Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Wenn beide Ehegatten zusammen in der Zweitwohnungen leben, wird der Sinn der Entscheidung des BVerfG verfehlt, denn es wird ja gerade davon ausgegangen, dass die Eheleute (oder die Familie auf der einen und der andernorts Berufstätige auf der anderen Seite) eben infolge der auswärtigen Berufstätigkeit getrennt werden. Deshalb wird aber die gemeinsame Ehe- (oder Familien-) wohnung nicht aufgegeben (z. B. weil der andere Ehegatte am gemeinsamen Wohnsitz seiner Arbeit nachgeht oder die Kinder dort zur Schule gehen) - stattdessen nimmt sich der auswärtige Beschäftigte eine (weitere) Wohnung am Beschäftigungsort.
Er kann (und will) sich aber dort nicht mit dem Hauptwohnsitz anmelden, denn der liegt ja am bisherigen Wohnort. Deshalb wurde die auf eine solche Zweitwohnungen erhobene Steuer für verfassungswidrig erklärt, denn dieser Umstand, dass die gemeinsame Wohnung der Hauptwohnsitz bleibt (bleiben soll und muss), trifft nur Ehepaare und Familien und verletzt damit den Schutzbereich des Artikel 6 Abs. 1 GG
.
Wenn aber eine solche Trennung gar nicht gegeben ist, sondern beide Ehegatten am Zweitwohnsitz zusammenleben (diese Wohnung also gemeinsam "halten"), ist der Eingriff in Art. 6 GG
infolge der steuerlichen Belastung nicht gegeben - es ist nichts anderes als eine zweite, gemeinsam bewohnte Wohnung an einem anderen Ort. Das ist der klassische (legitimerweise besteuerte) Zweitwohnsitz eines Ehepaares (oder einer Familie), wie etwa eine Ferienwohnung. Mit der besonderen Situation der aus beruflichen Gründen gezwungenermaßen getrennten Familie oder des nur deshalb getrennt wohnenden Ehepaares hat das nichts zu tun, und deshalb nimmt der genannte Halbsatz der Heidelberger Klausel diesen Fall ausdrücklich aus.
Dass auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung davon ausgeht, dass die Ehepartner aus beruflichen Gründen getrennt leben (und nicht gemeinsam am Zweitwohnsitz), geht aus den folgenden Sätzen der Randnummer 106 klar hervor:
"Ändert sich der Beschäftigungsort eines Ehegatten, so dass dieser seiner Arbeit nicht mehr von der bisherigen gemeinsamen Wohnung aus nachgehen kann, hat dies in aller Regel nicht zur Folge, dass die gemeinsame Wohnung aufgegeben wird. Entweder werden die Ehegatten ihre Wohnung an den neuen Arbeitsort verlegen oder der von der beruflichen Veränderung betroffene Ehegatte wird einen zusätzlichen Wohnsitz begründen, ohne den gemeinsamen Ehewohnsitz aufzugeben. Gleiches gilt, wenn die Ehegatten schon bei der Eheschließung ihrer Berufstätigkeit nicht von einer Wohnung aus nachgehen können. Auch dann ist die Begründung einer gemeinsamen Wohnung durch die Eheleute und die Nutzung der Zweitwohnung nur für die Berufsausübung eine spezifische Ausprägung des ehelichen Zusammenlebens."
Ich hoffe, Ihnen Klarheit in dieser Sache gegeben zu haben und verbleibe mit freundlichem Gruß!
Elisabeth v. Dorrien
Rechtsanwältin
Das Zitat wurde der Entscheidung des BVerfG vom 11. Oktober 2005 - 1 BvR 1232/00
entnommen, hier der Link zum Beschluss:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2005/10/rs20051011_1bvr123200.html