Sehr geehrter Ratsuchender,
gerne beantworte ich Ihre Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung und Ihres Einsatzes wie folgt, aufgrund der Vielzahl der Fragen und der vorgegebenen Zeitbegrenzung in der gebotenen Kürze:
- In Hinblick auf einseitig vom Arbeitgeber aufgestellte Arbeitsanweisungen, die nach Einrichtung des Betriebsrates der Mitbestimmungspflicht unterfallen, gilt nach wohl herrschender Ansicht: Der Arbeitgeber muss unverzüglich die entsprechenden Initiativen einleiten, um die Zustimmung des Betriebsrates zu erhalten bzw. der Arbeitsanweisung durch eine entsprechende Betriebsvereinbarung die erforderliche Basis zu geben. Regelmäßig wird dem Arbeitgeber hierfür eine angemessene Übergangszeit zugebilligt.
- Soweit durch die Umsetzung des Qualitätsmanagements Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates berührt werden, ist m.E. eine entsprechende Beteiligung des Betriebsrates notwendig
- Nein, der Betriebsrat kann keine Tarifbindung erzwingen, er ist lediglich für die Überwachung der korrekten Anwendung ggf. geltender Tarifvereinbarungen zuständig, siehe § 80 BetrVG
.
- Der Arbeitgeber hat kein allgemeines Anrecht auf Teilnahme an einer Betriebsratssitzung. Hat er aber gemäß § 29 Abs. 4 BetrVG
die Einberufung einer Sitzung beantragt, so wird er mindestens zu den von ihm beantragten Tagesordnungspunkten eingeladen. Eine Teilnahme ist zudem auf ausdrückliche Einladung des Betriebsratsvorsitzenden möglich.
- Grundsätzlich hat jedes Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf Weiterbildung, soweit es seine Arbeit erfordert. Dieser Anspruch ergibt sich aus der Kostentragungsvorschrift des § 37 Abs. 6
i.V.m. § 40 BetrVG
. Lediglich wenn hierbei die betrieblichen Notwendigkeiten nicht ausreichend berücksichtigt wurden (z.B. Schulungszeitraum mitten in der „Hauptsaison") oder die Fortbildung objektiv nicht erforderlich/unverhältnismäßig ist, kann der Arbeitgeber die Freistellung verweigern (und müsste dann ggf. die Einigungsstelle anrufen, siehe § 37 Absatz 6 Satz 4 BetrVG
). Gerichtlich überprüfbar ist also nur die Einhaltung der Grenzen des Ermessens durch den Betriebsrat. Bis zur Grenze der Ermessensüberschreitung durch den Betriebsrat muss der Arbeitgeber die Entscheidungen des Betriebsrats hinnehmen. Insofern kann der Betriebsrat auch nicht zwingend verpflichtet werden, Ihre eigenen Vorschläge anzunehmen
- Alle genannten Punkte unterfallen grundsätzlich dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 BetrVG
, es sei denn die Notwendigkeit der Regelung (z.B. Rauchverbot, Ruhepause) ergibt sich schon aus gesetzlichen Bestimmungen, Vorschriften von Berufsgenossenschaften oder sonstigen als zwingend zu begreifenden Erfordernissen des Betriebs
- Wenn ein befristetes Arbeitsverhältnis verlängert oder in ein unbefristetes umgewandelt wird, liegt eine gemäß § 99 BetrVG
zustimmungspflichtige Einstellung vor. Bitte beachten Sie, dass § 99 BetrVG
aber erst Anwendung findet, wenn Sie in Ihrem Betrieb mehr als 20 wahlberechtigte Mitarbeiter beschäftigen.
- Ein Mitbestimmungsrecht besteht bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung, § 87 Nr.10 BetrVG
, nicht aber bei individuellen Gehaltsverhandlung. Dies gilt auch bzgl. der Ausübung Ihres Direktionsrechts: Mitbestimmungsrecht nur, wenn es um das Verhalten der Arbeitnehmer und die betriebliche Ordnung geht (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG
) und es sich um generelle (kollektive) Regelungen handelt.
- Ja, § 102 BetrVG
sieht eine Mitbestimmung des Betriebsrates unabhängig davon vor, ob dies in der Probezeit geschieht und/oder bereits Kündigungsschutz besteht.
- Jede Einstellung eines neuen Mitarbeiters ist eine personelle Einzelmaßnahme im Sinne des § 99 BetrVG
. Als Arbeitgeber benötigen Sie daher vor jeder Einstellung die Zustimmung Ihres Betriebsrats. Die Zustimmung darf aber grundsätzlich nur aus den in § 99 Absatz 2 genannten Gründen verweigert werden.
Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben. Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion.
Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände keinen abschließenden Rat geben kann. Sofern Sie eine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes wünschen, empfehle ich, einen Rechtsanwalt zu kontaktieren und die Sachlage mit diesem bei Einsicht in sämtliche Unterlagen konkret zu erörtern.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Jan Wilking
Brandsweg 20
26131 Oldenburg
Tel: 0441-7779786
Web: https://www.jan-wilking.de
E-Mail:
Rechtsanwalt Jan Wilking
Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. Sie haben mir weitergeholfen.
Aber könnten Sie mir noch sagen, ob ich im Bezug auf Weiterbildung des Betriebsrates, nur den Vorsitzenden freistellen muss, oder den gesamten BR (3 Personen), oder auch die Nachrücker?
Vielen Dank und viele Grüße
Vielen Dank für Ihre Nachfrage, die ich wie folgt beantworten möchte:
Es ist zu unterscheiden zwischen dem Schulungsansprüchen aus § 37 Absatz 6 und Absatz 7 BetrVG
.
Der Anspruch aus Absatz 6 ist ein Kollektivanspruch des Betriebsrates. Der Betriebsrat kann ein bestimmtes Betriebsratmitglied für die Teilnahme bestimmen, das dann (soweit die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind) freigestellt werden muss.
Nach § 37 Abs. 7 BetrVG
hat dagegen jedes Betriebsratsmitglied einen eigenen Anspruch auf bezahlte Freistellung für insgesamt drei bzw. vier Wochen, um an Betriebsratsschulungen teilzunehmen (soweit die Schulung als geeignet anerkannt ist). Allerdings muss der Arbeitgeber für solche Schulungsmaßnahmen nicht die Kosten tragen, sondern der Teilnehmer selbst, sodass diese Vorschrift in der Praxis wenig Bedeutung hat.
Ersatzmitglieder sind von diesen Ansprüchen regelmäßig ausgenommen, außer wenn sie für ausgeschiedene Mitglieder endgültig nachgerückt sind oder wenn sie häufig und für längere Zeit Betriebsratmitglieder vertreten.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen