Unsinnige Modernisierungen

Question

Wir Wohnen in einer Wohnsiedlung zur Miete in jeweils 4 Parteien Mietshäusern. Die Häuser sind aus den 50 er Jahren und wurden in Massivbauweise gebaut. Die Außenmauern haben eine Dicke von 48 cm und die Innenwände eine Dicke von 32 cm. Der Energieverbrauch fürs Heizen ist niedrig.    Der Vermieter beabsichtigt &lpar;im Rahmen einer energetischen Sanierung&rpar; die Außenwände zusätzlich zu dämmen. Dieses halten wir hier für unsinnig und wenig sinnvoll.     Könnte man sich gegen eine solch unsinnige Maßnahme rechtlich wehren, gibt es ggf. eine Rechtsgrundlage o.ä. dafür? Hat hier ggf. jemand Erfahrung mit solchen Modernisierungsbestrebungen?

Rechtsanwalt Cedric Hohnstock · Accepted Answer

Antwort vom Rechtsanwalt: Sehr geehrte&lpar;r&rpar; Fragesteller&lpar;in&rpar;,    herzlichen Dank für Ihre Schilderung. Ich verstehe gut, dass die geplante Fassadendämmung in einer massiven, energetisch bereits überraschend sparsamen 50er&#8209;Jahre&#8209;Bausubstanz für Unruhe, Skepsis und die berechtigte Frage sorgt, ob Sie das dulden müssen und ob die Maßnahme überhaupt sinnvoll ist. Im Folgenden ordne ich die Rechtslage ein, zeige mögliche Gegenargumente und Handlungsoptionen auf und gebe Ihnen eine belastbare Entscheidungsgrundlage.      **Rechtlicher Ausgangspunkt: Modernisierung, Ankündigung, Duldungspflicht**    Ein Vermieter darf ein Mietobjekt modernisieren; energetische Modernisierungen sind gesetzlich ausdrücklich privilegiert. Unter Modernisierung versteht das Gesetz insbesondere Maßnahmen zur Einsparung von Endenergie oder zur nachhaltigen Erhöhung des Gebrauchswerts der Mietsache &lpar;&#167; 555b Nr. 1 und Nr. 4 BGB&rpar;.    Bevor Maßnahmen durchgeführt werden, muss der Vermieter die Modernisierung in Textform ordnungsgemäß ankündigen &lpar;&#167; 555c Abs. 1 BGB&rpar;. Die Ankündigung muss enthalten:    - Art und voraussichtlichen Umfang,  - Beginn und voraussichtliche Dauer,  - die voraussichtliche zu erwartende Mieterhöhung nach &#167; 559 BGB,  - die voraussichtliche Veränderung der Betriebskosten.    Fehlen diese Angaben oder ist die Ankündigung unzureichend, besteht keine Duldungspflicht.    Grundsätzlich besteht eine Duldungspflicht der Mieterinnen und Mieter für Modernisierungsmaßnahmen &lpar;&#167; 555d Abs. 1 BGB&rpar;. Diese Duldungspflicht ist jedoch nicht schrankenlos.      **Grenzen der Duldungspflicht: Härteeinwand und Unverhältnismäßigkeit**    Sie können die Duldung verweigern, wenn die Maßnahme für Sie eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters und anderer Mieterinnen und Mieter nicht zu rechtfertigen ist &lpar;&#167; 555d Abs. 2 BGB&rpar;. Dies umfasst sowohl persönliche Härten &lpar;z. B. Krankheit, besondere Betroffenheit, Bauimmissionen bei Kleinkindern oder Pflegebedürftigen&rpar; als auch wirtschaftliche bzw. sachliche Härten &lpar;z. B. gravierender Eingriff bei nur marginalem Nutzen&rpar;.    Wichtig: Ein Härteeinwand muss fristgerecht erhoben werden. Er ist dem Vermieter spätestens bis zum Ende des Monats mitzuteilen, der auf den Zugang der Modernisierungsankündigung folgt &lpar;&#167; 555d Abs. 3 BGB&rpar;. Versäumen Sie diese Frist, ist der Einwand regelmäßig präkludiert - also verspätet.    