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Leitungsrecht über fremden Grund aus DDR-Zeiten in Sachsen Anhalt

4. April 2022 18:45 |
Preis: 57,00 € |

Hauskauf, Immobilien, Grundstücke


Beantwortet von

Rechtsanwalt C. Norbert Neumann

Zusammenfassung

Zu den Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs bei verweigerter Überleitung von Wasser durch den Eigentümer des Nachbargrundstücks in Sachsen-Anhalt

Hallo, es geht um die Wasserversorgung in einer Wochenendhausanlage. 4 Grundstückseigentümer bauten sich eine gemeinsam genutzte Wasserleitung bis zum Wasserschacht (Wasseruhr) zu DDR-Zeiten. Grunddienstbarkeiten bestehen nicht. 2021 wechselte ein Grundstück im Eigentum wg. Todes. Der jetzt neue Eigentümer/kein Erbe übernahm unseren Vertrag beim Wasserversorger, legte sich eine eigene Leitung und veranlasste den Wasserversorger, unsere Leitung Ende 2021 stillzulegen. Jetzt stehen wir ohne Wasserversorgung da. Er duldet nicht die mit unter seinem Grund durchlaufende Wasserleitung. Welche Rechte auf Entschädigung haben wir? Eine Neuverlegung über andere Zuleitungsstrecke würde mind.11.000€ lt. Angebot des Wasserversorgers kosten. Für ein Wochenendhaus und überhaupt eine unzumutbare Summe.l

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Ein Entschädigungsanspruch setzt voraus, dass der Grundstückseigentümer, über dessen Grundstücl die Wasserleitung führt, rechtlich verpflichtet ist, eine Wasserrohrleitung zu dulden, die über sein Grundstück zu Ihrem Grundstück bzw. denjenigen der anderen Grundstückseigentmer führt. Den Grundstückseigentümer, über dessen Grundstück die Wasserleitung führt, kürze ich nachfolgend mit "E" ab.

1.

Die vier Grundstückseigentümer hatten sich zu DDR-Zeiten zu einer "Gemeinschaft von Bürgern" nach den §§ 266 - 273 des Zivilgesetzbuchs der DDR (ZGB) zusammengeschlossen, deren Ziel die Herstellung eines gemeinsamen Wasseranschlusses und einer Waserleitung für alle Grundstücke war. Solche Gemeinschaften werden nach dem Beitritt der DDR als Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) nach den §§ 705 ff. BGB behandelt. Nach § 271 Satz 1 ZGB sowie § 709 Abs. 1 BGB steht bei einer solchen Gesellschaft die Geschäftsführung nur allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu, wenn nichts anderes vereinbart ist.

E hätte daher ohne Ihre Zustimmung (und die der übrigen Grundstückseigentümer) den Vertrag mit dem Wasserversorger nicht einseitig "übernehmen" bzw. kündigen dürfen.

Andererseits kann jeder Gesellschafter eine auf unbestimmte Zeit eingegangene Gesellschaft jeder Zeit kündigen (§ 723 Abs. 1 Satz 1 BGB). Durch den Tod eines Gesellschafters wird im Ünrigen eine Gesellschaft aufgelöst, wenn im Gesellschaftsvertrag keine Fortsetzungsklausel enthalten ist (§ 727 BGB).

In diesem Fall ist die Gesellschaft abzuwickeln. Im Rahmen der Abwicklung der Gesellschaft wäre aber der Vertrag mit dem Wasserversorger dann auch zu kündigen. Die Wasserleitung wäre zu verwerten, wobei jeder Gesellschafter nach Abzug der Kosten Anspruch auf ein Viertel des Erlöses hätte (§ 734 BGB). Vorliegend ist allerdings fraglich, ob das Ausgraben und Entfernen der Wasserleitung nicht schon höhere Kosten versachen würde als der im Fall einer Verwertung der Wasserleitung zu erwartende Erlös (falls sich ein Erlös überhaupt erzielen lässt).

2.

