Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
1.) Räumungsklage gegen einen (ggf. betreuten) Mieter: Erfolgsaussichten
Zunächst ist klarzustellen, dass auch betreute Personen grundsätzlich prozessfähig sind, wenn keine umfassende Betreuung mit dem Einwilligungsvorbehalt (§ 1825 BGB) für Wohnungsangelegenheiten eingerichtet wurde. Sollte ein solcher Einwilligungsvorbehalt bestehen, müsste die Klage dem Betreuer zugestellt werden. Ist der Betreuer nicht bekannt, wäre über das Betreuungsgericht ein Betreuer zu ermitteln oder im Zweifelsfall ein sogenannter „Ergänzungsbetreuer" zu bestellen.
Da Ihnen keinerlei Mietvertrag vorliegt, ist davon auszugehen, dass ein (formloser) Mietvertrag existiert, der mit dem früheren Eigentümer geschlossen wurde, sei es durch konkludentes Verhalten (Zahlung und Duldung). Dieser Mietvertrag ist gemäß § 57a ZVG mit der Eigentumsumschreibung auf Sie übergegangen. Sie sind in die Vermieterstellung eingetreten.
Gemäß § 57a ZVG können Sie das Mietverhältnis unter erleichterten Bedingungen außerordentlich kündigen. Die Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt mit Eigenbedarf ist bei Vorlage des Zuschlagsbeschlusses rechtlich wirksam, wenn der Eigenbedarf nachvollziehbar und konkret dargelegt ist – was nach Ihrer Schilderung erfolgt ist. Die Nichtreaktion des Mieters ist dabei unbeachtlich.
Eine fehlende Reaktion auf die Kündigung oder die Korrespondenz bedeutet nicht, dass der Mieter nicht ausziehen muss. Vielmehr sind Sie nach Ablauf der Kündigungsfrist berechtigt, Räumungsklage gem. § 546 Abs. 1 BGB i.V.m. § 985 BGB zu erheben. Die Tatsache, dass der Mieter Sozialleistungen erhält oder betreut wird, hindert die Räumungsklage nicht – die Gerichte sind hier sehr klar: Schutzwürdigkeit besteht, aber nur im Rahmen des § 574 BGB (Sozialklausel). Wenn der Mieter sich jedoch auf die Sozialklausel (§ 574 BGB) berufen will, muss er dies explizit tun. Eine Berufung ist ohne Widerspruch ausgeschlossen. Hier wurde – soweit ersichtlich – kein Widerspruch eingelegt, womit das Mietverhältnis formell beendet ist.
Die Räumungsklage ist erfolgversprechend. Sie sollten allerdings beim Amtsgericht auf eine eventuelle Betreuung hinweisen, damit ggf. ein Verfahrenspfleger bestellt wird (§§ 57, 276 ZPO).
2.) Mietanpassung vs. Kündigung – Risikoabwägung
Eine Mieterhöhung nach erfolgter Kündigung ist problematisch. Sie haben den Eigenbedarf geltend gemacht und eindeutig klargestellt, dass kein weiteres Nutzungsrecht über den 30.04. hinaus besteht. Ein „paralleles" Mieterhöhungsverlangen könnte nachteilig interpretiert werden – insbesondere als Hinweis darauf, dass der Eigenbedarf vorgeschoben sein könnte, was die Kündigung angreifbar machen würde.
Zudem würde eine Mieterhöhung das Mietverhältnis fortsetzen, was im Widerspruch zur ausgesprochenen Kündigung stünde. Sie würden damit konkludent einen neuen Mietvertrag anbieten oder das bestehende fortsetzen, was prozessual ausgenutzt werden könnte.
Keine Mieterhöhung jetzt vornehmen. Erst nach Abschluss einer etwaigen Räumungsklage und Freigabe der Wohnung.
3.) Unklare Miethöhe und Nebenkosten – Handlungsmöglichkeiten
Wenn Ihnen der Mietvertrag nicht vorliegt und auch der Zwangsverwalter keine Nebenkostenzusammensetzung kennt, ist eine korrekte Mieterhöhung derzeit nicht möglich. Ein Mieterhöhungsverlangen nach §§ 558 ff. BGB setzt voraus, dass die ortsübliche Vergleichsmiete beziffert wird und der aktuelle Kaltmietbetrag bekannt ist.
Sie könnten versuchen, beim Jobcenter Informationen zur Miethöhe einzuholen, da dieses die Miete zahlt. Ein Auskunftsersuchen unter Hinweis auf Ihre neue Eigentümerstellung könnte Erfolg haben. Alternativ könnte ein Auskunftsanspruch gegenüber dem Mieter bestehen (§ 242 BGB), doch setzt dieser Kommunikation voraus.
Dokumentieren Sie alle bisherigen Korrespondenzen sorgfältig. Beginnen Sie jetzt mit der Vorbereitung einer Räumungsklage. Setzen Sie eine letzte Frist zur freiwilligen Herausgabe der Wohnung, mit Hinweis auf die Kündigung und die fehlende Reaktion; danach dann Klage beim Amtsgericht erheben; wenn sich Hinweise auf eine Betreuung verdichten, dies dann dem Gericht mitteilen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Steffan Schwerin
Golmsdorfer Str. 11
07749 Jena
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Rechtsanwalt Steffan Schwerin
Sehr geehrter Herr Schwerin,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre Antwort. Gerne würde ich noch konkret etwas zur Räumungsklage erfahren:
Ich wohne sehr weit vom Objekt entfernt, müsste ich bei der Räumungsklage am lokalen AG vor Ort sein? Wie läuft so etwas normalerweise ab? Müsste mein über 80jähriger Schwiegervater als Zeuge erscheinen? Oder wird das Verfahren schnell auf Basis der Aktenlage (meine Schreiben) durchgezogen? Oder in Präsenz an einem Verhandlungstag?
Beste Grüße
Die Erhebung einer Räumungsklage erfolgt gemäß § 253 ZPO durch Einreichung einer Klageschrift beim zuständigen Amtsgericht, welches sich nach dem Belegenheitsort der Wohnung richtet (§ 29a ZPO). Sie als Kläger müssen grundsätzlich nicht persönlich anwesend sein, insbesondere wenn Sie anwaltlich vertreten sind – was bei einer Räumungsklage dringend empfohlen wird, um Fehler im Verfahren zu vermeiden.
Die Gerichte verhandeln auch in Wohnraummietsachen regelmäßig mündlich (§ 128 ZPO). Eine mündliche Verhandlung findet also grundsätzlich statt. Allerdings entscheidet das Gericht häufig im schriftlichen Verfahren, insbesondere wenn der Beklagte nicht erscheint oder sich nicht äußert und der Sachverhalt unstreitig oder dokumentiert ist (§ 331 Abs. 3 ZPO, § 495a ZPO).
Wenn Sie dem Gericht sämtliche relevanten Dokumente (Zuschlagsbeschluss, Kündigungsschreiben, Nachweis über Zustellung, Zahlungsbelege, ggf. Nachweis des Eigenbedarfs) vorlegen und der Beklagte nicht widerspricht, kann das Gericht auch ohne Verhandlung durch Versäumnisurteil entscheiden (§ 331 ZPO), vorausgesetzt, der Beklagte erscheint oder äußert sich nicht fristgerecht. Dies gilt allerdings nur bei ordnungsgemäßer Zustellung der Klage.
Hinsichtlich Ihres Schwiegervaters ist zu beachten: Er muss nicht zwingend als Zeuge geladen werden, wenn der Eigenbedarf in der Kündigung plausibel und ausreichend konkret dargelegt ist, was nach Ihrer Schilderung erfolgt ist. Das Gericht prüft zunächst nur formell, ob die Kündigung wirksam ist. Eine Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung wird nur notwendig, wenn der Mieter bestreitet, dass tatsächlich Eigenbedarf besteht oder dass dieser ernsthaft und konkret ist.
In der aktuellen Konstellation – fehlende Reaktion des Mieters, keine Einwendungen, keine Widerspruchseinlegung – ist ein Versäumnisurteil oder eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren sehr wahrscheinlich. Voraussetzung ist aber, dass die Klageschrift ordnungsgemäß zugestellt wird. Sollte sich herausstellen, dass der Beklagte betreut wird, wird das Gericht gemäß § 57 ZPO ggf. einen Verfahrenspfleger bestellen. Auch das kann die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung reduzieren, weil der Verfahrenspfleger dann für den Betroffenen auftritt.
In der Praxis bedeutet dies: Sie müssen nicht anreisen, insbesondere wenn Sie einen Anwalt mandatieren. Ihr Schwiegervater muss nicht erscheinen, es sei denn, der Mieter erhebt substanzielle Einwände gegen den Eigenbedarf, was derzeit nicht ersichtlich ist. Die Räumungsklage läuft voraussichtlich ohne größere Hürden ab, wenn Sie Ihre Dokumentation sorgfältig vorbereiten und etwaige Betreuungshinweise dem Gericht mitteilen.