Sehr geehrter Ratsuchender,
Ihre Frage beantworte ich gerne wie folgt:
Zu 1.
Grundsätzlich ist für die Verwertung der PHP-Software gem. § 69 d
des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) eine Zustimmung des Rechteinhabers in Form einer Lizenz erforderlich, weil dies nach Ihren Angaben in den Vertragsbedingungen auf der Website des Programmierers so vorgesehen ist.
Fraglich ist nur, wie es rechtlich zu bewerten ist, dass die Ihnen obliegende Pflicht zur Zahlung der Lizenzgebühr nicht erfüllt werden kann, da eine Kontaktaufnahme mit dem Verkäufer nicht möglich ist. Nach allgemeinem Vertragsrecht wird eine Vertragspartei von der ihr obliegenden Pflicht frei, wenn die Erfüllung der Pflicht ihr unmöglich ist ( § 275 BGB
). Dies könnte man in Ihrem Fall durchaus bejahen.
Grundsätzlich knüpfen die Rechtsfolgen einer Urheberrechtsverletzung(Schadensersatz,Unterlassung) gem. den 97 ff. UrhG an eine widerrechtliche Verletzung des Urheberrechts an. Eine solche könnte man meines Erachtens in Ihrem Fall verneinen, weil Ihnen die Zahlung der Lizenzgebühr nachweislich unmöglich war. Die entsprechenden Unterlagen müssten Sie daher aufbewahren. Zudem ist für den Inhaber des Urheberrechts als erster Schritt vor einem gerichtlichen Verfahren die Abmahnung, also die Aufforderung zur Unterlassung vorgesehen ( § 97 a UrhG
).
Das bedeutet in praktischer Hinsicht, dass Sie zunächst nur mit einer Abmahnung zu rechnen hätten, deren Kosten Sie allerdings tragen müssten. Die Kosten können sich durchaus in einem Rahmen von ca. € 1000,00 bewegen, zumal es sich nicht um einen einfach gelagerten Fall außerhalb des geschäftlichen Verkehrs im Sinne des § 97 a UrhG
handelt (dann wären die Anwaltskosten auf € 100,00 beschränkt).
Mir stellt sich die Frage, ob der Rechtsinhaber überhaupt noch bereit ist, Lizenzen für sein Programm zu vergeben. Hierfür wäre es wichtig, zu überprüfen, ob die Website noch regulär erreichbar ist, oder ob sie mittlerweile gelöscht wurde.Falls sie gelöscht wurde, spricht dies meines Erachtens dafür, dass eine Vergabe von Lizenzen nicht mehr gewollt ist. In diesem Fall würde ich Ihnen von der Nutzung des Programms abraten. Sie sollten, falls Sie sich zur gewerblichen Nutzung entschließen, zu Beweiszwecken Screenshots von den Vertragsbedingungen und der Website erstellen.
Für die Auskunft über die Daten des Rechtsinhabers können Sie eine einfache Anfrage nach § 21 Melderechtsrahmengesetz an das Einwohnermeldeamt stellen. Zuständig ist das Einwohnermeldeamt im Bezirk der auf der Website angegebenen Adresse.Wenn Sie ein berechtigtes Interesse nachweisen, können Sie eine erweiterte Auskunft zu einem eventuellen Sterbedatum bekommen. Das berechtigte Interesse können Sie nachweisen, indem Sie der Meldebehörde den Sachverhalt schildern.
Zu 2.
Eine Möglichkeit, ohne Zustimmung des Programmierers an die Kontodaten zu kommen, sehe ich nicht, da einer Auskunft das Bankgeheimnis entgegensteht.
Zu 3. und 4.
Die Übermittlung von Einwurfeinschreiben wird üblicherweise für den Beweis des Zugangs von Willenserklärungen genutzt. Für Geldbeträge ist dies unüblich. Meiner Meinung nach würden Sie damit nicht mehr erreichen als mit der Zusendung der Mails, Faxe und des Einschreibens, d.h. Sie hätten einen Nachweis dafür, dass die Zahlung unmöglich im Sinne des § 275 BGB
war.
Ich würde Ihnen zusammenfassend Folgendes raten:
I.
Überprüfen Sie, ob das Programm nach wie vor auf der Website zum Erwerb durch Zahlung einer Lizenzgebühr angeboten wird. Wenn nein, würde ich Ihnen von der gewerblichen Nutzung abraten. Wenn ja, können Sie es gewerblich nutzen, wenn Sie bereits sind, das geschilderte wirtschaftliche Risiko einer Abmahnung einzugehen.
II.
Versuchen Sie im Rahmen einer Melderegisterauskunft herauszufinden, ob die Adresse auf der Website richtig ist und der Betreiber noch lebt. Falls dies so ist und er weiterhin nicht kommuniziert,müssten Sie wie geschildert abwägen, ob Sie die beschriebenen Risiken eingehen wollen. Allerdings denke ich,dass der Betreiber gegen Treu und Glauben gem. § 242 BGB
verstoßen würde, wenn er eine Programmlizenz zum Kauf anbietet, aber den Erwerb der Lizenz verhindert und anschließend Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche nach dem UrhG geltend macht. Aus § 242 BGB
folgt in einem solchen Fall, dass die Geltendmachung der Rechte nach dem UrhG rechtsmissbräuchlich und damit nicht zulässig ist.
