Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bedanke mich für Ihre interessante Anfrage, die ich gerne aus rechtlicher Sicht beantworten möchte. Bitte nehmen Sie vorab zur Kenntnis, dass Ihre eine klare Beantwortung nur möglich ist, soweit die Qualifizierung des konkreten Nahrungsergänzungsmittels bekannt ist (Lebensmittel/Arzneimittel). Ich versuche es in beide Richtungen zu beantworten:
In der Sache geht es um verschieden Fragen aus dem Einfuhr/Zollrecht. Dabei liegt das Grundproblem in der Überlegung, dass Deutschland strengere Maßstäbe bei der Einfuhr von Nahrungsergänzungsmitteln hat.
Bei Nahrungsergänzungsmitteln handelt es sich um besondere Lebensmittel oder Arzneimittel, die durch die Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie, die in Form der Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel (fortan NEMV) in deutsches Recht umgesetzt wurden, geregelt werden.
Konkret geht es um die Frage, ob ein deutscher Einzelhändler Produkte, die über einen Direktimport aus einem Drittland nicht erlaubt wären, durch den Erwerb bei einem EU-Großhändler, an dessen Standort das Nahrungsergänzungsmittel erlaubt ist, legal nach Deutschland einführen darf. Problematisch ist dabei allerdings, dass viele im Ausland als Nahrungsergänzungsmittel geltende Produkte in Deutschland nicht als Lebens-, sondern als Arzneimittel angesehen werden. Deshalb können Sie nicht davon ausgehen, dass in anderen Nahrungsergänzungsmittel aus anderen Ländern in Deutschland automatisch auch darunter fallen.
Diese Unterscheidung hat starke Konsequenzen:
-Arzneimittel sind zulassungspflichtig
-Nahrungsergänzungsmittel sind nach § 5 NEMV spätestens bei der ersten Einführung bei dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (fortan BVL) anzuzeigen.
Die Abgrenzung zwischen einem Nahrungsergänzungsmittel und einem Arzneimittel ist rechtlich schwierig. Soweit Sie hierzu eine einfache Rückfrage haben, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Ansonsten bitte ich Sie freundlich, mir eine Direktanfrage zu stellen, in der ich gerne detailliert auf die Unterscheidung eingehe.
Soweit wir allerdings davon ausgehen, dass es sich, wie Sie in Ihrer Sachverhaltsschilderung anführen, tatsächlich um ein Nahrungsergänzungsmittel handelt (was meistens der Fall ist!), gibt es eine weitere Unterscheidung:
-Ist der Inhaltsstoff in Deutschland überhaupt zugelassen?
Denn: Alle in Nahrungsergänzungsmitteln verwendeten Stoffe müssen eine DEUTSCHE Zulassung haben. Ansonsten dürfen solche Produkte nicht in Deutschland vertreiben werden. Deshalb spielt es keine Rolle, ob Sie die Produkte in einem Drittland, EU oder EG-Land erworben haben und nach Deutschland einführen. Allerdings gibt es eine rechtliche Vereinfachung, um den Austausch im europäischen Binnenmarkt zu vereinfachen:
Für Nahrungsergänzungsmittel, die in Deutschland nicht zugelassene Zusatzstoffe enthalten, gibt es die vereinfachte Möglichkeit der Erteilung einer sog. Allgemeinverfügung (das ist ein Verwaltungsakt, der sich an die Allgemeinheit richtet) für diese konkreten Zusatzstoffe. Voraussetzung ist allerdings, dass das konkrete Nahrungsergänzungsmittel in einem Mitgliedsstaat der EU oder es Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) RECHTMÄßIG hergestellt wurde ODER dort rechtmäßig im Verkehr ist. In Ihrem Fall: Wurde das Produkt als rechtmäßig, beispielsweise nach Österreich, importiert, bestünde die Möglichkeit der Erteilung einer Allgemeinverfügung. Diese gilt dann nur für das ganz konkrete Nahrungsergänzungsmittel und nicht für den Inhaltsstoff an sich.
Bei Rückfragen sollten Sie sich bei dem BVL melden. Für die Allgemeinverfügungen ist das BVL zuständig.
Das heißt: Ein Erwerb bei einem EU-Großhändler bei gleichzeitigem Import des Nahrungsergänzungsmittels, das in Deutschland aufgrund seiner Inhaltsstoffe nicht zugelassen ist, nach Deutschland, ist nicht zulässig.
Darf man das generell oder welche Unterscheidungen gibt es?
Es ist generell nicht erlaubt. Soweit ein Produkt in Deutschland bisher nicht zugelassen ist, müssen Sie auf eine Allgemeinverfügung zurückgreifen. Sollte es sich sogar um ein Arzneimittel nach deutschem Recht handeln, müssen Sie das Arzneimittel zur Zulassung offenlegen.
