Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
1. Warum gibt es diese Sperrfrist nur für vermietete Wohnungen und nicht für vermietete Häuser?
Der besondere Kündigungsschutz des § 577a BGB wurde 2001 eingeführt, um ein damals gängiges Geschäftsmodell einzudämmen: Ganze Mietshäuser wurden in einzelne Eigentumswohnungen umgewandelt und sofort an Selbstnutzer verkauft, die ihrerseits wegen Eigenbedarfs kündigen konnten. Die Sperrfrist von drei Jahren (in angespannten Wohnungsmärkten bis zu zehn Jahren) soll genau dieses Umwandlungsszenario entschärfen, weil sich für die Mieter die Zahl der potenziellen Eigenbedarfskündigungen sprunghaft erhöht. Bei einem klassischen Ein- oder Zweifamilienhaus fehlt diese Strukturänderung – es wird lediglich das bereits bestehende Grundstück an einen neuen Eigentümer übertragen. Der Gesetzgeber sah deshalb keinen Anlass, den erweiterten Kündigungsschutz auch auf solche Verkäufe auszudehnen, sodass hier die üblichen Fristen des § 573c BGB gelten.
2. Gab es schon Klagen / Urteile zu dieser Ungleichheit in der Rechtsprechung, dass hier Mieter von Wohnungen besser geschützt erscheinen als Mieter von Häusern?
Die unterschiedliche Behandlung von Wohnungen und Ein- oder Zweifamilienhäusern ist mehrfach gerichtlich überprüft worden – bislang ohne Erfolg für Hausmieter. Der Bundesgerichtshof hat die Sperrfrist zwar 2008 einmal auf ein Reihenhaus angewandt, doch nur deshalb, weil der Vermieter das ursprünglich einheitliche Grundstück zuvor in viele kleine Parzellen aufgeteilt hatte; rechtlich entsprach das einer Wohnungsumwandlung (BGH, Urteil vom 28. Mai 2008 – VIII ZR 126/07). Zehn Jahre später bestätigte derselbe Senat dagegen ausdrücklich, dass der Käufer eines vermieteten Einfamilienhauses, an dem keine Umwandlung vorgenommen wurde, nicht an § 577a BGB gebunden ist (BGH, Urteil vom 21. März 2018 – VIII ZR 104/17). Eine gegen diese „Ungleichbehandlung" gerichtete Verfassungsbeschwerde nahm das Bundesverfassungsgericht 2011 gar nicht erst zur Entscheidung an, weil es keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG sah; der Gesetzgeber dürfe unterschiedliche Gefährdungslagen differenziert regeln (BVerfG, Beschluss vom 4. April 2011 – 1 BvR 1803/08).
3. Wie schätzen Sie unsere Chancen ein als Familie mit drei kleinen Kindern unter Zuhilfenahme der Härtefallregelung gegen eine Eigenbedarfskündigung vorzugehen? Wie viel Zeit können wir maximal rausholen?
Ihre stärkste Verteidigung – insbesondere als Familie mit drei kleinen Kindern – ist der Härtefallwiderspruch nach §§ 574 ff. BGB. Er muss spätestens zwei Monate nach Zugang der Eigenbedarfskündigung schriftlich beim Vermieter (und gegebenenfalls beim Käufer) eingehen. Darin sollten Sie möglichst genau begründen, warum ein Auszug für Sie unzumutbar wäre, zum Beispiel wegen laufender Schul- und Kitabetreuung, der angespannten Wohnraumsituation vor Ort oder besonderer gesundheitlicher Belastungen.
Die Praxis zeigt, dass Gerichte Familien in solchen Konstellationen häufig einen Aufschub von etwa neun bis 18 Monaten gewähren. In Regionen mit besonders knappem Wohnungsangebot – Berlin ist dafür ein prominentes Beispiel – wurden zuletzt sogar volle zwei Jahre zugesprochen (LG Berlin 67 S 264/22, Urteil vom 25. 01. 2024). Ein wirklich unbefristetes Weiterwohnen wird dagegen nur bei außergewöhnlich gravierenden Härten – etwa schwerer Krankheit oder Pflegebedürftigkeit – in Betracht gezogen und bleibt die Ausnahme.
Kurz gesagt: Mit einer gut begründeten Härtefallargumentation und sauber dokumentierter Wohnungssuche können Sie realistisch mit einem zusätzlichen Verbleib von rund einem bis anderthalb Jahren rechnen; in sehr angespannten Märkten sind bis zu zwei Jahre möglich. Entscheidend ist jedoch immer der konkrete Härtefall im Einzelfall: Je überzeugender Sie Ihre persönliche Situation belegen, desto größer sind Ihre Chancen auf einen längeren Aufschub. Alles dokumentieren.
4. Haben Sie weitere Ideen, wie wir unseren Verbleib im jetzigen Haus nach einem Verkauf durchsetzen können?
Jenseits des gerichtlichen Weges lohnt es sich, parallel nach pragmatischen Lösungen zu suchen. Viele Kapitalanleger kaufen lieber weiter vermietete Objekte, weil sie sofort Mieteinnahmen erzielen; signalisieren Sie daher Ihrem jetzigen Vermieter, dass ein Verkauf an einen Investor für ihn risikolos und ohne Leerstand möglich ist. Sollte doch ein Selbstnutzer kaufen, lässt sich häufig eine Abfindung oder ein langer Übergangszeitraum aushandeln, wenn Sie überzeugend darlegen, wie schwierig Neukindergarten- oder Schulplätze zu bekommen sind.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwältin Zusan Asefi
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