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Statt alter B-Plan (EFH, 9m) jetzt Bedarfsbauplan (MFH, 12m), §34 BauGB ausgehebelt?

9. Juni 2015 13:31 |
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Baurecht, Architektenrecht


Beantwortet von


15:35

Die Gemeinde (der Bürgermeister) wünscht sich das ein Bauträger mehrere barrierefreie Wohnungen für betuchte Senioren baut (hochwertig ausgestattete Wohnungen die der Bauträger selber auf eigenes Risiko veräußern soll) und will dementsprechend einen neuen B-Plan erlassen für ein anliegendes Grundstück. Der Bauträger ist übrigens Eigentümer des Grundstücks. EFHs waren im originalen B-Plan für das Grundstück vorgesehen aber es soll wohl anders kommen (demografischer Wandel). Der Bauträger/Eigentümer plant dementsprechend mehrere größere 2-geschossige Gebäuden mit zusätzlichem Staffelgeschoss (75% der Grundfläche) und als Abschluss ein Spitzdach (12 m insgesamt!).

Der Bürgermeister und Bauträger sprechen immer geschickt über 2 Geschosse (Verniedlichung/Politik), weil die dritte Ebene ja nur ein Staffelgeschoss sei. Ich schaue aber zukünftig direkt auf die volle 3 Geschossen (Hinterseite des Gebäudes, 9 m steile Wand) mit zusätzlichem Spitzdach (12 m). Muss zur Anwendung "Staffelgeschossregelung" das OG nicht allseitig mind. 1m gegenüber dem "darunterliegenden" Geschoss zurückspringen? Und, ist ein Staffelgeschoss nicht was anderes als ein Satteldach?

In der direkten Umgebung (Anliegern) gibt es bisher nur 1-1,5 geschossige EFHs mit Satteldach oder Krüppelwalmdach, maximale höhe 9 m (gemäß P-Plan). Etwas weiter weg stehen 2-geschossige EFHs mit zusätzlichem Graben und Kreuzdach, maximale höhe 9 m (im originalen B-Plan waren mal 12 m erlaubt aber die wurden nie realisiert!).

Einige Gemeindevertreter behaupten 3-geschossige Gebäuden gäbe es schon mehrfach im Dorf. Die Beispiele die an mir herangetragen wurden habe ich mir alle angeschaut und es handelt sich immer nur um 2 Vollgeschosse mit zusätzlichem Spitzdach samt Gauben (einige der Gebäude wirken gefühlt höher weil das Gelände höher liegt als die Straße).

Der maximale Istzustand für EFHs im Dorf ist meines Wissens derzeit „2-Geschossig mit zusätzlichem Satteldach samt Gauben" (maximale höhe ±9 m). Mit den neuen Gebäuden wird der „maximale Istzustand" aus meiner Sicht aufgehoben, ein Präzedenzfall!?

Die Gemeinde (irgendwo in Südschleswig-Holstein) avisiert also einen Bedarfsbauplan aufzustellen gleichwohl der Bedarf nie richtig ermittelt wurde (das soll der Bauträger übernehmen!?).

Wird jetzt, unter dem Motto „barrierefreies Wohnen" und „Bedarfsbauplan", der §34 BauGB hier wirkungslos bzw. klever ausgehebelt?

Ist dies alles rechtens? Habe ich das einfach hinzunehmen als direkt betroffener Anlieger? Wie soll ich mich verhalten bzw. wie kann ich mich wehren?


9. Juni 2015 | 14:38

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen nach erster summarischer Prüfung der Rechtslage wie folgt beantworten:

1. Staffelgeschoss ein Satteldach?

Ob ein Staffelgeschoss, also ein Geschoss, das gegenüber den darunterliegenden Geschossen zurückspringt und eine kleinere Grundfläche aufweist, vorliegt kann aus der Ferne nur schwer beurteilt werden. Sie tragen vor, dass das dritte Geschoss 75% der Grundfläche der anderen Geschosse aufweisen soll, so dass hier grundsätzlich ein Staffelgeschoss vorliegen könnte. Eine Definition der Mindestausmaßen nach gibt es für Staffelgeschosse aber nicht.

Auch ein Staffelgeschoss ist ein Geschoss und ist bei der Beurteilung der Geschossanzahl mit zu berücksichtigen. So bemisst sich die Traufhöhe, die ein Bebauungsplan festsetzt, bei einem Staffelgeschoss nach der oberen Dachhaut des obersten Geschosses auch dann, wenn dieses kein Vollgeschoss ist (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss v. 2.08.2006 - 3 M 73/06 ).

2. Als Nachbar sind Sie von dem Bauvorhaben unmittelbar betroffen und können Ihre Rechte wahrnehmen.

Wurde dem Bauträger bereits eine Baugenehmigung erteilt, so kann diese gerichtlich angefochten werden. Als unmittelbarer Nachbar ist hier Eile geboten, da man das Recht durch zu langes warten auch verwirken kann.

Eine Anfechtung kommt immer dann in Betracht, wenn durch die Baugenehmigung bzw. durch die spätere Realisierung des Bauwerkes nachbarschützende Normen verletzt wurden.

