Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Lassen sie mich bitte die Reihenfolge der Fragen etwas ändern, ich denke dies erleichtert die Verständlichkeit beim Lesen.
1. 1.Hat die Versicherung Recht, die Kürzungen so vernehmen zu dürfen?
Ja, dieses Recht hat die Versicherungen grundsätzlich, denn in ihren Versicherungsbedingungen steht , dass nur Reperaturkosten übernommen werden, die "ERFORDERLICH" sind, um den Schaden zu kompensieren. Dies heißt die Reperaturkosten müssen angemessen und marktüblich sein. Zu hohe Rechnungen, die üblicherweise so nicht verlangt werden, müssen nicht ersetzt werden.
Ein Ausdrücklicher Kürzungsvorbehalt ist hierfür nicht notwendig, es genügt die Aufnahme des Wortes "erforderlich". Dies eröffnet die Möglichkeit, bei überhöhten Preisen Kürzungen vorzunehmen, soweit die Versicherung nachweisen kann, dass die Kosten in einer anderen Werkstatt geringer ausfallen können.
Dafür muss die Werkstatt aber gleich tauglich sein und der Schaden muss fachgerecht und komplett repariert sein, zu den Anforderungen in ihrem Fall, dann bei den weiteren Fragen.
Urteile , die ein grundsätzliches Kürzungsrecht bis auf die notwendigen Kosten, versagen, gibt es nicht.
2. 4.Könnte die Versicherung jetzt noch hergehen und einen Sachverständigen mit der Feststellung der Schadenhöhe (das ist ja laut AGB vereinbart) beauftragen, wenn die Versicherung ja bereits den Kostenvoranschlag akzeptiert hat und auf Basis von diesem – wenn auch gekürzt – abrechnet?
Die Versicherung kann bis zum entgültigen Abschluss der Regulierung einen Gutachter beauftragen, daher sollte der Schaden niemals im Voraus behoben werden. Dies gilt auch, wenn sie den Kostenvoranschlag abgesegnet hat und nur kürzen will. Bis zur entgültigen Regulierung ( Auszahlung der Beträge) hat sie das Recht einen Gutachter für ihren Wagen zu bestellen, um die Schadenshöhe und Kausalität zu prüfen.
Sie sind nämlich in der Beweislast, den Schaden und den Umfang zu beweisen, wenn die Versicherung nicht von sich aus zahlt. Haben sie dann bereits reparieren lassen, so kann die Versicherung sich nicht mehr vom Schaden überzeugen, sie kann die Regulierung des Schadens teilweise oder gar ganz ablehnen, wenn sie die einzelnen Positionen rund um Schaden und Kosten nicht beweisen können.
Einen Gutachter könnte die Versicherung also bis zum Regulierungsabschluß schicken, wenn sie einwendet, dass sonst die Reparaturkosten nicht nachvollziehbar sind.
Selbst eine durch die Versicherung abzugebende schriftliche Reparaturfreigabe schützt sie nicht komplett. Diese sollte stets nur schriftlich eingeholt werden. Das Problem ist aber, dass die Reparaturfreigabe nur zählt soweit der zum Schaden führende Sachverhalt komplett unstreitig ist. Keine Abweisungen im Verlauf können ein andres Schadensbild verursachen und dienen daher mancher Versicherung , um eine erteilte Reparaturfreigabe zu beseitigen.
Von daher stellen sie sich bitte darauf ein, dass bis zum Abschluss der Regulierung ein Gutachter kommen kann.
3. 2.Können Sie mir andere höchstrichterliche oder obergerichtliche Urteile nennen, aus denen sich ergibt, dass der Versicherer bei einer fiktiven Abrechnung die erwähnten Positionen nicht kürzen darf?
a. Zu den Stundensätzen:
der BGH führt aus:
" 2. Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, können - auch fiktive - Aufwendungen für die Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt nach diesen Grundsätzen je nach den Umständen des Einzelfalles als "erforderliche" Kosten im Sinne von A.2.7.1 AKB 2008 anzusehen sein (so generell MünchKomm-VVG/Krischer, KraftfahrtV Rn. 267). Dies ist zum einen dann zu bejahen, wenn die fachgerechte Wiederherstellung des Fahrzeugs nur in einer markengebundenen Werkstatt erfolgen kann, zum anderen aber regelmäßig auch dann, wenn es sich um ein neueres Fahrzeug oder aber um ein solches handelt, das der Versicherungsnehmer bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen.