Bedenken Sie bitte, dass Ihr Fall ungewöhnlich und das Urheberrecht ein komplexes Rechtsgebiet ist, sodass veränderte Details eine andere Bewertung der Rechtslage ergeben können.Ich kann Ihnen im Rahmen dieses Forums nur eine erste rechtliche Einschätzung bieten. Daher würde ich Ihnen den Gang zu einem urheberrechtlich spezialisierten Anwalt unter Mitnahme sämtlicher Unterlagen dringend empfehlen. Mit diesem könnten Sie auch erörtern, ob möglicherweise Schadensersatzansprüche wegen vorvertraglichen Verschuldens gegen den Programmierer gem. § 311 Abs. 2 BGB
in Betracht kommen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen eine vorläufige rechtliche Orientierung bieten.
Mit freundlichen Grüßen aus Seevetal
Schröder
Rechtsanwältin
Sehr geehrte Rechtsanwältin Schröder.
Vielen Dank für die prompte Beantwortung.
Zu Ihren Punkten:
I:
Die Webseite ist immer noch aktiv geschaltet und der Download der PHP-Software möglich. Die eMail-Adresse und Telefonnummern sind auch noch enthalten, sodass man Kontakt herstellen könnte.
Screenshots habe ich am heutigen Tage schon erstellt, wie Sie mir empfohlen haben.
II:
Der Betreiber lebt noch. Das konnte ich am heutigen Sonntag telefonisch in Erfahrung bringen. Ich habe eine Webseite mit Telefonbüchern aufgerufen und seine Eltern ausfindig machen können, die im gleichen Haus wohnen. Ich sprach mit einem Elternteil (Mutter) von dem Hersteller und sie sagte mir, dass der Hersteller gerade gestern in Urlaub geflogen ist für 14 Tage. Ich bin nun mit der Mutter so verblieben, dass ich ihr einen Brief zusende, mit der Kopie des zuletzt zugesendeten Einschreibe-Briefes und das sie ihn ihrem Sohn bitte mit Dringlicher Bearbeitung dann persönlich übergeben soll. Dieses bejahte sie auch, was ich sehr freundlich fand, zumal sie mich ja nicht kennt.
Ich werde diesen Brief ihr so zusenden, das er in knapp 14 Tagen ankommt und sie dann ihrem Sohn gleich übergeben kann, wenn er aus dem Urlaub kommt.
Oder sollte ich vielleicht doch ein Päckchen mit GLS senden, worin der Brief ist ?
Das bleibt der Mutter bestimmt besser im Gedächtnis,
zumal ich ihr dann ein kleines Geschenk dabei geben kann als Dankeschön für das entgegennehmen und übergeben an ihren Sohn.
Das Päckchen ist nicht viel teurer als der Einschreibe-Brief und auch mit Nachweis das es angekommen ist.
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Da der Betreiber und Hersteller ja nun lebt, könnte ich doch die PHP-Software nun vollends gewerblich einsetzen, obwohl er noch im Urlaub ist, oder ?
Zumal § 242 BGB
ja seit meiner ersten vergeblichen Kontaktaufnahme auf meiner Seite ist, wenn ich das jetzt richtig verstanden habe.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Schmidt
Sehr geehrter Ratsuchender,
nach Ihren Angaben verhält es sich so, dass der Veräußerer der Lizenz die Zahlung der Lizenzgebühr und damit die ordnungsgemäße Abwicklung des Vertrags bewusst verweigert. In diesem Fall können Sie, wie Sie schreiben, das Programm verwerten, da es Ihnen mangels Kenntnis der Kontodaten unmöglich ist, die Lizenzgebühr zu zahlen.
Sollte der Inhaber des Urheberrechts aufgrund der Nutzung Ansprüche nach dem UrhG geltend machen, wäre dies ein Verstoß gegen Treu und Glauben gem. § 242 BGB
, weil er sich damit in einen Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzt. Dies würde dazu führen, dass sein Anspruch erlischt.
Ich rate Ihnen dazu, sich die Daten des Telefonats mit der Mutter aufzuschreiben und ein letztes Mal ein Einschreiben oder Päckchen zu schicken. wofür Sie sich entscheiden, ist unerheblich, solange Sie den Zugangsnachweis aufbewahren. Anschließend können Sie das Programm nutzen.Möglicherweise reagiert der Programmierer ja dieses Mal und schickt Ihnen die Daten.Rechtlich wäre er dazu verpflichtet, da das entsprechende Angebot (gewerbliche Nutzung gegen Zahlung einer Lizenzgebühr von € 68,00) nach wie vor besteht.
Freundliche Grüße,
Schröder
Rechtsanwältin