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Wohnrecht - Gewerbliche Nutzung eines Raumes der Wohneinheit

| 16. August 2011 10:35 |
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Mietrecht, Wohnungseigentum


Beantwortet von


in unter 2 Stunden

Meine Eltern sind seit rd. 40 Jahren Mieter einer 3-Zimmer-Wohnung. Seit 1992 ist meine Mutter als Heilpraktikerin zu Hause tätig und nutzt dafür einen Raum der Wohneinheit. Der Rahmen der Tätigkeit ist gering, durchschnittlich werden 1 bis 2 Patienten pro Tag nur nach Terminvereinbarung behandelt.
Der Vermieter wurde seinerzeit um Zustimmung gebeten, die auch erteilt wurde. Zusammen mit der Zustimmung kam folgende Forderung auf meine Mutter zu: "Da ihre Wohnung künftig teilweise gewerblich genutzt wird, bitte ich um einen pauschalen Zuschlag zu ihrer Miete von DM 100,00/Monat. Gemäß Rechtsauskunft beim Haus- und Grundbesitzerverein Stuttgart gilt dieser Zuschlag als Mindestforderung für die gewerbliche Nutzung eines Raumes innerhalb der Wohneinheit."
Seit Ende 1992 hat meine Mutter über EUR 12.000,00 bezahlt.
Nun haben wir heute festgestellt, daß die Ausübung einer Tätigkeit als Heilpraktiker gar keine gewerbliche Tätigkeit darstellt, sondern eine freiberufliche Tätigkeit wie auch ein Arzt.

Frage: Ist auch für diese freiberufliche Tätigkeit ein Zuschlag gerechtfertigt und wenn nein, können die dann zu Unrecht bezahlten Beträge ganz oder teilweise zurückgefordert werden?

16. August 2011 | 11:42

Antwort

von


(2753)
Brandsweg 20
26131 Oldenburg
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Sehr geehrter Ratsuchender,

gerne beantworte ich Ihre Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung und Ihres Einsatzes wie folgt:

Geschäftliche Aktivitäten des Mieters, die nach außen hin in Erscheinung treten, muss der Vermieter grundsätzlich nicht in der Wohnung dulden. Der Vermieter kann lediglich im Einzelfall nach Treu und Glauben verpflichtet sein, eine Erlaubnis zu einer teilgewerblichen Nutzung zu erteilen, z. B. wenn es sich nach Art und Umfang um eine Tätigkeit handelt, von der auch bei einem etwaigen Publikumsverkehr keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder die Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnungsnutzung. Werden jedoch für die geschäftliche Tätigkeit Mitarbeiter des Mieters in der Wohnung beschäftigt, kommt bereits aus diesem Grunde ein Anspruch auf Gestattung regelmäßig nicht in Betracht (BGH, Urteil v. 14.7.2009, VIII ZR 165/08 ).

Ob die Tätigkeit freiberuflicher oder gewerblicher Art ist, spielt dabei also keine Rolle, denn es kommt nur auf die Auswirkungen der Tätigkeit an. Eine erlaubnispflichtige Nutzung liegt insbesondere vor, wenn die Wohnung oder ein Teil davon, z. B. ein Zimmer, ausschließlich zu anderen als Wohnzwecken genutzt wird, die Tätigkeit zu einer erhöhten Abnutzung oder einer erhöhten Gefahr der Beschädigung der Räume oder der Zugänge führt, eine Störung der übrigen Hausbewohner zu befürchten ist oder die Wohnung dadurch ihren Charakter als Wohnung verliert.

Dagegen liegt keine erlaubnispflichtige gewerbliche Nutzung vor, wenn der Mieter lediglich einen untergeordneten Teil der Wohnung zu Buchhaltungs- und Bürotätigkeiten per Computer nutzt (LG Frankfurt/M., Urteil v. 28.7.1995, 2/17 S 42/95 ), sich künstlerisch, schriftstellerisch oder in Heimarbeit betätigt (LG Berlin, WuM 1974 S. 258), ohne einen bestimmten Teil der Wohnung ausschließlich zu diesen Zwecken zu benutzen, d. h. sämtliche Räume weiterhin auch zu Wohnzwecken nutzt (LG Stuttgart, Urteil v. 20.2.1992, 16 S 327/91 ; LG Hamburg, Beschluss v. 13.3.1992, 311 S 203/91 ). Zulässig ist ferner die astrologische Beratung mit bis zu 2 Kunden am Tag (LG Hamburg, Urteil v. 12.1.1993, 316 S 179/02); die psychotherapeutische Tätigkeit einer Lehrerin als Nebenberuf bei Nutzung eines Arbeitsraums nachmittags bis 1 1/2 Stunden Dauer (AG Spandau, Urteil v. 6.3.1997, 2b C 776/96 ). Entscheidungserheblich kann auch die Höhe des mit der Tätigkeit erzielten Gewinns sein (LG Berlin, Urteil v. 6.7.1992, 61 S 56/92 ).