Das Oberlandesgericht von Sachsen-Anhalt hat entschieden, dass es keine Pflicht eines Grundstüclseigentümers gibt, eine Wasserüberleitung von Nachbarn über sein Grundstück zu dulden (Urteil vom 14. November 2018 – 12 U 59/18). Daran ändert nach der zitierten Entscheidung auch nichts, wenn der Bau einer Wasserleitung um das Grundstück herum kostspielig ist. Ein Notleitungsrecht in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BGB über das Notwegerecht (§§ 917 ff. BGB) besteht nach diesem Urteil nur dann, wenn ein Anschluss von Grundstücken an die Kanalisation und das Wasserleitungsnetz technisch nur über ein bestimmtes Grundstück möglich ist.

Im Nachbarrechtsgesetz von Sachsen befindet sich eine Vorschrift, wonach ein Überleitungsanspruch über ein Nachbargrundstück besteht, wenn eine Umleitung um das Grundstück herum unverhältnismäßig teuer wäre. Eine gleichartige Vorschrift gibt es jedoch im Nachbarrechtsgesetz von Sachsen-Anhalt nicht. In einem solchen Fall kann sich ein Anspruch auf Überleitung über ein Nachbargrundstück nur aus einem Notleitungsrecht ergeben.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Eine Umleitung der Wasserversorgung um das Grundstück von E herum ist zwar kostspielig, aber nicht technisch unmöglich.

Die auf dem Grundstück des E befindliche gemeinsame Wasserleitung befindet sich in dessen alleinigem Eigentum. Er kann hierüber frei verfügen und muss eine Nutzung durch Nachbarn nicht dulden.

3.

Nach § 116 Sachenrechtsbereinigungsgesetz kann derjenige, der ein Grundstück in einzelnen Beziehungen nutzt oder auf diesem Grundstück eine Anlage unterhält (Mitbenutzer), von dem Eigentümer die Bestellung einer Grunddienstbarkeit oder einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit verlangen, wenn

1.
die Nutzung vor Ablauf des 2. Oktober 1990 begründet wurde,
2.
die Nutzung des Grundstücks für die Erschließung oder Entsorgung eines eigenen Grundstücks oder Bauwerks erforderlich ist und
3.
ein Mitbenutzungsrecht nach den §§ 321 und 322 des Zivilgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik nicht begründet wurde.

§ 322 ZGB bezieht sich auf Wege- und Überfahrtrechte. Nach § 321 Absatz 1 ZBG bedurfte die Begründung eines Rechts zur vorübergehenden oder dauernden Mitbenutzung eines Grundstücks in bestimmter Weise (wie Lagerung von Baumaterial, Aufstellen von Gerüsten, Einräumen von Wegerechten und Überfahrtrechten) der Vereinbarung zwischen den Nutzungsberechtigten. Dauernde Mitbenutzung bedurfte eines schriftlichen Vertrages und der Zustimmung des Eigentümers des betroffenen Grundstücks.

Wenn es vorliegend einen derartigen schriftlichen Vertrag der vier Grundstückseigentümer zu DDR-Zeiten gab, ist § 116 Absatz 1 Sachenrechtsbereinigungsgesetz nicht anwendbar.

Aber selbst wenn es eine solche schriftliche Vereinbarung nicht gab, ist ein Anspruch auf Eintragung einer Dienstbarkeit im Grundbuch zur Wasserüberleitung über das Grundstück des E jedenfalls verjährt.

Ansprüche auf Begründung des Rechts an einem Grundstück - dazu gehört auch die Eintragung einer Dienstbarkeit im Grundbuch zur Begründung eines Überleitungsrechts - verjähren nach § 196 BGB in zehn Jahren (BGH, Urteil vom 22.09.2017 - V ZR 255/16, Leitsatz 4 des Urteils). Das Sachenrechtsbereinigungsgesetz ist am 21.09.1994 in Kraft getreten. Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz sind demnach mit Ablauf des 21.09.2004 verjährt, wenn die Verjährung nicht vorher gehemmt wurde - etwa durch Einreichung einer Klage bei Gericht.

Der Anspruch auf Eintragung einer Dienstbarkeit eines Überleitungsrechts im Grundbuch ist demnach bereits verjährt.

