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Schmerzensgeld - Prozessbetrug - Verstoß Wahrheitspflicht durch Verschweigen

15. Juli 2021 08:38 |
Preis: 48,00 € |

Strafrecht


Beantwortet von


07:53

Es liegt ein rechtskräftiges Versäumnisurteil (Juni 2019) gegen einen psychisch Erkrankten zur Zahlung von Schmerzensgeld wegen Körperverletzung vor.

Die Unterlagen wurden später durch eine Bevollmächtigte gesichtet.

In der Schmerzensgeldklage wurden drei weitere darauffolgende Vorkommnisse verschwiegen, die eindeutig auf eine psychiatrische Erkrankung schließen lassen. (nachweisbar, beweisbar) Da dies im Normalfall als erschwerender Umstand zählt, ist das Verschweigen offensichtlich vorsätzlich.

Stellt allein dieser Umstand einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur vollständigen Darlegung der tatsächlichen Umstände gem. § 138 ZPO dar?

( Mit ziemlicher Sicherheit wurde auch zum Zeitpunkt der Tat verwirrt gesprochen. Dies wurde verschwiegen, ist leider aber nicht nachweisbar)

Ein weiterer viel später auftretender akuter seelischer Ausnahmezustand wurde ausgenutzt, um eine viel zu hohe Schmerzensgeldsumme einzuklagen. Man konnte sich sicher sein, dass sich der Beschuldigte nicht erwehren kann.
Art und Schwere der Verletzung wurden völlig übertrieben und teilweise unwahr dargestellt.

Kann man auch noch gegen den Richter vorgehen?
Er erließ ein Versäumnisurteil, obwohl für einen Teil der benannten Verletzungen kein einziges Beweismittel in der Klage angehängt wurde. Für einen Teil der behaupteten Verletzungen gibt es keine Fotos oder ärztliche Atteste. Nur eine bloße Benennung in der Klage.

Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es noch?
Strafanzeige Prozessbetrug/Revision? Schadenersatzforderung sittenwidrige Schädigung?

Gegen eine angemessenes Schmerzensgeld bestehen trotz ungeklärter Schuldfähigkeitsfrage keine Einwände.
Das Ausnutzen eines Wehrlosen für eine zu hohe Schmerzensgeldsumme wird als niederträchtig empfunden.


Vielen Dank

15. Juli 2021 | 09:47

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Die Entscheidung aus dem Jahre 2019 in Gestalt eines Versäumnisurteil ist inzwischen rechtskräftig, da nicht innerhalb der dafür in § 339 ZPO vorgesehenen Frist Einspruch nach § 338 ZPO eingelegt worden ist.

Da es sich um ein Versäumnisurteil handelt, durfte das Gericht dies erlassen, sofern die Voraussetzungen des § 331 ZPO damals vorlagen, d.h. eine schlüssige Klage. Das Gericht muss nur anhand der Angaben des Klägers in der Klageschrift prüfen, ob die dort aufgestellten Tatsachenbehauptungen geeignet und ausreichend sind, den materiell rechtlich geltend gemachten Anspruch auf Schadensersatz, hier in Form eines Schmerzensgeldes, zu begründen.

Hierzu bedarf es nur der Angabe von Tatsachenbehauptungen. Beweismittel müssen nicht beigefügt werden (BGH, Beschluss vom 12. 3. 2008 - IV ZR 330/06 )

Dies war wohl damals der Fall. Hier findet keine Prüfung statt, ob die Angaben vollständig sind oder wahrheitsgemäß. Hiervon geht das Gericht aus und darf dann ein Versäumnisurteil erlassen, so dass dem Richter gegenüber keine Vorwürfe gemacht werden können.

Da der gegen ein Versäumnisurteil ordentlich zugelassene Rechtsbehelf des Einspruchs nicht mehr möglich ist, muss darüber nachgedacht werden, ob Möglichkeiten bestehen, dennoch die Entscheidung noch anzugreifen.

Eine Strafanzeige wegen eines Prozessbetruges gem. § 263 StGB würde dieses Ziel nicht erreichen. Ich habe auch erhebliche Zweifel, ob hier überhaupt bewusst unwahres Vortragen des Klägers zur Erlangung eines Versäumnisurteil vorliegt, weil hier ein Verstoß etwa gegen § 138 ZPO vorliegt. § 138 ZPO enthält die Verpflichtung zur Wahrheit und enthält ein sog. Lügeverbot. Es ist verboten wissentlich unwahre Behauptungen aufzustellen oder Tatsachen bewusst sinnentstellend zu verschweigen. Es ist aber nicht Aufgabe des Klägers, dem Beklagten ggf. günstige Umstände vorzutragen oder sich in Vermutungen über eine psyschatrische Erkrankung zu äußern. Nur soweit Verletzungen unwahr dargestellt worden sind, also Verletzungen vorgegeben worden sind, die überhaupt nicht vorhanden waren und das Gericht darauf die Höhe des Schmerzensgeldes gestützt hat, wäre ein Prozessbetrug denkbar.

