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Rückforderung einer Schenkung–Mutter im Pflegeheim, mögliche Ansprüche Sozialamt

8. Oktober 2025 18:09 |
Preis: 60,00 € |

Sozialrecht


Beantwortet von

Sachverhalt:
Meine Mutter (Pflegegrad 4) , derzeit im Pflegeheim Wertheim hat mir vor etwa 19 Jahren ein kleines älteres Zweifamilienhaus notariell geschenkt.
Sie besitzt in einer der 2 Wohnungen ein lebenslanges Wohnrecht, das im Grundbuch eingetragen ist.
Ich habe das Haus vor 17 Jahren an meine Tochter weitergeschenkt. Wohnrecht ist weiterhin lebenslang eingetragen v Notar.
Nun ist absehbar, dass das Vermögen meiner Mutter in ca. 18 Monaten aufgebraucht sein wird und die Rente ca 1500 + Pflegegeld die Heimkosten (ca. 4000 €/Monat) nicht deckt.
Die Mutter wurde und wird derzeit nicht von uns gepflegt und unterstützt. ( Außer den innerfamiliären normalen rel. wenigen Hilfsleistungen wie Besorgungen usw)
Frage:
1. Kann das Sozialamt wegen Verarmung meiner Mutter die Schenkung zurückfordern, obwohl sie vor über 10 Jahren erfolgte?
2. Hat das bestehende Wohnrecht Einfluss auf den Fristlauf ?
3. Kann das Amt ggf. mich oder meine Tochter als Beschenkte in Anspruch nehmen?
4. Welche Schutzmöglichkeiten oder Gegenargumente bestehen (z. B. Zeitablauf, Pflegeleistungen, Gegenleistungen)?
5. Sollte man vorbeugend etwas anpassen oder dokumentieren?
Unterlagen vorhanden:
– Notarielle Schenkungsurkunde mit Wohnrechtseintrag
– dito Schenkung an Tochter
Ich bitte um eine rechtliche Einschätzung mit Begründung und Hinweis auf mögliche Handlungsoptionen.

8. Oktober 2025 | 19:45

Antwort

von


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Gerne zu Ihren Fragen:

1. Grundsätzliche Rückforderungsmöglichkeit wegen Verarmung des Schenkers

Nach Ablauf von zehn Jahren seit der Schenkung sind Rückforderungsansprüche grundsätzlich ausgeschlossen. Hintergrund ist, dass der sogenannte „Verarmungsrückgriff" nach der Rechtsprechung nur innerhalb dieses Zeitraums geltend gemacht werden kann. Diese Frist beginnt mit der tatsächlichen Ausführung der Schenkung zu laufen, also in Ihrem Fall mit der Eigentumsumschreibung im Grundbuch.

Da die Schenkung an Sie vor etwa 19 Jahren erfolgte, ist der Anspruch grundsätzlich zeitlich ausgeschlossen. Eine Rückforderung durch Ihre Mutter oder – nach § 93 SGB XII analog – durch das Sozialamt wäre daher nach gegenwärtiger Rechtslage nicht mehr möglich, wenn die Frist vollständig abgelaufen ist.

2. Einfluss des Wohnrechts auf die Frist

Allerdings gibt es in der Rechtsprechung eine wesentliche Einschränkung:
Solange sich der Schenker – hier Ihre Mutter – ein dingliches Wohnrecht oder Nießbrauchrecht vorbehält, gilt die Schenkung im juristischen Sinne nicht als vollständig ausgeführt, weil der Schenker einen wesentlichen wirtschaftlichen Nutzen behält.

Das bedeutet, dass der Fristlauf von zehn Jahren erst mit dem Wegfall des Wohnrechts beginnen würde. Solange Ihre Mutter also das Wohnrecht innehat und es im Grundbuch eingetragen ist, kann das Sozialamt argumentieren, die Schenkung sei (noch) nicht vollständig wirksam geworden.

In diesem Fall könnte die Zehnjahresfrist noch nicht zu laufen begonnen haben. Dies wäre der zentrale Angriffspunkt für das Amt. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs *) bestätigt, dass vorbehaltene Nutzungsrechte den Beginn der Frist hinausschieben können.

Zitat:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.07.2011, Az. X ZR 140/10

Gegenstand
Schenkung: Beginn der Zehnjahresfrist für den Ausschluss der Rückforderung eines mit dem Vorbehalt lebenslanger Nutzung geschenkten Grundstücks

Leitsatz
1. Bei der Schenkung eines Grundstücks genügt es zur Leistung des geschenkten Gegenstandes im Sinne von § 529 Abs. 1 Fall 2 BGB, dass der Beschenkte nach dem formgerechten Abschluss des Schenkungsvertrages und der Auflassung einen Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung beim Grundbuchamt eingereicht hat .

2. Der Beginn der in § 529 Abs. 1 Fall 2 BGB vorgesehenen Zehnjahresfrist wird nicht dadurch gehindert, dass sich der Schenker an dem verschenkten Grundstück ein lebenslanges Nutzungsrecht vorbehält .



Es geht dort zwar nicht um Pflichtteilsergänzung, sondern um die Rückforderung einer Schenkung wegen Verarmung des Schenkers (§§ 528 ff. BGB) – damit also um denselben Anspruchstyp, den auch ein Sozialhilfeträger nach § 93 SGB XII geltend macht, wenn er Schenkungen „zurückholt".


Der BGH hat dabei zwei zentrale Punkte entschieden:

1. Beginn der Zehnjahresfrist (§ 529 Abs. 1 Fall 2 BGB):
Die Frist beginnt bereits mit dem Eingang des Eintragungsantrags beim Grundbuchamt, nicht erst mit der tatsächlichen Eintragung.
Entscheidend ist also der Zeitpunkt, zu dem der Beschenkte (oder der beurkundende Notar für ihn) den Eintragungsantrag gestellt hat.

2. Vorbehalt eines Wohn- oder Nutzungsrechts:
Ein lebenslanges Wohnrecht des Schenkers hemmt oder verschiebt den Fristbeginn nicht.
Der BGH grenzt ausdrücklich von der Pflichtteilsergänzung (§ 2325 BGB) ab:
Dort ist der Fristbeginn tatsächlich gehemmt, solange der Schenker Nutzungsrechte behält.
Für die Verarmungsrückforderung (§§ 528 f. BGB) gilt das nicht, weil das Nutzungsrecht dem Schenker (und damit mittelbar auch der Allgemeinheit/Sozialhilfe) zugutekommt, also nicht schutzwürdig ist.

Übertragen auf Ihre Konstellation:
- Die Schenkung (Hausübertragung von Mutter auf Sie) liegt 19 Jahre zurück.
- Der Antrag auf Eintragung (Auflassung) dürfte zeitnah nach der notariellen Beurkundung gestellt worden sein.
- Das lebenslange Wohnrecht Ihrer Mutter hemmt den Lauf der Zehnjahresfrist nicht.

Damit ist die Frist des § 529 Abs. 1 BGB spätestens nach zehn Jahren ab Eintragungsantrag abgelaufen.

Eine Rückforderung – sei es durch Ihre Mutter selbst oder das Sozialamt als Rechtsnachfolger – ist nach meiner Interpretation vorbehaltlich einer Ferndiagnose !)endgültig ausgeschlossen.



3. Haftung der weiteren Beschenkten (Tochter)

Da Sie das Haus später an Ihre Tochter weitergeschenkt haben, könnte das Sozialamt unter Umständen prüfen, ob es den Anspruch auf Rückübertragung auch gegen den Zweitbeschenkten richtet.
Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass die erste Schenkung rückforderbar gewesen wäre – also der ursprüngliche Anspruch Ihrer Mutter gegen Sie fortbestanden hätte.

