Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Ihren Angaben zufolge sprechen Sie von einem Zivilprozess, so dass die Vorschriften der ZPO Anwendung finden. Das persönliche Zeugnisverweigerungsrecht ist in § 383 ff. ZPO
geregelt, wobei § 383 ZPO
das Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen und § 384 ZPO
das Zeugnisverweigerungsrecht aus sachlichen Gründen normiert.
Gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO
sind diejenigen zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt, die mit einer Partei in gerade Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert sind oder waren.
Sie und Ihre Schwester sind im Sinne des § 1589 Abs. 1 BGB
in der Seitenlinie verwandt, so dass unter Zugrundelegung Ihrer Angaben ein Zeugnisverweigerungsrecht bestehen dürfte.
Zwischen Ihnen und dem Ex-Ehemann Ihrer Schwester bestand eine Schwägerschaft im Sinne des § 1590 Abs.1 BGB
. Diese Schwägerschaft dauert gemäß § 1590 Abs. 2 BGB
auch fort, wenn die Ehe, durch die sie begründet worden ist, aufgelöst wird. Folglich dürfte auch nach der Scheidung ein Zeugnisverweigerungsrecht hinsichtlich Ihres Schwagers bestehen.
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass es gemäß § 385 ZPO
bestimmte Ausnahmen von der Berechtigung zur Zeugnisverweigerung gibt. Der nach § 383 Abs. 1 Nr. 1-3 ZPO
an sich zur Zeugnisverweigerung berechtigte Zeuge darf das Zeugnis dennoch nicht verweigern, wenn es sich um eine Zeugnisverweigerung hinsichtlich
- der Errichtung und des Inhalts eines Rechtsgeschäfts handelt, bei der er als Zeuge zugezogen wurden,
- der Geburten, Verheiratungen oder Sterbefälle von Familienmitgliedern,
- der Tatsachen, welche die durch das Familienverhältnis bedingten Vermögensangelegenheiten betreffen
- und der auf das streitige Rechtsverhältnis sich beziehenden Handlungen, die von ihm selbst als Rechtsvorgänger oder Vertreter einer Partei vorgenommen sein sollen.
Eine solche Ausnahme lässt sich aus Ihrer Sachverhaltsschilderung auf den ersten Blick im Rahmen dieser ersten Einschätzung nicht folgern. Allerdings ist vorliegend nicht ersichtlich, ob Sie möglicherweise zu Tatsachen vernommen werden sollen, die die durch das Familienverhältnis bedingten Vermögensangelegenheiten betreffen. Im Rahmen der Vermögensaufteilung Ihrer Schwester und Ihres Schwagers dürfte diese Voraussetzung jedoch nicht vorliegen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Pilarski, Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Michael Pilarski
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Rechtsanwalt Michael Pilarski
Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort, jedoch habe ich eine Nachfrage; Sie schreiben:
"... Im Rahmen der Vermögensaufteilung Ihrer Schwester und Ihres Schwagers dürfte diese Voraussetzung jedoch nicht vorliegen."
Wieso nicht ?
Gehören die denn nicht zur Familie ? Es heißt doch "...welche die durch das Familienverhältnis bedingten Vermögensangelegenheiten betreffen..."
Und es geht, wie ich in meiner Anfrage ja erwähnte (3. Satz), hauptsächlich um die Vermögensaufteilung zwischen den beiden .
Habe ich trotzdem Zeugnisverweigerungsrecht ?
Sie haben Recht: Ich schrieb, dass im Rahmen der Vermögensaufteilung Ihrer Schwester und Ihres Schwagers diese Voraussetzungen nicht vorliegen dürften, da ich Ihrer Sachverhaltsschilderung missverständlicherweise diesbezüglich nur entnommen habe, dass Sie Vermögensaufteilungen generell meinen und nicht ausschließlich diejenigen, die durch das Familienverhältnis bedingt sind, also unmittelbar innerhalb des Scheidungsverfahrens Ihrer Schwester liegen.
Ihre Schwester und Ihr Schwager gehören natürlich zur "Familie".
Es kommt aber wie gesagt auch darauf an, wie die Vermögensaufteilung im Einzelnen aussieht. Denn es heißt, wie Sie selbst zitieren: "...die durch das Familienverhältnis bedingten Vermögensangelegenheiten betreffen".
Als durch das Familienverhältnis bedingte Vermögensangelegenheiten kommen hier in Betracht: die Annahme oder Ausschlagung von Erbschaften, erbrechtliche Ansprüche, Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht oder aus Vereinbarungen darüber, Unterhaltsansprüche und Aussteuerversprechen.
Das heißt, es gibt auch Vermögensangelegenheiten, die nicht durch das Familienverhältnis bedingt sind. Für die Regelung des § 385 ZPO
muss das Familienverhältnis daher die Vermögensangelegenheit beeinflussen bzw. darauf Auswirkungen haben.
Bei den typischen, durch das Familienverhältnis bedingten Vermögensangelegenheiten wie dem ehelichen Güterrecht dürften Sie als in der Seitenlinie Verwandter nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt sein. Zur Zeugnisverweigerung wären Sie nur berechtigt, wenn es zwischen Ihrer Schwester und Ihrem Schwager um Angelegenheiten ginge, auf die die familienrechtlichen Verhältnisse keinen Einfluss haben.
Ich hoffe, ich konnte endgültig Klarheit in Ihre Rechtssache bringen.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Pilarski
Rechtsanwalt