Als außerordentliche Rechtsbehelfe zum Angriff gegen das VU stünde dann grundsätzlich erstmal das Wiederaufnahmeverfahren gem. §§ 578 ff. ZPO als denkbare Möglichkeit zur Verfügung. Das Gesetz erlaubt hier entweder eine Nichtigkeitsklage nach § 579 ZPO oder eine sog. Restitutionsklage nach § 580 ZPO,

Im Hinblick auf den bislang geschilderten Sachverhalt kann ich aber nicht erkennen, dass hier die Voraussetzungen der §§ 579, 580 BGB vorliegen, die für eine Nichtigkeits- oder Restitutionsklage erforderlich wäre.

Damit bleibt letztlich nur die Möglichkeit, nach § 826 BGB vorzugehen und so die Entscheidung des Gerichts im Ergebnis zu revidieren, wobei § 826 BGB ein Rechtsbehelf in Form einer Klage ist, die im Rahmen der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil eingelegt werden müsste.

Der BGH hat sich grundlegend zur Anwendbarkeit des § 826 BGB in Fällen eines rechtskräftigen Versäumnisurteils geäußert und hier ausgeführt, daß die Durchbrechung der Rechtskraft eines Vollstreckungstitels, auch eines Vollstreckungsbescheides oder Versäumnisurteils , auf der Grundlage eines Schadensersatzanspruchs nach § 826 BGB. nur in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen gewährt werden darf, weil sonst die Rechtskraft ausgehöhlt und die Rechtssicherheit beeinträchtigt würde. Die Rechtskraft muß nur dann zurücktreten, wenn es mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre, daß der Titelgläubiger seine formelle Rechtsstellung unter Mißachtung der materiellen Rechtslage zu Lasten des Schuldners ausnutzt
Die Anwendung des § 826 BGB in derartigen Fällen setzt nicht nur die materielle Unrichtigkeit des Vollstreckungstitels und die Kenntnis des Gläubigers hiervon voraus; hinzutreten müssen vielmehr besondere Umstände, die sich aus der Art und Weise der Titelerlangung oder der beabsichtigten Vollstreckung ergeben und die das Vorgehen des Gläubigers als sittenwidrig prägen, so daß es letzterem zugemutet werden muß, die ihm unverdient zugefallene Rechtsposition aufzugeben (BGH Az. VI ZR 9/98).

Die Voraussetzungen des § 826 BGB werden von der Rechtsprechung so hoch angesiedelt, dass ich aufgrund Ihres bislang gemachten Schilderungen nicht erkennen kann, dass diese hier erfüllt sind. Um dies abschließend beurteilen zu können, müsste die Prozessakte und der gesamte Schriftverkehr, ggf. auch die Akten eines parallel geführten Strafverfahrens eingesehen werden.

Ich hoffe, Ihnen hiermit vorab geholfen zu haben und stehe für Rückfragen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Klein


Rechtsanwalt Thomas Klein
Fachanwalt für Familienrecht, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Fachanwalt für Steuerrecht

Rückfrage vom Fragesteller 19. Juli 2021 | 06:17

Sehr geehrter Rechtsanwalt Thomas Klein,

vielen Dank für Ihre Antwort. Sie haben mir schon weiter geholfen.
Nun zu meiner Nachfrage:

1. Bitte benennen Sie mir die Rechtsgrundlagen und den richtigen BGH Beschluss dafür, dass Tatsachenbehauptungen ausreichen. Der hier genannte BGH Beschluss vom 12.03.2008 IV ZR 330/06 hat einen anderen Inhalt (Zurückverweisung über einen Streit, ob überhaupt ein Schaden durch das Fehlverhalten Bevollmächtigten (RA) entstanden ist)

2. Anhand der Komplexivität des Falls habe ich mich nur auf das absolut Wesentliche beschränkt.
Frage: Muss/kann man jetzt schon Klagen (sofortige Vollstreckbbarkeit möglich) oder wirklich nur im Rahmen der Zwangsvollstreckung??? Was ist, wenn diese z.B. erst in vier Jahren erfolgt? Ist dann nicht bereits Verjährung eingetreten? Wie ist die Dauer/ der Beginn der Verjährung bei § 826? Ist die Anwendung/Klage § 823 BGB möglich/notwendig?

