Sehr geehrter Ratsuchender,
gerne beantworte ich Ihre Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung und Ihres Einsatzes wie folgt:
Ich gehe davon aus, dass es sich um Originalware (also keine Fälschungen) handelt, die zwar in China mit Zustimmung des Herstellers auf den Markt gekommen sind, jetzt aber ohne dessen Zustimmung bzw. eine gültige Lizenz nach Deutschland importiert werden sollten. In diesen Fällen kann die Ware gemäß § 146 MarkenG
vom Zoll beschlagnahmt werden. Der Beschlagnahme kann innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung der Mitteilung widersprochen werden, § 147 MarkenG
. Die Gegenseite hat dann 2 Wochen Zeit, eine vollziehbare gerichtliche Entscheidung vorzulegen bzw. zu beantragen, die die Verwahrung der beschlagnahmten Waren oder eine Verfügungsbeschränkung anordnet. Ansonsten hebt der Zoll nach Ablauf dieser 2 Wochen die Beschlagnahme auf, § 147 Absatz 4 MarkenG
.
Nach Aussage Ihres Anwalts ist davon auszugehen, dass der Hersteller im Falle eines Widerspruchs gegen die Beschlagnahme versuchen wird, vor Gericht eine Einstweilige Verfügung zu erlangen, die Ihnen den Weitervertrieb der Uhren untersagt und damit auch die Beschlagnahme aufrecht erhalten würde. Nach Aussage des gegnerischen Anwalts ist dies dem Hersteller in vergleichbaren Fällen wohl schon öfter gelungen, er hat vor Gericht also Recht bekommen. Hierdurch würden Ihnen natürlich erhebliche Mehrkosten entstehen, zudem besteht die Gefahr, dass der Hersteller weitere Ansprüche (z.B. Schadensersatz) geltend macht. Es sollte daher gut überlegt sein, ob gegen die Beschlagnahme vorgegangen werden sollte. Hierbei kommt es natürlich darauf an, wie gut die Chancen im Prozess stehen, dass der Hersteller sein behauptetes Markenrecht auch nachweisen kann.
Soweit ersichtlich kann sich der Hersteller nicht auf eine eingetragene Marke berufen, da gegen die Markenanmeldung sowohl von Swatch als auch von LEGO Widerspruch wegen Verwechslungsgefahr bzw. unlauterer Rufausbeutung eingelegt wurde. Die Frage ist daher, ob eine Benutzungsmarke vorliegt. Als Benutzungsmarke wird eine Marke bezeichnet, die nicht ins Register eingetragen ist, sondern aufgrund Verkehrsgeltung (§ 4 Nr.2 MarkenG
) Schutzwirkung entfaltet. Ein Zeichen hat dann als Marke Verkehrsgeltung erlangt, wenn ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise (Händler, Wiederverkäufer, Endabnehmer etc.) es für bestimmte Waren oder Dienstleistungen einem bestimmten Unternehmen als Herkunftshinweis zuordnet (OLG Köln, 07.05.2007 - 6 W 54/07
). Der Grad der erforderlichen Verkehrsgeltung ist abhängig von der Unterscheidungskraft der Marke, sowie davon ob ein Freihaltebedürfnis an dem Zeichen besteht. Bei einem unterscheidungskräftigen, nicht freihaltebedürftigen Zeichen reicht ein Verkehrsgeltungsgrad von 20-25 % für die Entstehung einer Benutzungsmarke aus. Je geringer die Unterscheidungskraft und je größer das Freihaltebedürfnis, desto höher muss der Grad der Verkehrsgeltung sein. Bei einem hohen Freihaltebedürfnis (Bezeichnung „quattro") hat der BGH einen Bekanntheitsgrad von 60 % als nicht ausreichend angesehen. Benutzungsmarken entstehen also durch tatsächliche Verwendung des Zeichens, daher gibt es auch kein Register oder eine sonstige Datenbank, in der Sie nach bestehenden Benutzungsmarken suchen könnten.
