Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich auf Grundlage der von Ihnen mitgeteilten Informationen im Rahmen einer Erstberatung gern wie folgt beantworten möchte:
Fondsgebundene Lebensversicherung werden üblicherweise über eine bestimmte Laufzeit abgeschlossen. Erst nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Laufzeit kann über die Auszahlungssumme aus der Versicherung verfügt werden. Dabei gibt es meist die Wahl zwischen der Einmalzahlung oder einer monatlichen Rentenzahlung. Ich vermute, dass das mit der "flexiblen Leistungsphase" gemeint sein könnte. Eventuell ist die Leistungsphase aber auch in der Hinsicht flexibel, dass es einmal einen Leistungsbeginn 2059 gibt - frühester Leistungsbeginn - und daneben auch die Möglichkeit eines späteren Leistungsbeginns besteht. Eine abschließende Auskunft dazu kann allerdings ohne Einsicht in die Vertragsunterlagen nicht gegeben werden.
In dem Versicherungsvertrag ist in aller Regel enthalten, zu welchen Zeitpunkt erstmals die Versicherungsleistung verlangt werden kann. Sie müssten daher in den Unterlagen nachprüfen, ob dieser erste Leistungszeitpunkt vertraglich für das Jahr 2059 vereinbart wurde oder ob es andere Hinweise auf eine Mindestlaufzeit enthalten sind. Ist ein fester Leistungsbeginn vertraglich geregelt oder aus einer Mindestlaufzeit festgelegt, ist in aller Regel ein vorzeitiger Zugriff auf die Fondsleistung nicht möglich.
Besondere Absprachen wie zu dem von Ihnen beschriebenen früheren Zeitpunkt einer ersten Inanspruchnahme müssten daher ausdrücklich Vertragsbestandteil geworden sein. Das bedeutet, diese Absprachen müssten in nachweisbarer Form im Versicherungsvertrag enthalten sein. Nach Ihren Angaben vermute ich jedoch, dass diese Absprachen nur mündlich getroffen wurden und es dazu keine schriftlichen Dokumentationen gibt. Ob die Zeugen für den Nachweis der Zusatzabsprachen ausreichen und einen evtl. anderslautenden Vertragsinhalt widerlegen können, lässt sich nicht sicher beantworten. Die Versicherung wird sich auf den eindeutigen Vertragstext und auf die Unüblichkeit solcher Neben- oder Zusatzabsprachen berufen. Es kommt dann darauf an, wie genau sich die Zeugen noch an die Vertragsverhandlungen erinnern und die Zusatzabsprachen glaubwürdig bestätigen können. Ich habe daher gewisse Vorbehalte, ob sich Absprachen, die eigentlich nicht zum typischen Vertragsinhalt einer solchen Lebensversicherung passen, durch Zeugen ausreichend beweisen lassen. Hier müsste noch eine tiefergehende Analyse und Prüfung erfolgen.
Erschwerend könnte noch hinzukommen, dass der damalige Versicherungsvertreter verstorben ist. Damit entfällt zwar für die Versicherung ein wichtiger Zeuge, aber auch Sie können den Versicherungsvertreter nicht mehr als möglichen Zeugen benennen. Der Sachverhalt lässt sich also wahrscheinlich nur noch sehr schwer - wenn überhaupt - vollständig aufklären. Wenn Sie die Zusatzabsprachen aber nicht beweisen können, werden Sie bzw. Ihre Kinder sich auch nicht wirksam auf ein früheres Verfügungsrecht berufen können.
Eine Rückabwicklung der Versicherungsverträge wird - nicht zuletzt wegen der oben genannten möglichen Beweisschwierigkeiten - nicht so ohne Weiteres möglich sein. Hier sehe ich derzeit noch massive Probleme, einen Rückabwicklungsanspruch zu begründen.
In Betracht käme vielleicht eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Bei einer Anfechtung wäre der Vertrag von Anfang an nichtig und müsste rückabgewickelt werden.
Dazu müsste der damalige Versicherungsvertreter Sie arglistig - also bewusst - über wesentliche Vertragsinhalte getäuscht haben. Diese Täuschung müssten Sie beweisen. Eine arglistige Täuschung würde grundsätzlich dann evtl. vorliegen, wenn Sie durch bewusst falsche Beratung, Angaben oder Zusicherungen zum Vertragsabschluss "überredet" wurden. Ob hier eine arglistige Täuschung vorliegen könnte, lässt sich ohne genauere Kenntnis der damaligen Vertragsverhandlungen und der genauen Versicherungspolice nicht zuverlässig beurteilen.
