Sehr geehrte Fragestellerin,
Ihre Anfrage möchte ich wie folgt beantworten:
(1) Zur Wohnflächenberechnung
Zur Wohnflächenberechnung ist in Ihrem Fall die II. BV (Zweite Berechnungsverordnung) oder die Wohnflächenverordnung (WoFIV) anzuwenden, da es sich nach Ihren Angaben im öffentlich geförderten Wohnraum handelt. Die II. BV findet Anwendung, wenn Ihr Mietvertrag vor dem 01.01.2004 abgeschlossen wurde, ansonsten gilt die WoFIV.
(a) nach der II. BV
Gemäß §§ 42-44 BV sind auf Grundflächen von Räumen und Raumteilen
- mit einer lichten Höhe von mind. 2 Metern voll (vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BV),
- mit einer lichten Höhe zwischen 1 und 2 Metern zur 50% (vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 2 BV),
- mit einer lichten Höhe von 1 Meter nicht (vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BV)
anzurechnen. Zum Wohnbereich zählende Balkone, Loggien und Terrassen können bis zu 50% ihrer Fläche zur Gesamtwohnfläche zugerechnet werden (§ 44 Abs. 2 BV). Zubehörräume (Keller, Waschküche, Abstellräume, Dachböden, Trockenräume, Garagen etc.) gehören nicht zur Grundfläche (§ 42 Abs. 4 Nr. 1 BV). FAZIT: Wurde der Mietvertrag vor dem 01.01.2004 abgeschlossen, wäre die Terrasse demnach zu 50% auf die Gesamtwohnfläche zuzurechnen.
(b) nach der WoFIV
Gemäß § 4 WoFIV sind auf Grundflächen von Räumen und Raumteilen
- mit einer lichten Höhe von mind. 2 Metern voll (vgl. § 4 Nr. 1 WoFIV) und
- mit einer lichten Höhe zwischen 1 und 2 Metern zu 50% (vgl. § 4 Nr. 2 WoFIV)
anzurechnen. Zum Wohnbereich zählende Balkone, Loggien und Terrassen sind in der Regel zu 25%, höchstens zur Hälfte anzurechnen. Die Anrechnung zur Hälfte erfordert grundsätzlich einen besonderen Einzelfall, wobei der Wohnwert maßgeblich ist. Es gilt: Je höher der Wohnwert der Terrasse, desto höher die Anrechnung. Nach der Verordnungsbegründung rechtfertigt z.B. eine gute Lage oder aufwändige Balkon- oder Terrassengestaltung eine höhere Anrechnung. BEACHTEN SIE: Auch eine Anrechnung nach unten ist möglich, z.B. bei stark verkehrsfrequentierter Umgebung. FAZIT: Wurde der Mietvertrag nach dem 01.01.2004 abgeschlossen, kommt es auf den Wohnwert Ihrer Terrasse an. Im Regelfall wäre von einer Anrechnung zu 25% auszugehen.
(2) Zu den Auswirkungen einer falsch berechneten Wohnfläche auf die Miete
Nach der Rechtsprechung stellt eine negative Abweichung der tatsächlichen Wohnungsgröße von der im Mietvertrag vereinbarten Wohnfläche erst bei einer Flächenabweichung von über 10% einen Mietmangel dar (vgl. BGH WuM 2004, 336
; OLG Düsseldorf ZMR 2005, 450
). FAZIT: Sollte die von Ihnen festgestellte Abweichung über 10% betragen, hätten Sie nach Maßgabe des § 536 BGB
ein Recht auf Minderung. Die Klausel "Falls etwaige Abweichungen..." ist gemäß § 536 Abs. 4 BGB
unwirksam, da sie Ihr Minderungsrecht unzulässigerweise einschränkt. BITTE BEACHTEN SIE: Die tatsächliche Abweichung (auch unter 10%) hat in jedem Falle Auswirkung auf die Berechnung Ihrer Betriebskosten. Erwehren Sie sich insoweit in Zukunft rechtzeitig gegen falsche Betriebkostenabrechnungen.
(3) Zur Angemessenheit des Wohnraums i.S. des SGB
Soweit die für Sie zuständige ARGE unter Zugrundelegung der vereinbarten Miethöhe Ihre jetzige Wohnung als angemessen erachtet hat, kann Ihnen der Wechsel in eine Wohnung mit entsprechender tatsächlicher Wohnfläche sicherlich nicht verwehrt werden. Die Beurteilung, ob 80qm für eine Person und Kind mit 100%-Behinderung "angemessen" ist, ist aufgrund unterschiedlicher Wohnungsressourcen regional unterschiedlich. Ich empfehle Ihnen, mit dem für Sie zuständigen Sachbearbeiter vor evtl. Umzugsplänen zu Ihrer Sicherheit Rücksprache zu halten.
Ich hoffe, Ihnen mit den vorangegangenen Ausführungen vorab weitergeholfen zu haben. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne - auch per E-Mail - zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Iven
Rechtsanwalt
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