Im Prozess muss der Hersteller die Voraussetzungen für eine Benutzungsmarke beweisen. Hierfür wird der Hersteller wohl dem Gericht entsprechende Umfragen bei Händlern und Endabnehmern vorlegen und seine umfangreiche Werbetätigkeit und seinen Marktanteil darlegen, um eine ausreichende Verkehrgeltung nachzuweisen. Ob dies vom Gericht als ausreichend angesehen wird, kann ohne Kenntnis aller Details natürlich nicht vorhergesehen werden, aber grundsätzlich besteht in diesen Fällen immer ein hohes Prozessrisiko, und zwar für beide Seiten.
Wenn „Ice Watch" aber tatsächlich einen so hohen und nachweisbaren Bekanntheitsgrad hat, wird der Hersteller zumindest im Rahmen der Einstweiligen Verfügung wohl tatsächlich Recht bekommen. Es besteht dann also ein sehr hohes Prozessrisiko. Insofern tendiere ich ebenso wie Ihr Anwalt dazu, hier eine außergerichtliche Lösung mit dem Hersteller anzustreben, um weitere (Prozess-)Kosten zu vermeiden.
Der Schutz der kraft umfangreicher Benutzung geschützten Marke ist allerdings beschränkt auf dasjenige Gebiet, in dem das Zeichen für Waren oder Dienstleistungen des Inhabers innerhalb der beteiligten Verkehrskreise Verkehrsgeltung erlangt hat. In ein Land, in dem ein Markenschutz nicht entstanden ist, könnten Sie die Uhren daher grundsätzlich einführen, ohne gegen Markenrechte zu verstoßen. Allerdings besteht zu befürchten, dass der Hersteller bezüglich der beim Zoll liegenden Sendung einen Anspruch auf Vernichtung (§ 18 MarkenG
) geltend macht.
Es tut mir leid, dass ich Ihnen keine positivere Einschätzung liefern kann. Ich hoffe aber dennoch, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben. Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion.
Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände keinen abschließenden Rat geben kann. Sofern Sie eine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes wünschen, empfehle ich, einen Rechtsanwalt zu kontaktieren und die Sachlage mit diesem bei Einsicht in sämtliche Unterlagen konkret zu erörtern.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Jan Wilking
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Rechtsanwalt Jan Wilking
1.Benutzungsmarke: -wie lange muss man auf dem Markt sein und bekannt sein ?
(für mich wäre eine Benutzungsmarke bei einer Bekanntheit wie Telekom, Milka, Siemens etc.)
2.wenn das Zeichen ice watch in der Zukunft zerstört wäre, durch den Widerspruch, würde das nicht eine Benutzungsmarke verhindern?
3. wenn es eine Benutzungsmarke ist und wusste es nicht, ist es strafbar solche Uhren eingeführt zu haben `?
4. in welche EU Ländern gibt es keine Benutzungsmarke, bzw. deutsche Ländern ?
1. Es kommt wie gesagt allein auf die Verkehrsgeltung an. Wenn eine ausreichende Anzahl der angesprochenen Kunden (in Ihrem Fall wohl mindestens 50%) das Zeichen "ice watch" einem bestimmten Uhrenhersteller zuordnen würde, würde dies ausreichen, unabhängig davon, wie lange die Marke auf dem Markt ist.
2. Nur weil eine Marke nicht eintragungsfähig ist, verhindert dies zwar nicht zwingend eine Benutzungsmarke. Allerdings erhöhen sich natürlich die Chancen, dass das Gericht aufgrund der Ähnlichkeit mit den anderen Marken keine ausreichende Verkehrgeltung erkennt.
3. Grundsätzlich schützt Unwissenheit nicht vor Strafe. Wenn Sie allerdings nachweisen können, dass Sie vor Einfuhr ausführlich bezüglich einer Markeneintragung recherchiert haben und aufgrund der Ergebnisse davon ausgegangen sind, dass kein Markenschutz besteht, dürfte es hier an der für eine Strafe notwendigen Schuld fehlen.
4. Die Regelung der Benutzungsmarke gilt bundesweit, also für ganz Deutschland. Für die EU gibt es keine einheitliche Regelung, deshalb wird der Markenschutz aufgrund Verkehrsgeltung in jedem EU-Land unterschiedlich geregelt. Eine konkrete Aufzählung würde aber den Umfang dieser Erstberatung sprengen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen