Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass dieses Forum lediglich die Funktion hat, Ihnen einen ersten Überblick über die Rechtslage zu geben. Eine persönliche Beratung/Vertretung kann und soll hierdurch nicht ersetzt werden. Hinzufügen oder Weglassen wesentlicher Tatsachen kann zu einer anderen Beurteilung des Falles führen. Unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsangaben und des von Ihnen gebotenen Einsatzes beantworte ich Ihre Anfrage wie folgt:
Im vorliegenden Fall ist es nicht möglich, die Rechtslage im Rahmen der hier vorzunehmenden Erstberatung abschließend zu bewerten, ohne eine ausführliche Kenntnis der Akten des Vorprozesses zu haben.
Aufgrund Ihrer Sachverhaltsschilderung gelange ich jedoch leider zu dem Ergebnis, dass Sie rechtlich nichts weiter unternehmen können, um entweder materiell-rechtlich das Verfahren fortzusetzen oder sich gegen die Zwangsvollstreckung zu wehren.
Ein Rechtsmittel gegen das inzwischen rechtskräftige Schlussurteil, das im April 2007 ergangen ist, ist nicht mehr statthaft. Rechtsmittel gegen Urteile können gem. §§ 517
, 548 ZPO
nur binnen einer Notfrist von einem Monat eingelegt werden. Lediglich ausnahmsweise im Falle eines unverschuldeten Fristversäumnisses kommt eine Wiederseinsetzung in die Rechtsmittelfrist in Betracht. Gem. § 234 III ZPO
unterliegt diese Widerseinsetzung in den vorigen Stand selbst einer Ausschlussfrist, die ein Jahr beträgt. Da auch diese Frist verstrichen ist, können Sie gegen das rechtskräftige Urteil nicht mehr vorgehen.
Im Rahmen der Zwangsvollstreckung können Sie die Einrede des nichterfüllten Vertrages gem. § 320 BGB
nicht erheben. Dies ist eine materiell-rechtliche Einwendung. Die Prüfung des materiellen Rechts obliegt dem Richter im Rahmen des Erkenntnisverfahrens, aufgrund des Grundsatzes der Formalisierung der Zwangsvollstreckung jedoch nicht dem Vollstreckungsorgan im Rahmen der Zwangsvollstreckung. Hätten Sie die Einrede im Prozess erfolgreich geltend gemacht, wäre die Konsequenz gem. § 322 BGB
lediglich eine Verurteilung Zug-um-Zug, aber nicht eine Klagabweisung. Das heißt, dass Sie auch dann verurteilt worden wären. Dann hätten Sie die Zwangsvollstreckung nur solange aufschieben können, bis der Gerichtsvollzieher Ihnen die Gegenleistung gem. § 756 ZPO
in einer annahmeverzugsbegründenden Art und Weise angeboten hätte.
Auch im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage können Sie die Einrede des nichterfüllten Vertrags nicht geltend machen, da diese regelmäßig gem. § 767 II ZPO
präkludiert ist. Im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage werden solche Einwendungen nicht berücksichtigt, die der Schuldner bereits im Erkenntnisverfahren hätte vortragen können. Der Gesetzgeber räumt der mit der Rechtskraft des Urteils einhergehenden Rechtssicherheit hier einen höheren Stellenwert ein als der materiellen Gerechtigkeit.
Daher sehe ich in diesem Fall keinerlei Möglichkeiten des juristischen Vorgehens mehr.
Es tut mir Leid, Ihnen keine positivere Auskunft geben zu können, hoffe jedoch, Ihnen einen ersten Überblick über die Rechtslage gegeben zu haben.
