Sie planen die vollständige Verlagerung Ihres Lebensmittelpunktes nach Thailand und möchten absolut sichergehen, dass keine verdeckten Fallstricke bleiben, insbesondere im Hinblick auf Steuerpflicht, Wohnsitzbeendigung, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Auto, Bankkonten und das Thema Edelmetalle.
Zunächst ist entscheidend, dass der Wohnsitz nach deutschem Steuerrecht im Sinne des § 8 AO dann als aufgegeben gilt, wenn keine Wohnung in Deutschland mehr zur Verfügung steht, die Sie auch nur gelegentlich nutzen können. Die Rechtsprechung und Finanzverwaltung gehen hier regelmäßig sehr streng vor: Ein bloßer Auszug oder eine Abmeldung im Melderegister allein reichen nicht, wenn faktisch weiterhin ein Zugriff oder eine Nutzungsmöglichkeit (z. B. eigenes Zimmer, Schlüsselbesitz, Mobiliar, Vorratsräume) besteht oder nicht zweifelsfrei ausgeschlossen ist. Ihr Plan, sämtliche Schlüssel samt Mobiliar und Hausrat sowie die gesamte Immobilie mit einem eindeutigen, neutralen Übergabeprotokoll an Ihre Tochter zu übertragen, entspricht daher exakt den Anforderungen, die für eine unwiderrufliche Aufgabe des Wohnsitzes erforderlich sind. Kritisch wird von Behörden immer geprüft, ob nicht „im Hintergrund" ein Rückkehrrecht, ein Mitbenutzungsrecht oder schlicht eine faktische Nutzungsmöglichkeit (z. B. via Zweitschlüssel) verbleibt. Wenn Sie dokumentieren können, dass Sie tatsächlich keinerlei Möglichkeit mehr haben, die Immobilie zu nutzen – etwa durch Schlüsselübergabe, schriftliche Bestätigung der Tochter, Kündigung sämtlicher auf Sie laufender Versorgungsverträge und vollständige Entfernung persönlicher Gegenstände – ist eine sogenannte „Scheinübergabe" aus Sicht der Finanzbehörden sehr unwahrscheinlich.
Das Belassen des gesamten Mobiliars im Haus ist ausdrücklich unschädlich, sofern Sie tatsächlich alles der Tochter überlassen, Sie also nichts für sich zurückbehalten oder einlagern und keine Räume für sich selbst „reservieren". Der Hintergrund dieser restriktiven Auslegung durch die Finanzverwaltung ist, dass jede verbleibende Zugriffsmöglichkeit als Indiz für einen weiterhin bestehenden Wohnsitz interpretiert werden könnte – Sie schließen dies mit Ihrer geplanten lückenlosen Übergabe konsequent aus. Wichtig ist, dass dies durch das Übergabeprotokoll und ggf. eine eidesstattliche Versicherung der Tochter untermauert werden kann. Auch eine Abmeldung in Deutschland, der Nachweis regelmäßiger Ausgaben in Thailand sowie der Einreisestempel im Pass ergänzen dieses Bild und dienen als weitere Nachweise für Ihren dauerhaften Wegzug und Lebensmittelpunktverlagerung.
Die familieninterne Übertragung der Immobilie ist grundsätzlich unproblematisch. Aus steuerlicher Sicht ist jedoch zu beachten, dass das Finanzamt gerade bei solchen Schenkungen auf den Realitätsgehalt der Übertragung schaut. Wenn die Tochter die Immobilie vollständig und allein nutzt, sämtliche Schlüssel und Rechte erhält und Sie keine „Hintertür" behalten, ist keine Scheinübertragung zu befürchten. Problematisch wären lediglich Situationen, in denen – etwa im Streitfall – nachgewiesen werden kann, dass Sie auch nach außen hin noch Nutzungsrechte, Schlüssel, Räume oder Mitbestimmungsrechte haben.
Die Möglichkeit einer teilweisen (z. B. hälftigen) Übertragung auf Ihre Tochter ist rechtlich gegeben und wird auch aus schenkungsteuerlicher Sicht häufig genutzt, um den persönlichen Freibetrag von 400.000 € pro Elternteil alle zehn Jahre optimal auszunutzen. Sie können so das Haus stufenweise übertragen, ohne Schenkungsteuer auszulösen, solange der jeweilige Wert unter den Freibeträgen bleibt. Allerdings gilt aus Sicht des Steuerrechts: Solange Sie noch Miteigentümer sind, verfügen Sie weiterhin über eine rechtliche Herrschaftsmöglichkeit über die Immobilie, selbst wenn Sie im Ausland leben. Das bedeutet, dass der Wohnsitz im Sinne des § 8 AO regelmäßig erst dann als endgültig aufgegeben gilt, wenn Sie keinerlei rechtliche oder tatsächliche Verfügungsbefugnis mehr haben. Für die rechtssichere Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht empfiehlt es sich daher, das Haus vollständig zu übertragen. Andernfalls könnte das Finanzamt argumentieren, dass Ihnen weiterhin ein Wohnsitz in Deutschland zur Verfügung steht – mit den entsprechenden steuerlichen Konsequenzen.
Ihr Fahrzeug sollte idealerweise ebenfalls auf die Tochter übertragen und umgemeldet werden. Es gibt zwar keine gesetzliche Regel, die das Aufbewahren eines abgemeldeten Fahrzeugs in einer deutschen Garage explizit verbietet, jedoch könnte ein auf Sie zugelassenes Auto in der ehemaligen Wohnimmobilie für das Finanzamt ein weiteres Indiz sein, dass Sie noch „Anknüpfungspunkte" nach Deutschland haben. Eine klare Trennung und Übertragung des Fahrzeugs auf die Tochter beseitigt diese Unsicherheit und vermeidet Diskussionen mit der Finanzverwaltung. Besonders wichtig ist dies, wenn Sie tatsächlich nicht mehr beabsichtigen, das Auto selbst zu nutzen.
Das Beibehalten eines deutschen Bankkontos oder einer Kreditkarte – auch für Rentenzahlungen, Pensionsbezüge oder zur Überweisung nach Thailand – ist steuerlich unschädlich. Die reine Unterhaltung eines Bankkontos begründet keinen Wohnsitz und führt auch nicht zu einer beschränkten oder erweiterten Steuerpflicht in Deutschland. Problematisch wäre es nur, wenn Sie dieses Konto für Aktivitäten nutzen, die einen neuen steuerlichen Anknüpfungspunkt schaffen könnten, wie z. B. selbständige Tätigkeiten, umfangreiche Investments oder andere regelmäßige Geschäftsaktivitäten. Ein Wise-Konto für grenzüberschreitende Zahlungen stellt ebenfalls keinen steuerlichen Anknüpfungspunkt dar. Die Rentenüberweisung ins Ausland ist für Sie als Auswanderer problemlos möglich und von der Rentenversicherung auch ausdrücklich vorgesehen.
Ihre Edelmetalle im deutschen Bankschließfach zu verwahren, ist aus steuerlicher Sicht derzeit unproblematisch. Die bloße Lagerung von Vermögensgegenständen oder Edelmetallen in Deutschland begründet nach aktueller Rechtsprechung und Verwaltungspraxis weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenordnung. Entscheidend ist immer, dass Sie keine eigene Wohnung oder andere regelmäßige Aufenthaltsmöglichkeit in Deutschland mehr besitzen. Edelmetalle und sonstiges Vermögen können Sie daher ohne steuerliche Nachteile in einem deutschen Bankschließfach verwahren. Auch für den Fall einer möglichen Vermögenssteuer oder -abgabe: Da Sie ab Auswanderung keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt mehr haben, werden Sie von zukünftigen Vermögensabgaben mit Inlandsbezug nicht betroffen, sofern sich die Gesetzeslage nicht grundlegend ändert. Nach heutigem Stand wäre eine etwaige künftige Vermögenssteuer ausschließlich an einen deutschen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt gebunden.
Eine notarielle Schenkung ist auch nach Ihrer Auswanderung möglich. Sie können einer Vertrauensperson, in Ihrem Fall Ihrer Tochter, eine umfassende notarielle Vollmacht für die Durchführung des Schenkungsvertrags und der Schlüsselübergabe erteilen. Aus steuerlicher Sicht und im Hinblick auf die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht ist jedoch entscheidend, wann die tatsächliche Übergabe – also die Verschaffung des alleinigen Besitzes und der Herrschaftsmacht an die Tochter – erfolgt. Der steuerlich relevante Zeitpunkt für die Aufgabe des Wohnsitzes ist in der Praxis der Tag, an dem Sie keine Verfügungsmacht mehr über die Immobilie haben, nicht der Tag der notariellen Beurkundung. Erfolgt die Übergabe und Schlüsselübergabe erst nach Ihrer Abmeldung aus Deutschland oder nach Ihrem Abflug, kann das Finanzamt argumentieren, dass bis zu diesem Zeitpunkt ein Wohnsitz und damit eine unbeschränkte Steuerpflicht bestand. Ich empfehle daher, Schenkungsvertrag und Übergabe möglichst vor der endgültigen Ausreise und Abmeldung zu realisieren, um klare Verhältnisse zu schaffen.
Ihr Konzept ist sehr gut strukturiert. Es ist ratsam, sämtliche Unterlagen, Protokolle, Abmeldebescheinigungen, Abmeldungen bei Versorgern, Kündigungen von Verträgen und Nachweise über den Aufenthalt in Thailand sauber zu archivieren, damit Sie gegenüber dem Finanzamt lückenlos und schlüssig belegen können, dass der Wohnsitz tatsächlich und unwiderruflich aufgegeben wurde. Denken Sie daran, dass im Streitfall mit dem Finanzamt die Beweislast für die Aufgabe des Wohnsitzes bei Ihnen liegt.
Abschließend: Sie haben alle relevanten Aspekte sehr gründlich bedacht und minimieren mit Ihrer Vorgehensweise die steuerlichen Risiken maximal. Die wichtigste Empfehlung: Sorgen Sie dafür, dass keinerlei rechtliche, tatsächliche oder wirtschaftliche Anknüpfungspunkte zu einem inländischen Wohnsitz bleiben – insbesondere durch vollständige Übertragung der Immobilie und des gesamten Hausrats sowie durch Kündigung aller relevanten Verträge und Nutzungsverhältnisse. Halten Sie Ihre Dokumentation vollständig und eindeutig, um für eventuelle Rückfragen oder Prüfungen durch das Finanzamt optimal vorbereitet zu sein. Lassen Sie vor der Umsetzung Ihres Vorhabens den finalen Schenkungsvertrag und die Übertragungsmodalitäten von einem spezialisierten Steuerberater und Notar prüfen, um auch im Detail keine Unsicherheiten zu haben.
Ich hoffe das hilft für die erste Einschätzung, viele Grüße und einen tollen Tag!
Antwort
vonRechtsanwalt Dr. Stefan Sepp Lorenz, Steuerberater, LL.M. oec., Diplom-Finanzwirt (FH)
Zehdenicker Str. 16
10119 Berlin
Tel: 030/37003161
Web: https://www.frag-einen-anwalt.de/anwalt/Rechtsanwalt-Stefan-Sepp-Lorenz-__l108700.html
E-Mail:
Sehr geehrter Herr Dr. Lorenz,
herzlichen Dank für Ihre ausführlichen und außerordentlich hilfreichen und aufklärenden Ausführungen, worüber wir uns sehr gefreut haben!
Im Zusammenhang mit der Immobilienschenkung an die Tochter habe ich noch eine kleine Nachfrage:
Birgt es aus steuerlicher Sicht Gefahrenpotential, wenn wir das Haus an die Tochter z.B. heute verschenken und gleichzeitig alle mit dem Haus zusammenhängenden Verträge auf die Tochter abschließen, die Immobilie jedoch zunächst weiterhin im Rahmen eines Familiensitzes zu dritt bewohnen und die Auswanderung möglicherweise erst in einem Jahr in aller Ruhe vollziehen (mit dem gleichen Übergabeprozedere wie in der Initialfragestellung). Ich sehe dies eher als vorteilhaft an.