Grundsätzlich lassen sich zwei verschiedene Arten von nachbarschützenden Normen unterscheiden. Zum einen gibt es nachbarschützende Normen, die den Nachbarn unabhängig von einer tatsächlichen persönlichen Betroffenheit schützen, also generell-typisierender Drittschutz. Zum anderen gibt es solche nachbarschützenden Normen, die erst im Falle einer tatsächlichen persönlichen Betroffenheit berührt sind, also einzelfallbezogener Drittschutz.

So gäbe es dort auf der einen Seite den Gebietserhaltungsanspruch mit Bezug auf die Art der baulichen Nutzung im Bebauungsplangebiet, auf der anderen Seite aber auch die einfachgesetzliche Ausprägungen des sog. Rücksichtnahmegebots.

§ 15 Abs. 2 BauNVO setzt die Nutzung eines jeden Baugebietes fest und strahlt dadurch für alle Eigentümer im Baugebiet einen Gebietserhaltungsanspruch aus.Selbst ohne Bebauungsplan gibt Ihnen der § 34 BauGB bestimmte Rechte.

Nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit baulicher Vorhaben im unbeplanten Innenbereich nach dem sich aus der vorhandenen Bebauung ergebenden Maßstab. Es wäre also zu prüfen, wie die nähere Umgebung ausgestaltet ist und ob das geplante Bauvorhaben in Ihrer Art und Nutzung den Eigenarten des Gebietes gerecht wird. Zu fragen ist, was das Gebiet prägt. Ihrem Vortrag nach ist das Gebiet von Anlagen geprägt, die mit dem Bauvorhaben in Widerspruch stehen. Hier könnte man bei einer Anfechtungsklage ansetzen.

Generell-typisierten Rechtsschutz vermittelt § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO . Diese vermittelt allen Bewohnern eines Baugebiets einen Anspruch auf Erhalt des prägenden Gebietscharakters. Widersprechen die Seniorenhäuser nach Lage, Umfang, Anzahl oder Zweckbestimmung dem prägenden Gebietscharakter, so können sich alle Eigentümer des baugebietes dagegen wehren.

In Puncto einzelfallbezogener Dritschutz wäre insbesondere an das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 BauNVO zu denken. Hierbei muss man grundsätzlich zwischen der Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO und des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unterscheiden. Das Bauvorhaben muss gebietsunverträglich sein.

Der § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO spricht von unzumutbaren Störungen und Belästigungen. Auf die Interessen der benachbarten Grundstückseigentümer ist also besondere Rücksicht zu nehmen ist.Unzumutbar ist das Bauvorhaben aber erst, wenn es eine gewisse Zumutbarkeitsschwelle überschritten hat.

So genannte erdrückende Bebauung oder Gefängnishofsituationen sind von Ihnen als Nachbar nicht hinzunehmen. Hier können Sie sich wehren.

Dies sollte am besten mit einem Kollegen vor Ort geschehen, da wie gesagt eine Beurteilung aus der Ferne nur bedingt möglich ist.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rückfrage vom Fragesteller 9. Juni 2015 | 15:14

Sehr geehrter Anwalt,

vielen Dank für die Anregungen!

Sehr geehrter Anwalt,

vielen Dank für die Anregungen, diese machen ein bisschen Mut!

Damit ich alles richtig verstehe:

- Es wird also keinen Unterschied gemacht zwischen ein Satteldach oder ein Staffelgeschoss wenn es um die Anzahl der Geschosse geht bzw. ist ein Satteldach ein Geschoss?
- Wird für den Gebietscharakter ein Unterschied gemacht zwischen Satteldach oder Staffelgeschoss?
- Was ist mit Planbereiche (Vorhaben i.S.d. §29 BauGB ) gemäß §30 Absätze 1 (qualifizierter Bebauungsplan) und 2 (Vorhabenbezogener Bebauungsplan), was fällt dann von Ihre Vorschläge/Argumentation weg?

Mit besten Grüßen aus dem Norden!

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 9. Juni 2015 | 15:35

Sehr geehrter Herr Fragesteller,

gerne beantworte ich Ihnen auch Ihre Nachfrage. In aller Regel wird ein Dach dann als Geschoss gewertet, wenn 2/3 der Grundfläche des Daches die Höhe der darunter liegenden Geschosse aufweist. Ein Staffelgeschoss ist immer ein Geschoss und wird bei der Berechnung als solches berücksichtigt.

Der Gebietscharakter ist einzelfallbezogen. ein Unterschied zwischen Satteldach und Staffelgeschoss wird dann nicht gemacht, wenn es um die Beurteilung der Gebietsverträglichkeit geht. Beide müssen in das Gebiet passen. Die Frage, ob sie dies tun ist dann eine Frage des Einzelfalles.

In einem nach § 30 Abs. 1 BauGB definierten Baugebiet sind die Festsetzung über die Art der Nutzung §§ 2 ff. BauNVO nachbarschützende. Es würde also wieder der Gebietserhaltungsanspruch des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zum Tragen kommen. Hier muss sich das Bauvorhaben am Gebietscharakter orientieren und darf diesem nicht widersprechen.

Von der Argumentation her würde sich nichts ändern.

Mit freundlichen Grüßen

Alex Park

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