfahrt werden nicht übernommen.

Die Arbeit wird von zu Hause aus und vom eigenen Rechner geleistet. Sie besteht darin, in einem zugewiesenen Bereich des Online-Games die Einhaltung der Spielregeln zu überwachen und den Support für die Spieler zu leisten. Support beinhaltet technischen Support ebenso wie Fragen zu den Regeln und dem Spiel allgemein.

Um unentgeltlich Tätige anzuwerben, gibt es regelmäßig Bewerbungsrunden im Online-Forum des Spiels. Die Bewerber werden in einem Selektionsverfahren ausgewählt, durchlaufen eine strukturierte Ausbildungszeit und müssen eine Abschlussprüfung bestehen. Die Selektion und Ausbildung erfolgt durch ebenfalls unentgeltlich Tätige.

Es gibt jeweils weisungsbefugte Vorgesetzte, die auch zu diesen unentgeltlichen Bedingungen tätig sind. Am Ende der Hierarchiekette steht dann ein hauptamtlicher Angestellter des Spielbetreibers.

Es werden keine festen Arbeitszeiten vorgegeben. Allerdings wird ein bestimmtes Maß an Aktivität erwartet, das in der Summe einige Stunden je Woche umfasst. Diese Aktivität und die Qualität der Arbeit werden von den jeweiligen Vorgesetzten überwacht und monatlich bewertet. Bei regelmäßig zu geringer Aktivität oder unerwünschtem Verhalten wird derjenige gefeuert.

Die unentgeltlich Tätigen müssen eine Datenschutzerklärung unterzeichnen, aus der sich zusätzlich zum § 5 BDSG eine Verpflichtung zur Geheimhaltung von spielinternen Informationen ergibt. Zusätzlich müssen Sie ihre Identität anhand der Einsendung einer Personalausweiskopie nachweisen.

Die wirtschaftliche Bedeutung der unentgeltlich Tätigen ist für den Spielbetreiber enorm. Es werden deutliche Gewinne erwirtschaftet. Es sind (nach Köpfen gemessen) mehr unentgeltlich Tätige für das Unternehmen im Einsatz als bezahlte Angestellte.

Die Aufgaben der unentgeltlich Tätigen sind für einen geordneten und wirtschaftlich erfolgreichen Spielablauf absolut erforderlich.


Sehr geehrter Fragesteller,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich Ihnen aufgrund des geschilderten Sachverhalts und unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes wie folgt beantworte:

Ob vorliegend ein Gefälligkeitsverhältnis, Auftragsrecht oder gar Dienstleistungsvertragsrecht vorliegt, ist in erster Linie daran zu messen, ob beide Parteien Rechtsbindungswillen besaßen, der auf den Abschluss eines (unentgeltlichen) Vertrags gerichtet war. Lag kein Rechtsbindungswille vor, handelt es sich um ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis.

