Am 30.09.2021 endete mein bisheriges Arbeitsverhältnis, in dem ich zu 75% gearbeitet habe. Am 15.10.2021 beginne ich ein neues Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber und werde dort mit 50% (20 Std.) der dort üblichen vollen Arbeitszeit (40 Std.) tätig sein. Ich bin seit 1995 privat krankenversichert und will das auch bleiben. Weil mein Einkommen in meinem neuen Arbeitsverhältnis unter der Versicherungspflichtgrenze liegen wird, möchte ich einen Antrag auf Befreiung von der Krankenversicherungspflicht stellen. Die zuständige GKV weigert sich aber, die Befreiung auszusprechen mit folgenden Argumenten:
1. Eine Befreiung wegen Teilzeit ist nur möglich, wenn ich bei selben Arbeitgeber reduziere, NICHT aber, wenn ich den Arbeitgeber dafür wechsle.
2. Das neue Arbeitsverhältnis schließt nicht unmittelbar an das alte an.
Meine Einschätzung zu den beiden Fragen:
1. §8 (1) Abs. 3 SGB V sagt: "dies gilt auch für Beschäftigte, die im Anschluß an ihr bisheriges Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber ein Beschäftigungsverhältnis aufnehmen." Also ist die Auskunft der GKV falsch.
2. Die Rechtsprechung scheint bei einer Zeit zwischen zwei Arbeitsverhältnissen von weniger als einem Monat regelmäßig davon auszugehen, dass das folgende Arbeitsverhältnis noch "im Anschluss" beginnt.
die Formulierung "im Anschluss" bedeutet nicht, dass sich das neue Beschäftigungsverhältnis tagegenau an das alte Beschäftigungsverhältnis anschließen muss.
Dazu hat bereits der GKV Spitzenverband "Grundsätzliche Hinweise Versicherungsfreiheit von Arbeitnehmern bei Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze vom 20. März 2019" verfasst.
Und in diesen Hinweisen heißt es wörtlich:
Zitat:
Ein Fortwirken der Befreiung über das einzelne (zur Befreiung führende) Beschäftigungsverhältnis
ist jedoch dann anzunehmen, wenn im unmittelbaren Anschluss hieran oder auch nach einer
kurzfristigen (sozialversicherungsrechtlich irrelevanten) Unterbrechung eine neue Beschäftigung
aufgenommen wird, die grundsätzlich nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungspflichtig wäre.
Dies gilt auch für weitere (noch folgende) Beschäftigungen. Als kurzfristige Unterbrechungen im
vorstehenden Sinne werden Zeiträume von bis zu einem Monat angesehen, in denen kein anderer
Versicherungspflichttatbestand vorliegt.
Wenn also in den zwei Wochen 1.10.2021-14.10.2021 kein Tatbestand entstanden ist, der eine Versicherungspflicht auslöst, ist die Aufassung Ihrer GKV unzutreffend.
Eine Versicherungspflichttatbestand ist z.B. ein ALG I Bezug.
Ich gehe nach Ihren Ausführungen davon nicht aus, so dass hier die Voraussetzungen der Befreiung gegeben sind.
Auch Ihre Darstellung entspricht den tatsächlichen Gegebenheit für den Beginn von Arbeitsverhältnissen. Ein Beginn zum 15.eines Monats ist nicht unüblich.
Legen Sie gegen eine Ablehnung unbedingt Widerspruch ein und verfolgen Ihr Befreiungsbegehren weiter.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwältin
Sylvia True-Bohle
Rückfrage vom Fragesteller6. Oktober 2021 | 12:39
Sehr geehrte Frau True-Bohle,
vielen Dank für Ihre Antwort. Es freut mich, dass meine Einschätzung korrekt zu sein scheint.
Würden Sie bitte auch noch etwas zu meiner Frage sagen, ob die Reduzierung auf 50% AUCH DANN von der Versicherungspflicht befreit, wenn sie im Zuge eines Arbeitgeberwechsels geschehen ist? §8 (1) Abs. 3 SGB V legt das nahe.
Vielen Dank und beste Grüße
Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt6. Oktober 2021 | 12:51
Sehr geehrter Ratsuchender,
die Befreiung von der Versicherungspflicht ist auch dann auszusprechen, wenn die Reduzierung der Arbeitszeit im Zuge des Arbeitgeberwechsels erfolgt ist.
Das folgt nicht nur aus § 8 Abs. 1 Ziffer 3 SGB V, sondern auch aus den von mir zitierten Hinweisen.
Denn dort wird ja gerade auf das neue Beschäftigungsverhältnis Bezug genommen, welches "grundsätzlich nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungspflichtig wäre". Für dieses ist dann trotz dieser Versicherungspflicht unter den genannten Voraussetzungen die Befreiung zu erteilen.
Und so ist bei Ihnen. Die neue Beschäftigung wäre ja versicherungspflichtig wegen der Stundenreduzierung, aber es ist die Befreiung auszusprechen, da hier eine Anschlussbeschäftigung vorliegt.