Sehr geehrte Ratsuchende,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich wie folgt beantworten möchte:
Offensichtlich haben Sie ein absolutes Schrott-Auto erworben. Nach meiner Einschätzung können Sie von dem Kaufvertrag zurücktreten, wozu ich Ihnen angesichts der gravierenden Schäden aus rate.
Im Einzelnen:
1. Rücktrittsrecht:
Ihnen steht nach erster Einschätzung ein sofortiges Rücktrittsrecht gemäß §§ 433
, 434
, 437 BGB
zu. Die Kaufsache ist in hohem Maße Sachmangel-behaftet. Es ist davon auszugehen, dass die Schäden bereits vor Übergabe des Fahrzeugs an Sie zumindest teilweise vorgelegen haben. Der Händler hat Sie jedoch nicht über das Maß der Mängel aufgeklärt, so dass von Sachmängeln auszugehen ist. Sie haben dem Verkäufer bereits mehrfach zu den diversen Schäden Nacherfüllungsversuche (Reparaturversuche) eingeräumt - abschließend ohne Erfolg. Im übrigen hat der Verkäufer zuletzt jegliche Art der Nacherfüllung endgültig verweigert. Dies führt dazu, dass Sie gegenüber dem Händler den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären können, ohne eine nochmalige Reparaturmöglichkeit einzuräumen.
Aus Ihrer Schilderung geht nicht hervor, ob Sie das Fahrzeug vorrangig für Ihre Kuriertätigkeit oder für private Zwecke erworben haben. Sollte ersteres der Fall sein, so könnte das gesetzliche Sachmangel-Gewährleistungsrecht wirksam im Kaufvertrag ausgeschlossen worden sein. Diesbezüglich müsste sich ein entsprechender Passus im Kaufvertrag wiederfinden. In diesem Fall könnte es Probleme mit dem Rücktrittsrecht geben. Sie sollten mich in diesem Fall nochmals über die kostenlose Nachfragefunktion informieren.
Sollten Sie das Fahrzeug als Verbraucherin (vorrangig für private Zwecke) erworben haben, so gilt zu Ihren Gunsten § 476 BGB
. Da sich die meisten Mängel bereits innerhalb von 6 Monaten nach Fahrzeugübergabe offenbart haben, so gilt die gesetzliche Vermutung, dass diese Mängel bereits vor Übergabe vorgelegen haben.
Sollten Sie das Fahrzeug also als Verbraucherin gekauft haben, so können Sie nach meiner Einschätzung Ihr sofortiges Rücktrittsrecht ausüben. Sie müssten sich jedoch die Gebrauchsvorteile von dem Kaufpreis-Rückerstattungsanspruch abziehen lassen, da Sie das Fahrzeug ja ein halbes Jahr lang benutzt haben. Ich rate nicht dazu, einen weiteren Reparaturversuch zu gewähren. Zum einen hat der Händler dies verweigert, zum anderen erscheint eine weitere Nacherfüllung in Hinblick auf die zahlreichen Mängel aussichtslos.
2. Rechtsverfolgung:
Sie sollten sich einen Anwalt nehmen, durch diesen den Rücktritt erklären lassen und den Kaufpreis zurückverlangen lassen. Notfalls würde Ihr Anwalt dann Klage erheben, um den Anspruch durchzusetzen.
Sollten Sie obsiegen, ist der Gegner verpflichtet, Ihnen die entstandenen Rechtsanwalts- und Gerichtskosten zu erstatten.
3. Beweismittel:
Ich denke, dass die von Ihnen benannten Zeugen sowie die Aussage der unabhängigen Werkstatt ausreichen könnten, um den Sachverhalt zu beweisen. Sie sollten aber in jedem Fall den Kaufvertrag vorliegen haben. Wenn Sie sich einen Anwalt nehmen, wird dieser Sie individuell über die genaue Beweissituation aufklären.
4. Arglistige Täuschung:
Neben dem Rücktrittsrecht könnten Sie ein Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung haben. Allerdings müsste klar nachweisbar sein, dass der Händler die Mängel kannte oder hätte kennen müssen. Allerdings denke ich nicht, dass sich aus dem Sachverhalt der Nachweis konstruieren lässt, dass der Händler einen vorsätzlichen Betrug unternommen hat. Sie sollten sich in jedem Fall vorrangig auf die zivilrechtliche Rechtsverfolgung konzentrieren, da ich nicht davon ausgehe, dass es zu einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Betrugs kommen wird.
5. Umsatzeinbußen:
Da Sie entgangenen Gewinn nicht konkret nachweisen können, werden Sie die Umsatzeinbußen nicht als Schadensersatz geltend machen können.
6. Ergebnis:
Nach erster Einschätzung gehe ich davon aus, dass Sie ein Anfechtungsrecht haben. Ferner können Sie vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn die unter 1. genannten Voraussetzungen vorliegen.
Sie sollten sich einen Anwalt nehmen, der die Ansprüche konkret anhand Ihrer Unterlagen prüfen und ggf. durchsetzen wird. Gerne steht Ihnen meine Kanzlei dafür auch zur Verfügung. In diesem Fall kontaktieren Sie mich bitte per E-Mail.
Ich wünsche Ihnen Alles Gute und viel Erfolg in dieser Angelegenheit!
Abschließend weise ich Sie darauf hin, dass im Rahmen dieser Plattform nur eine erste Einschätzung des Sachverhalts, basierend auf Ihren Angaben, möglich ist. Sollten hier wichtige Angaben hinzugefügt oder weggelassen worden sein, kann die rechtliche Beurteilung völlig anders aussehen. Diese Plattform kann und will den Gang zu einem Berufskollegen nicht ersetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Zimmlinghaus
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Thomas Zimmlinghaus
Ruwerer Straße 29
54292 Trier
Tel: 06514628376
Web: https://www.zimmlinghaus.de
E-Mail:
Sehr geehrter Herr Zimmlinghaus,
zunächst vielen Dank für Ihre kompetente Antwort.
Wie ist es denn, wenn ich den Kaufvertrag verlegt habe und ihn leider nicht finden kann? Kann von einem Anwalt gefordert werden, dass die Kopie des Kaufvertrages,die ja beim Händler liegt, von ihm vorgelegt werden muss?
Habe ich auch die Möglichkeit den Wagen in einer anderen Werkstatt reparieren zu lassen, dem Händler die Rechnung zu schicken und mir für diese Zeit einen Ersatzwagen zu leihen und diese Rechnung ebenfalls weiterzugeben?
Zu Ihrer Frage, der Wagen wurde für private Zwecke gekauft.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine.
Sehr geehrte Ratsuchende,
gerne beantworte ich Ihre Nachfrage wie folgt:
Leider können Sie von dem Gegner nun keine Kopie des Kaufvertrags herausverlangen. Es ist natürlich möglich, dass er Ihnen auf freiwilliger Basis eine Kopie zukommen lässt. Einen entsprechenden Anspruch diesbezüglich haben Sie aber nicht.
Anstelle des Rücktritts können Sie das Fahrzeug grundsätzlich auch bei einer anderen Werkstatt reparieren lassen und entsprechenden Schadensersatz von dem Verkäufer verlangen. Dies ist aber nur unter den selben Voraussetzungen möglich, die ich in meiner Ausgangsantwort geschildert habe. Insbesondere halte ich die Beweissituation für problematisch, da Sie auch nicht mehr über einen Kaufvertrag verfügen.
Bevor Sie nun weitere Reparaturen an dem Fahrzeug vornehmen lassen und aufgrund der Beweislage Gefahr laufen, die Kosten nicht erstattet zu bekommen, sollten Sie sich vorrangig auf das Rücktrittsrecht konzentrieren bzw. die Beweislage durch einen Anwalt vor Ort abklären lassen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg in dieser Sache!