Abgrenzungskriterien sind die Art der Tätigkeit, Zweck der Tätigkeit, die wirtschaftliche Bedeutung und die objektiv erkennbare Interessenlage der Parteien. Auch die Begleitumstände spielen eine Rolle und können zur Abgrenzung herangezogen werden.
In dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt muss vor allem die wirtschaftliche Bedeutung der Tätigkeit für den Spielbetreiber als Bemessungsgrundlage herangezogen werden. Wenn für den Begünstigten wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel stehen, lässt dies regelmäßig auf einen Rechtsbindungswillen schließen. Sie teilen mit, dass ohne die unentgeltliche Tätigkeit ein geordneter Spielablauf gar nicht möglich wäre und bedeutende Gewinne erzielt werden. Dies spricht natürlich schon für ein erhebliches wirtschaftliches Interesse des Spielbetreibers, da er auf diese Tätigkeiten wohl nicht so ohne weiteres verzichten könnte. Auch die Tatsache, dass eine Datenschutzerklärung und Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnet werden müssen sowie die Erwartung eines bestimmten Umfangs der Tätigkeit, lässt durchaus einen gewissen Rechtsbindungswillen erkennen.
Hierdurch steht aber noch nicht fest, dass zwangsläufig arbeitsvertragliche/dienstvertragliche Pflichten eingegangen werden sollen. Vielmehr sind die Vorschriften des Auftragsrechts nach den §§ 662 ff. BGB oder des Geschäftsbesorgungsvertrags (mit dienstvertraglichen Elementen) nach § 675 BGB anzuwenden. Ein Auftrag liegt dann vor, wenn der Beauftragte sich gegenüber dem Auftraggeber vertraglich verpflichtet, für diesen unentgeltlich ein Geschäft zu besorgen, § 662 BGB . Der Beauftragte könnte nach § 670 BGB lediglich die Aufwendungen, die er zum Zweck der Ausführung des Auftrags und die er nach den Umständen für erforderlich halten durfte, geltend machen. Der Auftraggeber ist dann zum Ersatz verpflichtet. Ob die gewährten Gutscheine im Wert von 19,98 Euro die getätigten Aufwendungen ersetzen, kann natürlich nur anhand des Einzelfalls beurteilt werden, dürfte aber vorliegend kaum denkbar sein. Sofern für den Spielbetreiber durch die Tätigkeit eine Geschäftsbesorgung erfolgt, ist die Vorschrift des § 675 BGB anzuwenden, die sich vom Auftrag durch die Entgeltlichkeit der Tätigkeit unterscheidet. Eine Geschäftsbesorgung ist jede selbständige wirtschaftliche Tätigkeit, die auf die Wahrnehmung fremder Interessen gerichtet ist (BGH NJW-RR 04, 989 ). Nach Ihrer Sachverhaltsschilderung liegt eine fremdnützige Tätigkeit vor, die auch einen gewissen Bezug zum Vermögen des Spielbetreibers hat, sodass hier eher von einem Geschäftsbesorgungsvertrag als von einem bloßen Auftrag auszugehen ist. Die Beweislast für die Unentgeltlichkeit der Tätigkeit trägt der Auftraggeber, also der Spielbetreiber, wenn nach den gesamten Umständen des Einzelfalles die zu erbringende Dienstleistung nur gegen Entgelt zu erwarten ist (BGH MDR 75, 739 ). Sofern keine Vergütung vereinbart wurde, ist die übliche Vergütung für entsprechende Tätigkeiten zu leisten, §§ 675 i.V.m. 611 BGB . Da vorliegend ein gewisser Umfang erwartet wird, die Tätigkeit überwacht wird und auch eine gewisse Weisungsgebundenheit besteht, halte ich hier die Regelungen des Geschäftsbesorgungsvertrags für anwendbar, sodass Ihre Tätigkeit entsprechend zu vergüten wäre. Eine Umgehung von arbeitsvertraglichen Regelungen findet dadurch jedoch noch nicht statt, da offensichtlich nur eine lockere Bindung eingegangen werden sollte. Indizien sind aber auch hier die auferlegten Pflichten und in welchem Maße das Weisungsrecht ausgeübt wird. Ich weise Sie daraufhin, dass ein Gericht diese Frage u.U. abweichend beurteilen könnte, da es vorliegend auf sämtliche Umstände des Einzelfalles ankommt.

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort zunächst weiter geholfen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen,

Marion Deinzer
(Rechtsanwältin)
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Bitte beachten Sie, dass diese Plattform lediglich zur ersten rechtlichen Orientierung dient und eine ausführliche Rechtsberatung nicht ersetzen kann. Es ist nur eine überschlägige Einschätzung Ihres Rechtsproblems aufgrund Ihrer Angaben zum Sachverhalt möglich. Durch Hinzufügen oder Weglassen von Angaben zum Sachverhalt kann sich eine ganz andere rechtliche Bewertung ergeben.

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