Zudem ist es nach mehr als 4 Jahren sicherlich nur noch schwer nachzuvollziehen, wie die Beratung im Einzelnen damals abgelaufen ist, welche Zusagen und Aussagen der Versicherungsvertreter gemacht hat etc. Aufschluss über die Vertragsverhandlung könnten ggf. Beratungsunterlagen geben, die insoweit auf eventuelle Falschberatung oder Täuschungen zu prüfen wären. Auch hier kommt wieder erschwerend hinzu, dass der damalige Versicherungsvertreter zu den damaligen Absprachen keine Angaben mehr machen kann und die Beratungs- und Dokumentationspflichten vielleicht nicht eingehalten wurden. Es wird Ihnen daher wahrscheinlich nur schwer möglich sein, nach der langen Zeit noch eine evtl. Täuschung nachzuweisen, wenn sich keine eindeutigen Anhaltspunkte dafür schon aus den Vertragsunterlagen oder den Beratungsdokumentationen ergeben.
Dass sich die Lebensversicherung anders als von Ihnen erwartet entwickelt hat, lässt ebenfalls noch nicht automatisch auf eine arglistige Täuschung oder Falschberatung schließen. Zum einen wäre auch hier wieder zu prüfen, welche Zusagen über die Entwicklung der Fonds und der Versicherungssumme gemacht wurden. Darüber hinaus ist wahrscheinlich davon auszugehen, dass sich eine vertraglich zugesagte Fondshöhe u. U. auf den Beginn der Leistungsphase 2059 beziehen könnten. Hier müsste also eine umfassende Prüfung erfolgen, ob und wie die Fonds gewählt wurden und weshalb die Entwicklung u. U. geringer ausgefallen ist als vorausgesehen. Es wäre daher auch zu prüfen, ob das Geld vertragsgerecht und ordnungsgemäß in den Fonds angelegt wurde und ob der jetzige Stand den Vertragszusagen entsprechen könnte bzw. ob ein geringeres Fondsvermögen durch ein Fehlverhalten der Versicherung zu vertreten wäre. Diese Prüfung lässt allerdings unmöglich im Rahmen einer Erstberatung auf dieser Plattform durchführen.
Insgesamt sollten Sie Bedenken, dass Sie einen möglichen Beratungsfehler oder eine Täuschung durch den Versicherungsvertreter vollständig beweisen müssen. Ob Ihnen dieser Beweis ausreichend möglich ist, lässt sich nur nach Sichtung der Vertragsunterlagen und tiefergehender Prüfung näher und zuverlässig beurteilen. Derzeit kann nach vorläufiger Einschätzung weder bejaht noch ausgeschlossen werden, dass vielleicht eine falsche Beratung hinsichtlich der Fondentwicklung und des Leistungsbeginns erfolgt ist.
Sie sollten daher sämtliche Vertragsunterlagen (mögliche Angebote, Modellberechnungen, Prospekte, Beratungsunterlagen und natürlich die Versicherungsverträge) eingehend auf mögliche Beratungsfehler oder Täuschungen bei einem Kollegen oder einer Kollegin vor Ort prüfen lassen. Anhand dieser Prüfung und der Auswertung der Beweismöglichkeiten kann dann geklärt werden, ob eine Anfechtung des Vertrags wegen einer arglistigen Täuschung möglich ist. Ferner kann erst danach geklärt werden, ob eine Falschberatung vorgelegen hat, die jetzt noch eine Rückabwicklung des Vertrags ermöglicht. Darüber hinaus würde ein Anwalt nach Prüfung der Unterlagen auch evtl. denkbare Schadensersatzansprüche prüfen und klären können.
Bevor Sie nicht die notwendige Sicherheit haben, dass eine Rückabwicklung des Vertrags tatsächlich möglich ist und bevor Sie nicht ausreichend eine Falschberatung o. ä. nachweisen können, sollten Sie sich nicht zu diesem Punkt an die Versicherung wenden. Sollte eine tiefergehende Prüfung zu Ihren Gunsten ausfallen, würde ich Ihnen dringend anraten, sich durch den Anwalt auch gegenüber der Versicherung vertreten zu lassen. Anwälte haben gegenüber der Versicherung meist bessere Durchsetzungsmöglichkeiten als die Versicherungsnehmer.
Ich bitte um Verständnis, dass hier nur eine vorläufige Beurteilung erfolgen kann und vor dem Ergebnis einer tiefergehenden Prüfung noch keine abschließenden Ratschläge zum weiteren Vorgehen abgegeben werden können. Die Bewertung der Erfolgsaussichten sowie das weitere Vorgehen hängen ganz wesentlich von der Auswertung und Prüfung sämtlicher Vertragsunterlagen ab, so dass dazu keine seriöse Beurteilung vorgenommen werden kann.
Ich hoffe dennoch, Ihnen einen Überblick über das weitere Vorgehen und die zu erwartenden Probleme gegeben zu haben und wünsche Ihnen in der Sache viel Erfolg.
Mit freundlichen Grüßen
Silke Jacobi
Rechtsanwältin
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