Wenn – wie oben beschrieben – das Wohnrecht den Fristlauf gehemmt hat, kann das Sozialamt grundsätzlich auch auf die Weitergabe des Hauses an Ihre Tochter zugreifen, soweit dadurch der Vermögensgegenstand der Schenkerin entzogen wurde.

Das Amt müsste aber nachweisen, dass Ihre Mutter infolge der Schenkung verarmt ist und dass die Weiterübertragung keine gleichwertige Gegenleistung beinhaltete.

4. Mögliche Gegenargumente und Schutzmechanismen

Es bestehen verschiedene Ansatzpunkte, um eine Inanspruchnahme abzuwehren:

Zeitablauf: Sollte sich nach Grundbucheinsicht bestätigen, dass die Schenkung trotz Wohnrecht als vollständig ausgeführt zu betrachten ist (z. B. weil das Wohnrecht nur tatsächlich, nicht wirtschaftlich wesentlich war), wäre der Rückforderungsanspruch verfristet.

Pflege- oder Unterstützungsleistungen: Auch geringfügige familiäre Hilfen können teilweise als „Gegenleistung" gewertet werden und die reine Unentgeltlichkeit der Schenkung in Frage stellen.

Verbrauch des Geschenkes: Wenn das Haus zwischenzeitlich erheblich verändert, modernisiert oder teilweise verkauft wurde, kann dies die Rückforderung faktisch erschweren.

Ermessensspielraum des Sozialamts: Selbst wenn formal ein Anspruch besteht, ist das Amt nicht zwingend verpflichtet, ihn geltend zu machen. Bei sehr alten Sachverhalten und geringen Erfolgsaussichten wird oft auf Rückforderung verzichtet.

5. Handlungsempfehlungen

Grundbuchauszug prüfen lassen, um das genaue Datum der Eigentumsumschreibung und den Umfang des Wohnrechts festzustellen.

Schenkungsverträge beider Stufen (an Sie und an Ihre Tochter) sorgfältig auf Formulierungen zum Nutzungsrecht und etwaige Gegenleistungen prüfen lassen.
Insbesondere also Dokumentation innerfamiliärer Leistungen (z. B. Fahrdienste, Einkäufe, Betreuung) anlegen, um im Fall einer Prüfung auf eine teilweise Gegenleistung verweisen zu können.

Von nachträglichen Änderungen oder neuen Verträgen sollte ohne fundierte Beratung abgesehen werden, da jede Umgestaltung unter Umständen als „neue Schenkung" gewertet werden kann und damit neue Fristen auslösen würde.

6. Vorläufiges Fazit aus der Ferne:

Entscheidend wird es sein, ob und wie genau dieses Recht wirtschaftlich (so) ausgestaltet ist, dass der BGH von einer „nicht vollständig ausgeführten Schenkung" ausgehen würde. Siehe obiges Urteil des BGH. Wenn mithin festgestellt wird, dass das Wohnrecht nur faktisch, nicht wirtschaftlich bedeutsam ist (z. B. kein Nießbrauch, keine Erträge aus Vermietung), dürfte der Rückforderungsanspruch verfristet sein.

Diese Einschätzung erfolgt ausschließlich auf Grundlage Ihrer Angaben und ohne Einsicht in die notarielle Urkunde, die Grundbuchlage oder sonstige Unterlagen. Eine verbindliche rechtliche Bewertung kann erst nach vollständiger Prüfung der Dokumente erfolgen. Die vorstehenden Ausführungen dienen daher lediglich der vorläufigen rechtlichen Orientierung und stellen keine abschließende Beratung im Einzelfall dar. Für eine abschließende Prüfung dieser jur. komplexen Materie empfehle ich, die notariellen Verträge und Grundbuchauszüge vor Ort notariell oder anwaltlich individuell prüfen zu lassen. Ich denke dennoch, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer

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