bb) Neben den technischen Notwendigkeiten wird der Versicherungsnehmer aber auch den Werterhalt seines Fahrzeugs in den Blick nehmen. Er wird deshalb berücksichtigen, dass insbesondere bei neuwertigen Fahrzeugen, die noch einer Herstellergarantie unterliegen, die Reparatur in einer Markenwerkstatt weitgehend üblich ist, dies darüber hinaus aber auch bei einem älteren Fahrzeug in Betracht kommen kann, wenn dieses in der Vergangenheit zur Erhaltung eines höheren Wiederverkaufswerts stets in einer Markenwerkstatt gewartet und repariert worden ist ("scheckheftgepflegt"), weil bei einem großen Teil des Publikums insbesondere wegen fehlender Überprüfungsmöglichkeiten die Einschätzung vorherrscht, dass bei einer (regelmäßigen) Wartung und Reparatur eines Kraftfahrzeugs in einer markengebundenen Fachwerkstatt eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese ordnungsgemäß und fachgerecht erfolgt ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09
, BGHZ 183, 21
Rn. 15). Dagegen wird die Reparatur eines älteren Fahrzeugs in einer Markenwerkstatt nicht mehr als üblich anzusehen sein, wenn das Fahrzeug bereits in der Vergangenheit in freien Werkstätten repariert worden ist oder wenn vom Hersteller vorgesehene Wartungsarbeiten nicht durchgeführt worden sind." ( BGH, Urteil vom 11.11.2015 - IV ZR 426/14
, Fundstelle: openJur 2015, 19516
, www.openjur.de)
Der BGH - und das ist die höchste Urteilsinstanz in Deutschland- geht also davon aus, dass ein Auto auch wenn es älter ist, die Möglichkeit hat in einer markengebunden Werkstatt repariert zu werden, wenn es vorher nie woanders war, und das auch bei fiktiver Abrechnung.
Dies entspricht der gängigen Rechtsprechung des BGH, denn auch in den Urteilen vom 29. April 2003, Az: VI ZR 398/02
( Quelle: https://www.jurion.de/urteile/bgh/2003-04-29/vi-zr-398_02/) und vom 20.10.2009 zum Aktenzeichen VI ZR 53/09
( Quelle: https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=50257&pos=0&anz=1) ist der BH davon ausgegangen, dass bei fiktiver Schdensabrechnung die Stundensätze der markengebundenen Werkstatt zu Grunde zulegen sind.
Auch das von ihnen zitierte Urteil OLG Düsseldorf (Urteil vom 16.06.2008 - I-1 U 246/07
)geht von der Zugrundelegung der markengebundenden Werkstatt aus.
Weitere Voraussetzungen der benannten Werkstatt ist zudem, dass die Werkstatt für den geschädigten auch zumutbar erreichbar ist, es muss also eine Werkstatt im Umkreis von der Versicherung genannt werden.
b). Zu den Kosten der Verbringung :
Auch diese sind im Rahmen der fiktiven Abrechnung zu erstatten. Dies entschied der BGH mit Urteil vom 19.02.2013 zum Az. VI ZR 401/12
. Er führte aus:
"Schließlich kann der Auffassung der Revision nicht beigetreten werden, ein Abzug der Lohnnebenkosten und Sozialabgaben bei fiktiver Abrechnung eines Kfz-Sachschadens führe zu einer Harmonisierung des Schadensersatzrechts im Hinblick auf die Rechtslage bei der Abrechnung eines Haushaltsführungsschadens bei Personenschäden. Die von der Revision angeführten
Senatsentscheidungen betreffen andere Fallgestaltungen (vgl. Senatsurteile
vom 16. September 1986 - VI ZR 128/85
, VersR 1987, 70
Rn. 21; vom 8. Juni
1982 - VI ZR 314/80
, VersR 1982, 951
Rn. 16 ff. und vom 10. November 1998
- VI ZR 354/97
, BGHZ 140, 39
, 44). Die im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB
erforderlichen (Gesamt-) Reparaturkosten eines Kraftfahrzeuges nach einem
Verkehrsunfall setzen sich aus vielen einzelnen Kostenfaktoren zusammen und
lassen sich schadensrechtlich nicht aufspalten in einen "angefallenen" und einen "nicht angefallenen" Teil. Dies wäre in der Rechtspraxis nicht handhabbar und würde dem Geschädigten sowohl die Ersetzungsbefugnis als auch die Dispositionsfreiheit im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB
nehmen."