3. Es besteht nicht nur die VERMUTUNG über über eine psychiatrische Erkrankung sondern das WISSEN (nachweisbar). Die Erkrangungssituation wollte man offensichtlich ein weiteres Mal für eine Bereicherung ausnutzen, weil es schon einmal so schön einfach war. (Provokation/diesmal noch heftigere falsche Angaben über Tathergang und Körperverletzung) Dies konnte nur durch einen wirklich dummen Zufall (Zeuge) verhindert werden.

Kleine Anmerkung zum Schluss: Es könnte wohl etwas an der Behauptung dran sein, dass psychisch Erkrankte aufgrund ihrer Wehrlosigkeit statistisch gesehen auch selber sehr sehr oft zum Opfer werden..

Mit freundlichen Grüßen

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 19. Juli 2021 | 07:53

Sehr geehrte Fragestellerin,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Es ist aufgrund der von Ihnen bereits erwähnten Komplexität schwierig zu beurteilen, ob hier eine Klage nach § 826 BGB Aussicht auf Erfolg hat, wobei die Hürden, die die Rechtsprechung hier setzt, sehr hoch sind.

Da ein Versäumnisurteil vorliegt, kann der Gläubiger des dort titulierten Anspruches 30 Jahre lang versuchen, im Rahmen der Zwangsvollstreckung Geld beizutreiben.

Da die Klage nach § 826 BGB primär die Zwangsvollstreckung angreift, wird sie erst dann erhoben, wenn der Gläubiger Vollstreckungsmaßnahmen einleitet. Es wird also hier dann keine Verjährung oder dergleichen eintreten. Allerdings muss sie erhoben werden, sobald die Vollsterckungsmaßnahme eingeleitet ist.

Manche Gerichte erlauben über § 826 BGB auch schon vorher eine Klage, und zwar gerichtet auf Herausgabe des sittenwidrig erlangten Titels. Aber auch hier kann ich mangels Kenntnis des gesamten Sachverhaltes die Erfolgsaussichten leider nicht abschließend beurteilen.

Was die Wahrheitspflicht bzw. das in § 138 ZPO enthaltene Lügeverbot anbelangt, so hat der BGH mehrfach entschieden, dass Im willentlichen Verschweigen einer Tatsache ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht liegt , wenn deren Offenbarung die Bedeutung des Erklärten grundlegend beeinträchtigten würde. Dagegen ist die Partei nicht verpflichtet, außerhalb des vorgetragenen Sachverhalts liegende Umstände zu offenbaren, die möglicherweise Rückschlüsse auf die Wahrheit ihrer Behauptungen zulassen, zB weil sie für die Beurteilung ihrer Glaubwürdigkeit bedeutsam sein können (BGH, Urt. v. 31. 5. 2011 − XI ZR 369/08 ) Der BGH betont hier stets, dass es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt (BGH IV ZR 19/06).

Ich würde in Ihrem Fall einen Verstoß gegen die Wahrheitspflicht nur dann als gegeben ansehen, wenn z.B. ein Strafverfahren vorausgegangen ist in dem die Schuldunfähigkeit positiv festgestellt worden ist und dies der Kläger, dem dies bekannt war, verschweigt. Gleiches würde ich annehmen, wenn der Kläger sichere Kenntnis davon hat und dies auch beurteilen kann, dass der Täter sich in einem schuldunfähigen Zustand befand.

Alles andere ist dann kein Verstoß gegen § 138 ZPO, da diese Norm dem Kläger weder aufzwingt, dem Beklagten günstige Umstände vorzutragen noch zwingt, Vermutungen in den Raum zu stellen, die erst durch eine Beweisaufnahme geklärt werden müssen.

Indessen sollte die gesamte Prozeßakte und auch der ggf. außergerichtlich geführte Schriftverkehr und auch ggf. vorhandene Strafakten daraufhin untersucht werden, was der Kläger wusste und was der nur vermutete.

Wenn Sie ausführen, dass der Kläger nicht nur die Vermutung hatte, dass der Täter psychisch erkrankt war, sondern dies positiv wusste, so hätte er dies vortragen müssen.

Für Rückfragen, gerne auch über meine email-Adresse, stehe ich zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Klein

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