Maßstab &#8222;Unverhältnismäßigkeit": Auch energetische Modernisierungen sind nicht per se um jeden Preis zu dulden. Stehen Aufwand, Belastung und Kosten in einem groben Missverhältnis zu dem zu erwartenden Erfolg &lpar;insbesondere zu einer nur minimalen Energieeinsparung&rpar;, kann das eine unzumutbare Härte begründen. Hier kommt es sehr auf den Einzelfall, die Bauphysik und die prognostizierte Energieeinsparung an. Ein pauschales &#8222;unsinnig" genügt nicht; erforderlich sind belastbare technische und wirtschaftliche Argumente.      **Mieterhöhung nach Modernisierung und wirtschaftlicher Nutzen**    Nach Durchführung darf der Vermieter die Jahresmiete grundsätzlich um 8 % der für die Wohnung aufgewendeten, umlagefähigen Modernisierungskosten erhöhen &lpar;&#167; 559 Abs. 1 BGB&rpar;. Nicht umlagefähig sind die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung; diese sind herauszurechnen &lpar;&#167; 559 Abs. 2 BGB&rpar;.    Schutzmechanismen:    Kappung/Deckel: Die Miete darf sich infolge der Modernisierung innerhalb von sechs Jahren um nicht mehr als 2 €/m&#178; monatlich erhöhen &lpar;bei Ausgangsmieten bis 7 €/m&#178; um höchstens 2 €/m&#178;; bei Ausgangsmieten über 7 €/m&#178; um höchstens 3 €/m&#178;&rpar; &#8211; vgl. &#167; 559 Abs. 3a BGB.  Härteeinwand gegen die Mieterhöhung: Auch gegen die Mieterhöhung können Sie Einwände erheben, wenn diese für Sie eine unzumutbare Härte bedeuten würde &lpar;&#167; 559 Abs. 4 BGB&rpar;. Dieser wirtschaftliche Härteeinwand ist getrennt vom Duldungshärteeinwand zu prüfen.    Beachtlich ist zudem, dass eine vorgeschobene &#8222;Modernisierung" nicht dazu dienen darf, Instandsetzungen in eine umlagefähige Maßnahme &#8222;umzudeklarieren". Wird etwa ohnehin eine schadhafte Putzfassade instandgesetzt, sind die reinen Instandsetzungskosten nicht umlagefähig; nur der darüber hinausgehende energetische Mehrwert wäre umlagefähig &lpar;&#167; 559 Abs. 2 BGB&rpar;.      **Bauimmissionen und Mietminderung während der Bauphase**    Bei energetischen Modernisierungen ist eine Mietminderung wegen Baulärm, Staub und ähnlicher Beeinträchtigungen für die Dauer von drei Monaten gesetzlich ausgeschlossen &lpar;&#167; 536 Abs. 1a Satz 1 BGB&rpar;.      **Öffentliche-rechtlicher Rahmen &lpar;GEG&rpar; und &#8222;Pflichtdämmungen"**    Öffentlich-rechtlich gilt das Gebäudeenergiegesetz &lpar;GEG&rpar;. Werden Außenbauteile im Zuge von Instandsetzungen in relevantem Umfang geändert, können energetische Anforderungen an den Aufbau zu erfüllen sein &lpar;&#167;&#167; 47 ff., &#167; 48 GEG&rpar;. Eine generelle Pflicht zur nachträglichen Außendämmung ohne Anlass besteht indes nicht; wenn aber ohnehin an der Fassade umfangreiche Arbeiten ausgeführt werden, können GEG-Vorgaben &lpar;Mindestwärmeschutz&rpar; ausgelöst werden, die der Vermieter rechtmäßig umsetzen darf bzw. muss.      **Beweis- und Argumentationskern gegen eine Außendämmung &#8222;um jeden Preis"**    Wenn Sie die Maßnahme für unsinnig halten, sollten Sie die folgenden Angriffspunkte strukturiert aufbereiten:    - Ankündigungsprüfung: Ist die Modernisierungsankündigung formal ordnungsgemäß &lpar;&#167; 555c BGB&rpar;? Fehlen Pflichtangaben, besteht keine Duldungspflicht, und der Vermieter kann daraus auch keine Mieterhöhung herleiten.    - Technisch-energetische Plausibilität: Verlangen Sie eine nachvollziehbare Energieeinsparprognose &lpar;vorher/nachher&rpar; für Ihr konkrete Gebäude. Bei massiven 48&#8209;cm&#8209;Außenwänden und bereits niedrigem Heizenergieverbrauch ist die zusätzliche Einsparquote oft geringer als in der Standardannahme. Ein unabhängiges bauphysikalisches Kurzgutachten &lpar;U&#8209;Wert-Berechnung, Transmissionswärmeverluste, Wärmebrückenanalyse, Feuchteschutz&rpar; kann eine geringe Wirtschaftlichkeit belegen.    - Wirtschaftlichkeitsbewertung: Stellen Sie die Investitionskosten, die auf Ihre Wohnung entfallenden umlagefähigen Kosten &lpar;&#167; 559 BGB&rpar; und die realistische Heizkostenersparnis gegenüber &lpar;Amortisationsrechnung&rpar;. Ein gravierendes Missverhältnis &lpar;extrem lange Amortisationsdauer&rpar; kann einen Härteeinwand stützen. Beachten Sie, dass die gesetzliche Duldungspflicht energetische Maßnahmen zwar privilegiert, aber die Schwelle zur Unzumutbarkeit nicht aufhebt.    - Alternativenprüfung: Prüfen Sie, ob mildere, zielgenauere Maßnahmen &lpar;hydraulischer Abgleich, Heizungsoptimierung nach &#167; 60a GEG, Fenster- und Dichtungssanierung, Dämmung der obersten Geschossdecke bzw. Kellerdecke, Regelungstechnik&rpar; denselben Effekt mit weniger Eingriff und Belastung erzielen. Der Nachweis geeigneter, weniger belastender Alternativen kann im Rahmen der Interessenabwägung Gewicht entfalten.    - Bau- und Nutzungseinwirkungen: Bei besonderer Betroffenheit &lpar;z. B. chronische Erkrankung, Homeoffice&#8209;Erfordernisse, Kleinkinder, Prüfungsphasen&rpar; lässt sich eine persönliche Härte anführen &lpar;&#167; 555d Abs. 2 BGB&rpar;; diese muss konkret und belegt werden &lpar;Atteste, Arbeitgeberbestätigungen etc.&rpar;.      **Praktisches Vorgehen und Fristen**    Warten Sie die formgerechte Ankündigung ab, falls diese noch nicht vorliegt. Prüfen Sie diese umgehend. Ab Zugang läuft die Frist für Einwendungen &lpar;Härteeinwand&rpar; bis zum Ende des Folgemonats &lpar;&#167; 555d Abs. 3 BGB&rpar;.    Erheben Sie fristgerecht und schriftlich Einwendungen. Gliedern Sie diese in formelle Einwendungen &lpar;z. B. fehlende Angaben&rpar; und materielle Einwendungen &lpar;Härte, Unverhältnismäßigkeit, Alternativen&rpar;.    Verlangen Sie Einsicht in die Kostenkalkulation, den Bauablaufplan &lpar;Dauer, Gerüststandzeit, Lärm- und Staubphasen&rpar;, die Energieeinsparprognose sowie die Abgrenzung Instandsetzung/Modernisierung.    Dokumentieren Sie Ihren aktuellen Energieverbrauch &lpar;Abrechnungen der letzten drei Jahre&rpar;. Ein niedriger spezifischer Verbrauch stützt die These eines geringen zusätzlichen Einsparpotenzials.    Ziehen Sie bei Bedarf ein kurzes Privatgutachten einer/s Energieberater:in &lpar;z. B. nach &#167; 88 GEG zugelassene Expert:innen&rpar; bei. Ein substantiierter technischer Vortrag erhöht die Erfolgsaussichten.    Falls der Vermieter trotz Einwendungen auf Durchführung besteht, kann er Duldungsklage erheben &lpar;&#167; 555d Abs. 4 BGB&rpar;. Spätestens in diesem Rahmen entscheidet das Gericht die Abwägung. Umgekehrt können Sie selbst auf Unterlassung klagen, wenn ohne wirksame Ankündigung begonnen wird.    Nach Durchführung prüfen Sie die Modernisierungsmieterhöhung sehr genau: Abzug von Instandsetzungskosten &lpar;&#167; 559 Abs. 2 BGB&rpar;, Einhaltung der 8&#8209;%&#8209;Quote &lpar;&#167; 559 Abs. 1 BGB&rpar; und der Deckel &lpar;&#167; 559 Abs. 3a BGB&rpar;. Gegen die Erhöhung können Sie &#8211; zusätzlich &#8211; den wirtschaftlichen Härteeinwand geltend machen &lpar;&#167; 559 Abs. 4 BGB&rpar;.    Denken Sie an Ihr Sonderkündigungsrecht: Erhalten Sie eine wirksame Modernisierungsankündigung, können Sie bis zum Ablauf des Monats, der auf den Zugang der Ankündigung folgt, zum Ablauf des übernächsten Monats kündigen &lpar;&#167; 555e Abs. 1 BGB&rpar;, falls Sie die Belastung nicht tragen möchten.      **Einschätzung für Ihren Fall**    Massive Außenwände mit 48 cm, Innenwände 32 cm und ein belegbar niedriger Heizenergieverbrauch deuten darauf hin, dass das zusätzliche Einsparpotenzial einer Fassadendämmung möglicherweise begrenzt ist. Das ist kein Automatismus gegen die Maßnahme, kann aber &#8211; gut dokumentiert &#8211; ein starkes Argument in der Abwägung sein.    Erfolgversprechend ist daher eine sachverständig unterfütterte Einwendungslinie: geringe zusätzliche Einsparung, sehr hohe Investitions- und Mietumlagebelastung, lange Amortisationszeiten, ggf. bessere Alternativen und spezifische persönliche Härten.    Ohne ordnungsgemäße Ankündigung besteht keine Duldungspflicht. Selbst bei ordnungsgemäßer Ankündigung ist der Härteeinwand frist- und begründungserheblich.      **Nächste Schritte &lpar;konkret&rpar;**    Sammlung der letzten drei Heizkostenabrechnungen und ggf. Energieausweise/Verbrauchsdaten der Liegenschaft.  Schriftliches Auskunftsverlangen an den Vermieter: detaillierte Ankündigung nach &#167; 555c BGB, technische Berechnung der Energieeinsparung &lpar;vorher/nachher&rpar;, Bauzeitenplan, Kostenvoranschläge, Abgrenzung Instandsetzung/Modernisierung, voraussichtliche Mieterhöhung.    Fristgerechter Härteeinwand nach &#167; 555d Abs. 2 und Abs. 3 BGB mit:    - technischer Argumentation &lpar;ggf. Kurzgutachten&rpar;,  - wirtschaftlicher Gegenrechnung &lpar;Amortisation, Belastung&rpar;,  - persönlichen Härtegründen mit Nachweisen,  - Hinweis auf Alternativmaßnahmen mit geringerem Eingriff.    Nach Zugang einer etwaigen Modernisierungsmieterhöhung: eingehende Prüfung der Umlagefähigkeit, Kostentrennung, 8&#8209;%&#8209;Quote und Deckel nach &#167; 559 Abs. 3a BGB; ggf. Widerspruch/Härteeinwand gem. &#167; 559 Abs. 4 BGB.    Gern unterstütze ich Sie dabei, die Ankündigungsunterlagen und Ihre individuelle Belastung zu prüfen, eine belastbare Einwendungsstrategie zu formulieren und &#8211; falls sinnvoll &#8211; ein kurzes bauphysikalisches Gutachten zu koordinieren. Mein Ziel ist es, Ihre berechtigten Interessen mit Nachdruck und Sachverstand zu wahren und, wo möglich, eine verhältnismäßige Lösung zu erreichen.      **Wesentliche Normen im Überblick**    &#167; 555b BGB &lpar;Begriff der Modernisierung, insb. Nr. 1, Nr. 4&rpar;  &#167; 555c BGB &lpar;Ankündigungspflicht&rpar;  &#167; 555d BGB &lpar;Duldungspflicht, Härteeinwand, Fristen&rpar;  &#167; 555e BGB &lpar;Sonderkündigungsrecht&rpar;  &#167; 559, &#167; 559 Abs. 2, &#167; 559 Abs. 3a, &#167; 559 Abs. 4 BGB &lpar;Mieterhöhung nach Modernisierung, Kostentrennung, Kappung, Härte&rpar;  &#167; 536 Abs. 1a BGB &lpar;zeitweiliger Ausschluss der Mietminderung bei energetischer Modernisierung&rpar;  GEG, insbesondere &#167;&#167; 47 ff., &#167; 48 GEG &lpar;Anforderungen bei Änderungen an Außenbauteilen&rpar;  Gerichtliche Entscheidung:    Wenn Sie mir die &lpar;ggf. bereits zugegangene&rpar; Modernisierungsankündigung zur Verfügung stellen, prüfe ich diese kurzfristig auf Form, Inhalt und Angreifbarkeit und erarbeite für Sie ein strukturiertes Einwendungsschreiben innerhalb der Frist. Ich weiß, dass solche Maßnahmen Sorgen und Verärgerung auslösen; Sie sollen damit nicht allein bleiben. Ich stehe Ihnen entschlossen und mit der notwendigen Ruhe sowie fachlicher Tiefe zur Seite.    Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag      Mit freundlichen Grüßen    Cedric Hohnstock  Rechtsanwalt

Unsinnige Modernisierungen

Mietrecht, Wohnungseigentum

Rechtsanwalt Cedric Hohnstock

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