(quelle: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=63663&pos=0&anz=1)
Das Urteil des OLG Düsseldorf (Urteil vom 16.06.2008 - I-1 U 246/07
) kenn sie ja bereits, auch dieses geht von der Statthaftigkeit der Geltendmachung von Verbringungskosten ( im Haftpflichtfall) aus.
Nun ist es aber so, dass sie keinen Haftpflichtschaden, sondern einen Kaskoschaden geltend machen. Hier gilt zunächst der zwischen ihnen bestehende Vertrag, so dass das zu den Verbringungskosten vereinbarte gilt. Bitte prüfen sie daher zwingend ihren Vertrag auf eine Klausell zu den Verbringungskosten. ISt eine solche nicht vorhanden, so sind auch im Rahmen der fiktiven Abrechnung die Verbringungskosten zu erstatten, da die erforderlichen Reparaturkosten nach dem BH-Urteil eben nicht aufsplittbar sind.
Dies bestätigte kürzlich das unterinstanzliche Amtsgericht Fürth im Urteil vom 14.09.2017, Az. 340 C 1325/17
(sehr schön ausdrücklich) und Urteil vom 07.11.2017, Az. 310 C 1324/17
(unten nur am Rande). Weitere Urteile sind hierzu nicht bekannt. Sie finden die Urteile hier:
https://files.vogel.de/infodienste/smfiledata/1/1/4/5/3/1/197672.pdf
und
https://files.vogel.de/infodienste/smfiledata/1/1/4/5/2/7/197651.pdf
im Volltext.
c. Lagerung der UPE _kosten:
Auch hier können sie die unter den Verbringungskosten angeführten Urteile verwenden, da diese alle damit argumentieren, dass sämtliche erforderliche Kosten zu ersetzen sind, wenn dies im Kaskovertrag nicht ausgeschlossen wurde ( Bitte ihren Versicherungsvertrag nochmals auf UPE- und Aufschläge durchsuchen).
Ebenso können sie anführen :
Kammergericht Berlin, Urt.v. 10.09.2007, 22 U 224/06
OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.03.2012 – 1 U 108/11
OLG Düsseldorf (Urteil vom 16.06.2008 - I-1 U 246/07
)
4. Kann das o.g. Urteil des OLG Düsseldorf hinsichtlich den Verbringungskosten weiterhin angewendet werden oder gibt es hiernach andere (positive wie negative) Urteile?
Ja, dieses kann angewendet werden, und gibt sogar Auskunft über alle 3 Bereiche, nämlich Lagerungskosten für Ersatzteile , Verbringungskosten und Markengebundener Werkstatt.
Da die meisten Urteile sich nur auf die Haftpflichtversicherungs beziehen, helfen ihnen die Gerichte des Amtsgericht Fürth weiter, die die Rechtsprechung- ohne entgegenstehende Vertragsklauseln, auch auf Kaskoversicherer übertragen.
Am Rande:
Sie Schreiben, das Verbringungs- und Lagerkosten (meist "UPE-Kosten") im Kostenvoranschlag nicht erwähnt werden. Selbstverständlich darf die Kaskoversicherung nur konkret kürzen, und nicht einfach unterschiedliche Positionen vermengen. Das bedeutet sind keine Lagerkosten ausgewiesen, so darf sie diese auch nicht einfach abziehen, sondern sie muss für jede aufgeführte Kostenposition darklegen und beweisen, dass es günstiger unter ihnen zumutbaren Bedingungen werden kann.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Rückfrage vom Fragesteller
03.03.2019 | 14:46
Hallo und guten Tag Frau Prochnow,
ich stelle keine Nachfrage, sondern ich nutze diese Möglichkeit, um Ihnen ausdrücklich für die sehr ausführlichen und verständlichen Antworten, die mir sicherlich weiterhelfen, zu danken. Ich bin begeistert!
mfg. A.B.
Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt
03.03.2019 | 18:42
Lieber Fragesteller, Vielen Dank für das Lob.
Mit freundlichen Grüßen
Doreen Prochnow