Antwort
vonRechtsanwalt Lars Liedtke
Groner Landstr. 59
37081 Göttingen
Tel: 05513097470
Web: https://www.Kanzlei-Lars-Liedtke.de
E-Mail:
Rechtsanwalt Lars Liedtke
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,
die Einrede des nicht erfüllten Vertrags hindert den Verzug des Schuldners, so dass der Mieter nicht verurteilt werden kann. So der BGH, wie auch der Anspruch auf Erfüllung besteht neben der Mietminderung nach § 536 BGB
. Dies muss der Richter in erster Instanz ermitteln, so wie der Anwalt wissen und beantragen. Machen dass beide nicht, liegt ein Fehlverhalten vor? Anwaltshaftung, bzw. Richterhaftung? Richter sind nahezu nicht haftbar zu machen!!! BGH Urteil 2004, der Schuldner ist in der ZV zu hören, der Anspruch sei Erfüllt kommt hier zum tragen, die Einrede kann auch in der Vollstreckungsgegenklage erhoben werden, so Pallant, Schmitz, etc. Es gibt auch ein BGH Urteil dass dieser Auffassung ist! BGH IX ZB 32/04
, 05.11.2004!
Man müsste ein neues Verfahren eröffnen, dass beweist, dass das erste Urteil falsch ist, weil der Anwalt Beweise zurückgehalten hat, die die Einrede des nicht erfüllten Vertrags möglich gemacht hätte, oder aber in der Anwaltshaftung die notwendige Konsequenz ziehen?
Meine Fragen:
Wie kann ein Mieter die Miete schulden, wenn der Vermieter dafür den Grund herbeiführt? Kann ich heute noch wegen Arglistigkeit, Sittenwidrigkeit, oder Vorsatz vorgehen und damit erreichen, dass die Kündigung unwirksam wird?Das Urteil aufgehoben werden kann?
Immerhin muss der Vermieter die Gewährleistung nach § 535 BGB
als Erster bringen, dann muss der Mieter erst Miete bezahlen!
Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen!
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Fragesteller,
der Eintritt des Schuldnerverzugs wird nur dann verhindert, wenn der Schuldner nicht vorleistungsverpflichtet ist. In der Regel enthalten Mietverträge jedoch eine solche Verpflichtung, da der Mieter die Miete zu Beginn des jeweiligen Kalendermonats zu entrichten hat. Selbst wenn der Verzug nicht eingetreten wäre, folgt daraus bloß, dass keine Verurteilung in die Verzugszinsen stattfinden kann. Eine Verurteilung zur Leistung selbst erfolgst selbstverständlich, bloß nicht gerade unbedingt, sondern Zug-um-Zug, was gerade die Wirkung des Zurückbehaltungsrechts ist. Sie verwechseln insoweit die Begriffe der Fälligkeit und der Vollwirksamkeit (Palandt/Heinrichs, § 286 Rn. 12).
Bei fehlendem Parteivortrag kann ein richterliches Fehlverhalten nicht vorliegen. Aufgrund der Dispositionsmaxime hat das Gericht im Zivilprozess nur zu berücksichtigen, was die Parteien vortragen. Ihr Rechtsanwalt hätte also die Einrede erheben müssen. Gegebenenfalls liegt eine anwaltliche Pflichtverletzung vor, falls dem Anwalt ein Verschuldensvorwurf zu machen ist.
Der Erfüllungseinwand ist in der Zwangsvollstreckung selbstverständlich zu berücksichtigen. Dies ist aber etwas völlig anderes als die Einrede des nichterfüllten Vertrags.
Grundsätzlich kann diese Einrede im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage erhoben werden, aber nur wenn sie nicht im konkreten Fall präkludiert ist. Dass dem so ist, tragen Sie ja selbst vor, indem Sie darauf abstellen, dass sie bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte Berücksichtigung finden müssen.
Ein neues Verfahren desselben Streitgegenstands ist wegen des Einwands entgegenstehender Rechtskraft unzulässig. Allenfalls kann dies Gegenstand eines Regressprozesses gegen den Anwalt werden.
Die causa der Mietzahlungspflicht besteht im Mietvertrag, nicht im Verhalten des Vermieters. Nein, Sie können wegen entgegenstehender Rechtskraft keine zweite Entscheidung über denselben Streitgegenstand erwirken. Selbst im Mangelfall besteht ja die Mietzahlungspflicht grundsätzlich fort, kann allenfalls dilatorisch gehemmt sein, aber auch das nur, wenn die Einrede zuvor außergerichtlich erhoben worden ist.
Mit freundlichen Grüßen,
Lars Liedtke
Rechtsanwalt