Mit dem Überleitungsrecht verjähren auch Entschädigungsansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz (§§ 29 Absatz 5, 81) wegen eines Rechtsverlusts (BGH, Urteil vom 22.09.2017 - V ZR 255/16, Leitsatz 4 des Urteils).

Ergebnis:

Ein Anspruch auf Überleitung von Wasser über das Grundstück des E oder auf Entschädigung wegen der verweigerten Überleitung steht Ihnen nicht zu. Es besteht lediglich ein Anspruch auf anteiligen Erlös der Verwertung der Wasserleitung nach Abzug der Kosten aus § 734 BGB (s. oben 1.).

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Rückfrage vom Fragesteller 6. April 2022 | 12:49

Herzlichen Dank für Ihre Ausführungen und Wertung. Nicht verstehen kann man allerdings, dass eine auf das Ziel Grundrecht auf Wasser gezielte Gemeinschaft nach dem Tod eines Eigentümers als aufgelöst betrachtet wird, denn die Grundstücke wurden weiterbetrieben, der Wille der Gemeinschaft war im Handeln erkennbar. Einen Vertrag gab es nicht.
Wenn auch in Sachsen Anhalt keine konkrete Vereinbarung getroffen wurde, kann ein Bürger doch nicht abweichend schlechter behandelt werden zum gleichen Problem als in anderen Ländern Deutschlands. Gibt es da keine Urteile vom Bundesgerichtshof?
Ich wünsche Ihnen weiter viel Erfolg.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 6. April 2022 | 19:57

Sehr geehrter Fragesteller,

das OLG von Sachsen-Anhalt hat in dem oben zitierten Urteil auch entschieden, dass es sich bei einem gemeinsamen Wasserrohr nicht um eine Bruchteilsgemeinschaft handelt. Im Übrigen kann auch bei einer Bruchteilsgemeinschaft jedes Mitglied jederzeit die Auseinandersetzung verlangen. (Unter Bruchteilsgemeinschaft versteht das Gesetz eine Rechtsgemeinschaft mehrerer Personen an einem Recht, die nicht auf einer vertraglichen Vereinbarung basiert. Das OLG hat in dem zitierten Urteil entschieden, dass das Wasserrohr sich in alleinigem Eigentum des Grundstückseigentümers befindet, über dessen Grundstück die Wasserleitung verlegt ist. Es besteht daher bei gemeinsamer Nutzung einer Wasserleitung keine Bruchteilsgemeinschaft.)

Die Nachbarrechtsgesetze werden von den Bundesländern erlassen. Hier hat jedes Land einen eigenen Gestaltungsspielraum. Die Gesetze der Länder stimmen nicht in allen Punkten überein und müssen dies auch nicht.

Auf die Rechtsprechung des BGH bin ich oben in meiner Antwort eingegangen.

Der Gesetzgeber hatte für die Konstellation, die Sie in Ihrer Frage beschreiben, die Möglichkeit bereitgestellt, nach § 116 Sachenrechtsbereinigungsgesetz eine Dienstbarkeit ins Grundbuch eintragen zu lassen, um die Überleitung des Wassers über ein fremdes Grundstück, die noch aus DDR-Zeiten herrührte, dauerhaft zu sichern. Allerdings ist dieses Recht durch die Verjährungsfrist zeitlich begrenzt. Denn auch der Eigentümer des Grundstücks, auf dem die gemeinsam genutzte Wasserleitung verlegt ist, soll Rechtssicherheit haben, ob die Eintragung einer Dienstbarkeit ins Grundbuch zu Lasten seines Grundstücks noch geltend gemacht wird. Nach Ablauf der Verjährungsfrist soll er sich darauf verlassen können, dass dies nicht mehr der Fall ist.

Es ist also nicht so, dass der Gesetzgeber keine Möglichkeit zur Verfügung gestellt hat, um eine gemeinsam genutzte Wasserleitung über ein fremdes Grundstück dauerhaft rechtlich abzusichern, sondern Sie haben dieses Recht nicht rechtzeitig geltend gemacht.

Ich bedauere, dass ich Ihnen keine für Sie günstigere Auskunft geben kann.

Mot freundlichen Grüßen

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