Sehr geehrter Fragesteller,
vorweg möchte ich Sie darauf hinweisen, dass diese Plattform nur dazu dienen soll, Ihnen einen ersten Eindruck der Rechtslage zu vermitteln. Die Leistungen im Rahmen einer persönlichen anwaltlichen Beratung/Vertretung können und sollen an dieser Stelle nicht ersetzt werden.
Auf Grund des von Ihnen geschilderten Sachverhaltes und unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes möchte ich Ihre Fragen zusammenfassend wie folgt beantworten:
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld ergeben sich aus den §§ 62 ff. EStG
. Demnach hat nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG
Anspruch auf Kindergeld, wer in der Bundesrepublik Deutschland einen Wohnsitz hat. Einen Wohnsitz hat nach § 8 AO
„jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.“ Ihren Angaben zufolge befindet sich die Ehe- bzw. Familienwohnung in Deutschland, sodass Sie über einen inländischen Wohnsitz verfügen. Wenn beide Elternteile – wie in Ihrem Fall – kindergeldberechtigt sind, bestimmen, die Eltern gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG
, wer das Kindergeld bezahlt bekommt.
In Ihrem Fall sind grundsätzlich sowohl Sie als auch Ihre Frau kindergeldberechtigt.
Beantragt Ihre Frau das Kindergeld – wie von der Familienkasse gewünscht, bekommt Sie, da sie lediglich einen inländischen Wohnsitz hat und zudem ausschließlich im Inland beschäftigt ist, unproblematisch Kindergeld. Die von Ihnen bzw. der Familienkasse genannten EWG-Verordnungen wären in diesem Fall nicht einschlägig.
Beantragen nun Sie das Kindergeld – wie von Ihnen gewünscht, haben Sie ggf. sowohl in Deutschland als auch der Schweiz einen Anspruch auf Kindergeld oder vergleichbare ausländische Familienleistungen. Die Art. 73 ff der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (VO) und Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 (DVO) finden in diesem Fall Anwendung. Nach der Rechtsprechung des BFH (Beschluss vom 30. 10. 2008 - III R 92/ 07
) wäre aus deutscher kindergeldrechtlicher Sicht der schweizer Anspruch vorrangig und Sie würden von der der deutschen Familienkasse nur eine ggf. vorhandene Differenz bezahlt bekommen. D.h. angenommen Sie bekommen in der Schweiz 100 € mit dem Kindergeld vergleichbare Familienleistung gezahlt, so würde die deutsche Familienkasse lediglich die Differenz von 64 € (= 164 € ./. 100 €) zahlen. Ob dies auch dann gilt, wenn die Familienleistungen nach schweizer Recht nicht beantragt und gezahlt werden, hat auf den obengenannten Beschluss des BFH nunmehr der EuGH zu entscheiden.
Geht Ihre Frau in Deutschland – dem Wohnsitz der gemeinsamen Kinder - einer nicht selbständigen Arbeit nach (Angestellte), dann besteht aufgrund der zitierten EWG-Verordnungen lediglich ein Kindergeldanspruch Ihrer Frau nach deutschem Recht. In diesem Fall hätte die Familienkasse Recht.
Auch hinsichtlich der von Ihnen ins Auge gefassten Grenzgängerlösung würde sich am Kindergeldanspruch nichts ändern. Es gelten insoweit die gleichen Regelungen – wie zuvor beschrieben.
Ein Einspruch bzw. eine Klage gegen die Entscheidung der Familienkasse dürfte daher aus meiner Sicht wenig Aussicht auf Erfolg versprechen. Ich rate Ihnen vielmehr, sich mit Ihrem Steuerberater in Verbindung zu setzen und nach möglichen Gestaltungsformen zu suchen.
Hinsichtlich Ihrer Frage die Rechtsschutzversicherung betreffend, sollten Sie direkt bei dieser nachfragen, ob auch kindergeldrechtliche Fragestellungen erfasst sind. Steuerrecht ist jedoch bei vielen Versicherungen nicht erfasst.
Ich möchte Sie an dieser Stelle noch darauf hinweisen, dass die vorstehende Antwort ausschließlich auf den von Ihnen gemachten Angaben beruht. Das Hinzufügen oder Weglassen von Angaben kann zu einem anderen Ergebnis führen.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,
Danke für die schnelle und ausführliche Antwort.
Ich habe aber noch eine kurze Nachfrage. Kann die Familienkasse nun das gezahlte Kindergeld an mich seit meiner Beschäftigungsaufnahme in der Schweiz zurückfordern vom mir zurückfordern? Wenn ja, wie lange rückwirkend kann meine Frau das Kindergeld beantragen? Sie müsste ja dann eigentlich einen Anspruch auf das Kindergeld seit meiner Beschäftigungsaufnahme in der Schweiz haben.
Vielen, vielen Dank für Ihre Bemühungen.
Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Nachfrage kann ich Ihnen an dieser Stelle nur abstrakt beantworten, da eine konkrete Einschätzung einer umfassenderen Prüfung des Vorgangens bedarf.
Die Familienkasse kann grundsätzlich zu Unrecht gezahltes Kindergeld zurückfordern. An dieser Stelle wäre daher zu prüfen inwieweit der Rückforderungsanspruch in Ihrem Fall greift.
Hinsichtlich des rückwirkenden Kindergeldbezuges Ihrer Frau beträgt der Zeitraum 4 Jahre, d.h. Ihre Frau kann rückwirkend für 4 Jahre Kindergeld bekommen.
Abschließend möchte ich Ihnen jedoch nochmals empfehlen, die Angelegenheit vor Ort durch Ihren Steuerberater oder einen Rechtsanwalt prüfen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Fietkau
Rechtsanwalt