Wenn die Tätigkeit wie in Ihrem Fall mit Publikumsverkehr verbunden ist, ist es von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig, ob diese Tätigkeit noch unter den vertragsgemäßen Wohngebrauch fällt oder ob eine erlaubnispflichtige gewerbliche Nutzung vorliegt. Ein wichtiges Abgrenzungskriterium ist insofern die Außenwirkung der Tätigkeit, insbesondere der Umfang des Publikumsverkehrs. Dabei kann bei einer Besucherzahl von max. 2 Personen täglich grundsätzlich weder eine Außenwirkung noch eine erhöhte Abnutzung des Mietobjekts angenommen werden, so das LG Hamburg, Urteil v. 12.1.1993, 316 S 179/92 . Andererseits kann das Betreiben einer bewegungstherapeutischen Praxis in der Mietwohnung auch dann eine teilgewerbliche Nutzung darstellen, wenn Patienten nur in geringem Umfang behandelt werden (LG Stuttgart, Urteil v. 22.9.1994, 6 S 266/94 ).

Soweit sich die Tätigkeit des Mieters im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs hält, kann der Vermieter keinen Zuschlag zur Miete fordern. Ist aufgrund der Tätigkeit jedoch die Erlaubnis des Vermieters erforderlich, kann der Vermieter die Erteilung der Erlaubnis von der Zahlung eines sog. Gewerbezuschlags abhängig machen, dessen Höhe er nach billigem Ermessen (§§ 315 , 316 BGB ) bestimmen kann.

Da Ihre Mutter zwar einen Raum der Wohnung für Ausübung der Tätigkeit nutzt, andererseits der Publikumsverkehr mit 1-2 Patienten gering ist und auch der erzielte Gewinn eher niedrig sein dürfte, lassen sich hier beide Ansichten vertreten. Wie ein Gericht im Streitfalle unter Betrachtung aller Umstände entscheiden würde, kann daher nicht prognostiziert werden. Eine Rückforderung halte ich allerdings für schwer durchsetzbar, da der Vermieter die Miete ja nicht eigenmächtig erhöht hat, sondern eine entsprechende Vereinbarung mit Ihrer Mutter getroffen hat und sich durchaus vertreten lässt, dass die Tätigkeit erlaubnispflichtig ist bzw. war.
Ihre Mutter könnte aber versuchen, unter Hinweis auf den geringen Umfang der Tätigkeit, insbesondere der mangelnden Gefahr erhöhter Abnutzung oder Störung anderer Mieter, dem Vermieter darzulegen, dass eine erlaubnispflichtige Tätigkeit nicht (mehr) vorliegt und der Zuschlag daher zukünftig nicht mehr gerechtfertigt ist. Sollte der Vermieter sich aber auf einen Verzicht oder eine Minderung des Zuschlags nicht einlassen und Ihre Mutter die Zahlung dennoch einstellen, besteht wie gesagt zumindest ein gewisses Risiko, dass ein Gericht dem Vermieter im Streitfall Recht gegen würde, wobei die Beweislast für die nicht vertragsgemäße Wohnungsnutzung dann aber beim Vermieter läge (OLG Köln, Urteil v. 12.7.1995, 2 U 45/95 ).


Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben. Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion.

Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände keinen abschließenden Rat geben kann. Sofern Sie eine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes wünschen, empfehle ich, einen Rechtsanwalt zu kontaktieren und die Sachlage mit diesem bei Einsicht in sämtliche Unterlagen konkret zu erörtern.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Jan Wilking

Bewertung des Fragestellers 16. August 2011 | 11:52

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