Soweit Sie ein Produkt allerdings nur über das Internet vertreiben und eine tatsächliche Einfuhr nach Deutschland nicht erfolgt, weil der Kunde zB in einem Land lebt, in dem das Nahrungsergänzungsmittel zugelassen ist, ist eine reine Verkaufstätigkeit kein Problem. Entscheidend ist, dass das Produkt nicht in den Deutschen Wirtschaftsraum gelangt.
Welche Strafen haben Sie zu erwarten wenn Sie ein entsprechendes Mittel nach Deutschland importieren? Soweit es sich um ein Arzneimittel handelt ist die Frage different. Im wesentlichen richtet sich diese Frage nach §§ 5
und 8
Arzneimittelgesetz. In der Regel handelt es sich um eine Straftat, d.h., dass die Staatsanwaltschaft gegen Sie ermitteln wird. Diese geht, soweit Sie Kenntnis erlangt, von Amt wegen gegen Sie vor, da ein "besonderes öffentliches Interesse" an der Strafverfolgung anzunehmen sein wird, da nicht "nur Sie", sondern die Öffentlichkeit betroffen ist. Weiterhin ist an das Betäubungsmittelgesetz zu denken. Soweit ein in der Anlage I und Anlage II aufgelisteter Stoff des Betäubungsmittelgesetzes in einem nahrungsergänzungsmittel enthalten ist, handelt es sich um ein Bt-Mittel. Soweit es sich um ein verbotenes Bt-mittel handelt, sind die §§ 29
Betäubungsmittelgesetz einschlägig, die die anzudrohende Strafe regeln. WICHTIG: Dort wird auch das Werben für ein Betäubungsmittel unter Strafe gestellt! Soweit es sich tatsächlich um ein Nahrungsergänzungsmittel handelt, also kein Arzneimittel vorliegt, richtet sich die Bestrafung, soweit es sich um illegale Inhaltsstoffe handelt, nach dem Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetz (fortan LFGB). Dort ist in §§ 58
, 59 LFGB
ein umfassender Strafenkatalog aufgeführt, mithin existieren in den §§ 60 ff. auch Ordnungswidrigkeiten. Welche genaue Strafe auf Sie zukommen könnte, hängt jeweils vom Umfang des Delikts an. Freiheitsstrafen sind nicht auszuschließen. Auch hier würde die Staatsanwaltschaft ermitteln und Anklage erheben. Dies unabhängig von einem "Kläger".
Hinsichtlich des kotrollierenden Organs ist es wohl so: Der Zoll überprüft die Einfuhr (siehe § 55 LFGB
) und reicht den Sachverhalt an die Staatsanwaltschaft weiter.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen guten Überblick über die Rechtslage verschaffen und Ihnen die Risiken und Möglichkeiten aufzeigen. Soweit Sie Rückfragen haben, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Herzliche Grüße,
Dr.iur. D. Geißler
Rechtsanwalt
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Sehr geehrter Herr Dr. Geißler,
vielen Dank für Ihre umfassende Beantwortung des Sachverhaltes. Zu Ihrer nachfolgenden Bemerkung hätte ich eine Frage: "Soweit Sie ein Produkt allerdings nur über das Internet vertreiben und eine tatsächliche Einfuhr nach Deutschland nicht erfolgt, weil der Kunde zB in einem Land lebt, in dem das Nahrungsergänzungsmittel zugelassen ist, ist eine reine Verkaufstätigkeit kein Problem. Entscheidend ist, dass das Produkt nicht in den Deutschen Wirtschaftsraum gelangt." Heißt das, dass ich diese Produkte auch nicht nach Deutschland einführen darf, auch wenn ich Sie nicht an deutsche Kunden, sondern an Kunden verkaufe (und dorthin dann von D aus verbringe), in deren Ländern das Produkt zugelassen ist? Für eine Beantwortung besten Dank!
Mit freundlichen Grüßen,
J.
Sehr geehrter Herr/Frau J.,
gerne beantworte ich Ihre Nachfrage:
§ 5 NEMV stellt auf die Einfuhr ab. Es geht also nicht daran, wer das Produkt kauft und quasi in den Küchenschrank stellt, sondern darum, wer das Produkt einführt. Derjenige muss die Einfuhr des Produktes anzeigen und ist damit mit dem Risiko auseinander gesetzt. Daher kommt es nicht darauf an, ob Sie ein Produkt am Ende nach bspw. Holland verkaufen und dort der Endkunde sitzt, sondern darum, ob das Produkt überhaupt nach Deutschland gelangt.
Bitte nehmen Sie allerdings zur Kenntnis, dass es sich hier nur um eine erste rechtliche Einschätzung handelt. Ohne konkrete Anhaltspunkte, etwa über die Unterscheidung Nahrungsmittel/Arzneimittel, kann eine abschließende Einschätzung nicht erfolgen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen helfen.
Herzliche Grüße,
Rechtsanwalt Dr. Geißler