Vielen Dank für Ihre Antwort und nochmals herzlichen Dank für die bisherige Aufklärungsarbeit.
Mit freundlichen Grüßen
Auswanderer24
Sehr gerne beantworte ich Ihre ergänzende Frage und danke für das positive Feedback! Ihre Überlegung, das Haus bereits jetzt an Ihre Tochter zu verschenken, aber die gemeinsame Nutzung als Familiensitz noch fortzuführen und die endgültige Auswanderung erst später umzusetzen, ist nachvollziehbar. Sie sollten jedoch unbedingt wissen, wie diese Gestaltung steuerlich und rechtlich zu beurteilen ist.
Aus schenkungsteuerlicher Sicht gibt es grundsätzlich kein Problem, das Haus bereits jetzt an die Tochter zu übertragen. Die Schenkungsteuer entsteht im Moment der Schenkung, also mit Abschluss des notariellen Vertrags und Eigentumsumschreibung. Für die optimale Nutzung der Freibeträge und das steuerliche Prozedere ist es sogar oft von Vorteil, Schenkungen rechtzeitig durchzuführen und sauber zu dokumentieren.
Wesentlich heikler ist allerdings die Frage der steuerlichen Wohnsitzaufgabe im Sinne des § 8 AO. Solange Sie das Haus nach der Übertragung weiterhin als Wohnung nutzen – auch gemeinsam mit der Tochter – bleibt Ihnen nach Ansicht der Finanzverwaltung ein Wohnsitz in Deutschland erhalten. Das gilt unabhängig davon, wem das Eigentum gehört. Die steuerliche unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland endet daher nicht mit der Schenkung oder dem Wechsel der Versorgungsverträge, sondern erst mit der endgültigen Aufgabe der Nutzungsmöglichkeit und dem tatsächlichen Auszug. Das bedeutet konkret: Auch wenn Sie alles verschenken, alle Verträge umschreiben und sogar schon abgemeldet wären – solange Sie tatsächlich noch in der Immobilie wohnen, besteht weiterhin ein steuerlicher Wohnsitz mit allen Folgen (Einkommensteuerpflicht auf Welteinkommen, Erbschaftsteuerpflicht, potenziell künftige Vermögensabgaben usw.).
Eine Schenkung mit anschließender gemeinsamer Weiternutzung ist absolut üblich und aus schenkungsteuerlicher Sicht zulässig. Für Ihr Auswanderungsvorhaben und die Beendigung der deutschen Steuerpflicht ist aber entscheidend, wann Sie die tatsächliche Nutzung endgültig aufgeben, die Schlüssel und alle Rechte abgeben und keinerlei Wohnmöglichkeit in Deutschland mehr haben. Erst ab diesem Zeitpunkt endet Ihre unbeschränkte Steuerpflicht.
Das von Ihnen beschriebene Vorgehen ist also steuerlich völlig in Ordnung, birgt aber den „Nachteil", dass Sie bis zum tatsächlichen Auszug aus Sicht des deutschen Steuerrechts weiterhin als unbeschränkt steuerpflichtig gelten. Das kann, je nach Ihren weiteren Einkünften oder Planungen, relevant sein. Vorteil ist, dass Sie die Schenkung sauber vorbereiten und vielleicht auch entspannter organisieren können.
Sie können die Übertragung daher problemlos jetzt durchführen und in Ruhe ausziehen, sollten aber mit der Abmeldung und der steuerlichen Wohnsitzaufgabe unbedingt bis zu dem Tag warten, an dem Sie das Haus wirklich vollständig verlassen haben. Erst nach der tatsächlichen und dokumentierten Übergabe aller Schlüssel, Aufgabe sämtlicher Nutzungsrechte und endgültigem Auszug ist der Wohnsitz für das Finanzamt beendet.
Schöne Grüße!