Sehr geehrter Fragesteller,
die Frage, ob und wie viel überzahltes Arbeitsentgelt zurückgezahlt werden muss, hängt von vielen Faktoren ab. Allerdings ist eine „Verschuldensquote" kein relevanter Faktor. Auf die Frage, ob viel Geld oder wenig Geld zurückzuzahlen ist, kommt es zunächst nicht an. Es gibt daher in der Rechtsprechung auch keine Entscheidungen zu einer „Verschuldensquote".
Wenn, wie von Ihnen geschildert, die auszahlende Stelle, also wohl die Besoldungsstelle, Kenntnis von allen maßgeblichen Faktoren hatte und dann trotzdem zu viel Lohn oder Gehalt überweist, dann könnte die Rückzahlung schon wegen § 814 BGB
ausgeschlossen sein. Das wäre jedenfalls ein Einwand, der probiert werden kann.
Auch die Ansprüche auf Rückzahlung von überzahlten Entgelt unterliegen den tariflichen Verfallfristen. Allerdings gehe ich davon aus, dass nicht mehr der BAT, sondern der TVöD maßgeblich ist. An der Frist ändert das allerdings nichts. Die Rechtsprechung hat verschiedene Fälle entwickelt, nach denen allerdings eine Berufung auf die Verfallfrist rechtsmissbräuchlich sein soll. Hat der Arbeitnehmer also vorsätzlich falsche Informationen an den Arbeitgeber gegeben, so kann ein Berufen auf die Verfallfrist nicht greifen. Auch wenn der Arbeitnehmer es grob pflichtwidrig unterlassen hat, auf ungewöhnliche, die Rückzahlung begründende Umstände hinzuweisen, also z.B. eine auffällig hohe Überzahlung, kann die Verfallfrist nicht greifen. (Bundesarbeitsgericht 1. Juni 1995- Az. 6 AZR 912/94
) Insoweit kommt es also darauf an, ob z.B. aus den Verdienstabrechnungen die Überzahlung auch ersichtlich gewesen ist. So ist in einem Fall vom Bundesarbeitsgericht entschieden worden, dass der Arbeitnehmer sich nicht auf die Verfallklausel berufen kann, weil er Teilzeit gearbeitet hat und auf der Verdienstabrechnung vermerkt war, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt wieder Vollzeit gearbeitet werde. Die entsprechende Überzahlung war zunächst nicht vom Arbeitnehmer gemeldet worden. Das wurde als treuwidrig angesehen mit der Folge, dass die Verfallfrist nicht wirken konnte.(vgl. BAG, Urteil vom 13. 10. 2010 - 5 AZR 648/09
)
Es kommt also sehr auf die Details an. Warum gab es überhaupt diese Änderung? Konnte das aus der Verdienstabrechnung ersehen werden? Gibt es sonst immer ein gleich bleibendes Gehalt oder ein ohnehin schwankendes?
Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer nur den Nettobetrag erstatten. Nur um diesen Betrag ist er nämlich bereichert. Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings auch schon vertreten, dass der Bruttobetrag zurückgezahlt werden müsse (Bundesarbeitsgericht 5. April 2000 Az. 10 AZR 257/99
) das wird normalerweise auch so gemacht. Der Arbeitgeber kann nämlich die gezahlten Sozialversicherungsbeiträge, sowohl seinen Anteil als auch den des Arbeitnehmers, sich ohne weiteres erstatten lassen und erhält auch vom Finanzamt die zu viel gezahlte Lohnsteuer zurück. Wenn die Überzahlung darauf beruht, dass der Arbeitnehmer falsche Angaben gemacht hat, dann soll die Rückforderung des Bruttolohns gerechtfertigt sein.
Wenn der Bruttobetrag gefordert wird, kann der Arbeitnehmer aber trotzdem einen Ausgleich bekommen. Bei der Einkommensteuer ist die Rückzahlung von Arbeitslohn eine negative Einnahme die also im Jahr, in dem zurückgezahlt wird, geltend gemacht werden kann. Bei der nächsten Steuererklärung zahlt man dann weniger. Auch die zu viel bezahlten Beiträge kann der Arbeitnehmer zurückerhalten. Dies ergibt sich aus § 26 SGB IV
. Den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung muss der Arbeitnehmer nicht erstatten. Das kann der Arbeitgeber direkt selbst von der Sozialversicherung verlangen.
Schließlich kommt es darauf an, ob den Arbeitgeber ein Mitverschulden trifft. Im vorliegenden Fall drängt sich das auf. Wenn die Information der auszahlenden Stelle vorlag, dann ist auch eine höhere Quote des Mitverschuldens anzusetzen.
Sie sollten sich anwaltlich beraten lassen, da viele Details zu klären sind. Grundsätzlich sehe ich aber durchaus Möglichkeiten, den Rückzahlungsanspruch jedenfalls teilweise, eventuell sogar ganz, abzuwehren.
Antwort
vonRechtsanwalt Jörg Klepsch
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Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Familienrecht