Sehr geehrte Fragestellerin,
gerne beantworte ich Ihre Anfrage auf der Grundlage des von Ihnen geschilderten Sachverhalts wie folgt:
Aus Ihren Angaben entnehme ich, dass die zuständige Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren (zumindest) wegen Fahrlässiger Körperverletzung nach § 229 StGB
gegen den betreffenden Pkw-Fahrer eingestellt und Sie auf den sogenannten Privatklageweg verwiesen hat bzw. die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche nicht ausgeschlossen hat.
Dass der Fahrzeugführer strafrechtlich nicht (mehr) belangt wird, bedeutet noch nicht, dass Sie keine Schadensersatzansprüche gegen diesen haben können.
Die Haltung der gegnerischen Versicherung überrascht nicht und insbesondere nicht dann, wenn sie nicht anwaltlich vertreten waren bzw. sind.
Wird ein Radfahrer beim Betrieb eines Kfz verletzt, können ihm Ersatzansprüche aus § 7 Abs. 1 StVG
gegen den Halter und aus § 18 Abs. 1 StVG
gegen den Fahrer zustehen. Der KfZ-Versicherer haftet aus § 3 Nr. 1 PflVG
. Ohne ein Verschulden nachweisen zu müssen, kann der verletzte Radfahrer bei einem Unfall nach dem 31.7.02 ein Schmerzensgeld verlangen (§ 11 StVG
). Dazu jedoch unten mehr.
§ 18 StVG
ist eine Anspruchsnorm gegen den Fahrzeugführer. Dieser Anspruch setzt jedoch ein Verschulden des Fahrers voraus.
Verschuldensunabhängig gewährt jedoch § 7 StVG
dem Verletzen einen Anspruch auf Schadensersatz, sog. Betriebsgefahr.
Wird ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr bestimmungsgemäß benutzt, dann geht von ihm allein auf Grund dieser Tatsache des Betreibens eine sog. abstrakte Gefahr für alle anderen Verkehrsteilnehmer aus, auch ohne dass ein irgendwie verkehrswidriges Verhalten des Fahrzeugführers oder des Fahrzeughalters vorliegt.
Die Haftung gegenüber nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmern, wie z.B. Radfahrer, aus der Betriebsgefahr entfällt nur, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wurde. Dies ist vorliegend ja nicht der Fall.
Der nach den §§ 7
, 18 StVG
anspruchsberechtigte Fußgänger kann jedoch bei eigenem Mitverschulden seinen Ersatzanspruch ganz oder teilweise verlieren. Das besagt § 9 StVG
mit seiner Verweisung auf § 254 BGB
.
Die Gegenseite müßte dann ein Verschulden des Radfahrers nachweisen, wenn sie weniger zahlen will oder den Schadensersatzanspruch des Radfahrers gänzlich ausschließen will.
Eine Schadensersatzpflicht (also auch Schmerzensgeld) aus den Grundsätzen der Betriebsgefahr kann jedoch sogar gänzlich entfallen, wenn der Radfahrer den Unfall mit grob verkehrswidrigem Verhalten alleine verursacht hat (siehe Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 28.04.2011, 12 U 500/10
). Dies dürfte nach Ihren Angaben nicht der Fall sein.
Geben Sie sich mit den Erklärungen der gegnerischen Versicherung nicht zufrieden. Sie sollten zunächst einmal nicht mehr versuchen, die Angelegenheit selber zu klären. Insbesondere wegen der unklaren Verursachungsfrage wäre es ratsam, schnellstmöglich einen Rechtsanwaltskollegen Ihres Vertrauens aufzusuchen.
Dieser kann auch eine Einsicht in die Strafakte beantragen. Sie hatten geschrieben, dass der Fahrer paar Tage später vernommen wurde. Dies ist zumindest ein weitere Indiz dafür, dass sich zumindest der Unfall ereignet hat, unabhängig mal von der Verursachungsfrage.
Schmerzensgeld und vertaner Urlaub sind erstattungsfähig. Es lohnt sich auf jeden Fall einen Kollegen einzuschalten. Wenn Sie auf der erlaubten Fahrtrichtung gefahren sind, könnte u.U. sogar der Anscheinsbeweis für Sie sprechen.
Die Kosten, auch wenn Sie nicht genau beziffert werden könnten, würden im Falle eines Rechtsstreits noch im Verhältnis zu den geltend gemachten Posten stehen.
Die Kosten sind nämlich streitwertabhängig. Insbesondere ist es bei Schmerzensgeldforderungen ratsam, im Rahmen des Klageantrages zunächst keine genaue Höhe anzugeben.
Es gilt jedoch fest zu halten:
Ist es unstreitig dass es zum Unfall gekommen ist, ist die Wahrscheinlichkeit dass Sie zumindest einen Teil der begehrten Posten erstattet kriegen, gar nicht mal so gering.
Ich hoffe, dass ich Ihnen behilflich sein konnte.
Abschliessend weise ich Sie darauf hin, dass die hiesige Online-Beratung den Besuch bei einem Rechtsanwaltskollegen vor Ort nicht ersetzen kann, sondern lediglich dazu dient, dem Mandanten eine erste grobe rechtliche Einschätzung zu verleihen.
Das Weglassen und bzw. oder Hinzufügen von relevanten Angaben kann eine völlig andere rechtliche Bewertung nach sich ziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Kirli
(Rechtsanwalt)
Antwort
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